Marleen Rohde vor dem Berlin-Schild in der Fußball-Akademie.
Frauen | 4. September 2024, 16:30 Uhr

„Die Leidenschaft zum Sport habe ich nie verloren“

U17-Europameisterin, Bundesligadebüt mit Turbine Potsdam, Fußball in Amerika nach dem Abitur und nun auch das erste Spiel im DFB-Pokal: Marleen Rohde blickt mit ihren gerade einmal 22 Jahren schon auf einige sportliche Karrierehöhepunkte zurück. Seit der vergangenen Saison läuft die Mittelfeldakteurin für unsere 1. Frauen auf und bringt ihren weitreichenden Erfahrungsschatz im Team von Trainer Manuel Meister ein: „Ich sehe mich in der Position, das Spiel zu strukturieren, Ruhe zu bewahren, aber auch das Tempo anzugeben und kommunikativ auf dem Platz mitzuwirken“, beschreibt die gebürtige Berlinerin ihre Rolle. Trotz einer nahezu bilderbuchartigen Entwicklung musste die ehemalige U-Nationalspielerin in ihrem jungen Alter auch schon einen herben gesundheitlichen Rückschlag verkraften. „Ich hatte das Gefühl, dass mein großer Traum vom Profifußball von heute auf morgen zerplatzt. Die Leidenschaft zum Sport habe ich dabei jedoch nie verloren. Deshalb macht es mich umso glücklicher, mittlerweile wieder schmerzfrei Fußballspielen zu können“, bilanziert die Vize-Kapitänin. Im Interview mit Enya Laun aus der Online-Redaktion sprach Rohde außerdem über die vergangene und die laufende Saison mit unserer Alten Dame, ihre ersten Schritte und größten Erfolge im Profisport sowie ihr wichtigstes Erfolgsrezept.

Marleen, hinter dir und den 1. Frauen liegen ereignisreiche Wochen: Trainingslager in Kienbaum, euer historisches erstes DFB-Pokalspiel gegen den ATS Buntentor und die beiden einläutenden Ligapartien in 2024/25 beim Bischofswerdaer FV 08 und beim 1. FC Union II. Wie blickst du auf euren Start zurück?
Rohde: Ich habe mich von Beginn an sehr gut vorbereitet gefühlt. Das Trainingslager lief so, wie wir uns das gewünscht haben. Dadurch sind wir alle mit einem guten Bauchgefühl und einem starken Teamgeist in die Saison gestartet. Für uns war die Partie gegen Buntentor sehr besonders, da es das erste Spiel im DFB-Pokal überhaupt war. Entsprechend groß war die Vorfreude und die haben wir schon in den ersten Minuten auf dem Platz gezeigt: Gleich mit zwei schnellen Toren in die Begegnung zu starten und in der zweiten Halbzeit noch drei Tore nachzulegen, geht kaum besser. Auch in der Liga haben wir mit den ersten beiden Spielen einen super Auftakt geliefert – zwei Siege und neun Tore können sich definitiv sehen lassen. Dass ich gegen Union zwei dieser Tore erzielen durfte, macht mich unglaublich stolz. Diese gute Form wollen wir uns auch für die kommenden Spiele beibehalten!

Marleen Rohde bejubelt ihren Treffer im Spiel gegen den FC Union II.
Marleen Rohde bejubelt ihren Treffer im Spiel gegen den 1. FC Union II.

Bevor wir weiter über deine und eure Saisonziele sprechen, lass uns zunächst einmal zusammen auf deine sportlichen Anfänge zurückblicken: Die Präsenz von Frauen und Mädchen im Fußball wird – zum Glück – immer stärker. Dennoch die Frage, was dich bereits in jungen Jahren dazu bewegt hat, ausgerechnet diesen Sport auszuüben? Gab es ein besonderes Ereignis oder Vorbild, das den Ausschlag gegeben hat?
Rohde: Eigentlich hatte ich, seit ich laufen konnte, einen Ball am Fuß. Wir haben damals direkt neben einem Fußballplatz gewohnt, auf dem mein älterer Bruder oft gespielt hat. Also musste ich als einziges Geschwisterkind für Torschüsse herhalten (schmunzelt). Das hat mir unglaublich viel Spaß gemacht, sodass mich meine Eltern mit fünf Jahren dann gleich gegenüber im Verein angemeldet haben. Dort habe ich früh gespürt, dass ich diesen Sport gerne langfristig ausüben möchte und ich meine absolute Leidenschaft gefunden habe – daher auch mein späterer Weg auf die Sportschule.

Diesen Weg als Stichwort: Ab 2014 hast du deine Ausbildung beim 1. FFC Turbine Potsdam auf der Sportschule für Mädchenfußball begonnen und warst dem Verein bis 2021 treu. Gibt es Erlebnisse und Personen, die dich vor allem im Jugendbereich besonders geprägt haben?
Rohde: Ich habe fast meine gesamte schulische und fußballerische Ausbildung auf der Sportschule von Turbine absolviert – von der 7. Klasse bis zum Abitur. Diese Zeit in Potsdam an diesem tollen Standort war sehr besonders und erfahrungsreich für mich. Allein, dass dort Schule, Internat und Fußballplatz nebeneinander integriert sind, ist einfach clever gelöst. Dadurch konnte ich einerseits den vollen Fokus auf das Fußballspielen richten und hatte andererseits auch noch genügend Freizeit. Einzelne Personen, die mich geprägt haben, kann ich gar nicht wirklich hervorheben. Insgesamt hat es die Mischung aus allen Trainern, die mich dort begleitet haben, zu so einer coolen Erfahrung gemacht. Als ich mich damals zu diesem Schritt entschieden habe, war ich noch sehr jung und habe das erste Mal für längere Zeit mein Zuhause verlassen. Trotzdem habe ich diese Entscheidung nie bereut oder hatte das Gefühl, etwas zu verpassen – im Gegenteil. Ich blicke unglaublich gerne auf die Zeit zurück und bin glücklich, dass ich diese Möglichkeit bekommen habe.

Für die zweite Mannschaft von Turbine hast du zwischen 2018 und 2021 insgesamt 32 Begegnungen in der 2. Bundesliga absolviert. Zudem kamst du in der Spielzeit 2019/20 auch einmal für die erste Mannschaft in der Bundesliga zum Einsatz. Wie konnstest du von diesen Partien für deine weitere Karriere profitieren und welche Momente sind dir besonders in Erinnerung geblieben?
Rohde: Mein Bundesligadebüt war natürlich das absolute Highlight! Schon so früh einmal ganz oben mitspielen zu dürfen, die Erfahrung der älteren Teamkolleginnen mitzunehmen, mit ihnen gemeinsam zu trainieren – das war ein unglaubliches Erlebnis. Gleichzeitig waren aber auch der Konkurrenzkampf und der Leistungsdruck viel stärker, als ich das jetzt in der Regionalliga wahrnehme. Trotzdem haben wir es geschafft, einen super Zusammenhalt im Team aufzubauen. Witzig ist auch, dass mich damals tatsächlich Sofian (Leiter Frauenfußball bei Hertha BSC, Anm. d. Red.) bei Turbine trainiert hat (lacht).

Darüber hinaus durftest du dein Können bereits für die deutsche Nationalmannschaft in verschiedenen U-Auswahlen unter Beweis stellen. 2019 gelang bei der U17-Europameisterschaft der Frauen in Bulgarien der große Wurf: Ihr konntet euch im Finale gegen die Niederlande im Elfmeterschießen durchsetzen und den Titel sichern. Wie blickst du auf diesen großen Erfolg zurück?
Rohde: Das ganze Turnier zählt für mich mit zu den besten Zeiten in meiner fußballerischen Laufbahn, die ich bisher hatte. Ich erinnere mich noch gut daran, dass wir außerhalb der Urlaubszeit dort waren. Bulgarien war – abgesehen von uns Spielerinnen – eigentlich völlig verlassen und der volle Fokus lag auf dem Turnier. Allein die Möglichkeit, in einem fremden Land zu trainieren und Fußball spielen zu dürfen, war mega. Mir fehlen ehrlich gesagt ein wenig die Worte, um diese Erfahrung zu beschreiben (grinst).

Es war nicht die letzte dieser Art: Nach deinem Abitur an der Sportschule Potsdam hat es dich in die Ferne gezogen. Mit 18 Jahren hast du dich dem College-Team „California Golden Bears“ angeschlossen und zeitgleich auch die University of California in Berkeley besucht. Wie hat diese Auslandserfahrung deine fußballerische Entwicklung beeinflusst?
Rohde: Im Frauenfußball ist es recht üblich, dass viele in ihrer Karriere den Weg nach Amerika gehen. So bin ich schon früh durch Mitschülerinnen auf das Angebot aufmerksam geworden. Die Möglichkeit, Uni und Profifußball so gut miteinander vereinbaren zu können, war zu der Zeit hier in Deutschland als Frau kaum gegeben und da war für mich schnell klar, dass ich diesen Weg auch gerne gehen möchte. Mit dieser Entscheidung waren aber auch einige Sorgen verbunden. Allen voran die Frage nach dem Level der Spielerinnen vor Ort und ob ich mich mit meiner bis dahin gesammelten Erfahrung gut ins Team einfügen kann. Die Logistik der Universität war ähnlich zum Aufbau der Sportschule in Potsdam, das Niveau definitiv vergleichbar mit dem der Teams aus der unteren Bundesliga-Tabellenhälfte hier in Deutschland. Der stärkste Unterschied war die athletische Ausbildung, auf der ein noch viel größerer Fokus lag, als ich es zuvor erlebt hatte. Auch dadurch, dass während der Partien beliebig oft aus- und eingewechselt werden durfte, war das Spielgeschehen viel schneller und lauffreudiger. Mitnehmen konnte ich insbesondere diese Robustheit und Ausdauer, die mir vor meinem Aufenthalt in Kalifornien noch etwas gefehlt hatten. Davon habe ich auf meinem weiteren sportlichen Weg enorm profitiert.

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Der Blick geht nach vorne und ich freue mich immer wieder, mit den Mädels auf dem Platz zu stehen und Spaß an der Sache zu haben.
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-Marleen Rohde

Trotz dieser positiven Erfahrungen hast du einen Rückschlag erlitten: Aufgrund anhaltender Rückenbeschwerden musstest du frühzeitig wieder in deine Heimat zurückkehren. Daraufhin wusstest du nicht, ob du deine Karriere weiterführen kannst. Wie blickst du inzwischen auf diese Verletzungsphase? Und welche Strategien haben dir dabei geholfen, gestärkt zurückzukommen?
Rohde: Als ich gezwungen war, den Sport erst einmal aufzugeben, hatte ich das Gefühl, meinen großen Traum vom Profifußball von heute auf morgen zerplatzen zu sehen. Ich brauchte zunächst auch etwas Zeit, um diesen Zustand zu akzeptieren und zu verarbeiten. Das war definitiv hart und schwierig. Die Leidenschaft zum Sport habe ich dabei jedoch nie verloren. Deshalb macht es mich umso glücklicher, mittlerweile wieder schmerzfrei Fußballspielen zu können. Der Blick geht nach vorne und ich freue mich immer wieder, mit den Mädels auf dem Platz zu stehen und Spaß an der Sache zu haben. Das weiß ich sehr zu schätzen!

Ein gutes Stichwort, um auf unsere Alte Dame zu sprechen zu kommen: Seit Juli letzten Jahres läufst du mit der Fahne auf der Brust für unsere 1. Frauen auf, kommst auf 19 Pflichtspieleinsätze und hast dabei vier Treffer erzielt. Was hat damals den Ausschlag gegeben, dich unserem neu gegründeten Frauenteam anzuschließen?
Rohde: Ein Jahr nach meiner Verletzung habe ich den Entschluss gefasst, wieder mit dem Fußballspielen anzufangen und mich informiert, welche Vereine aus der Nähe für mich in Frage kommen. Durch Sofian habe ich mitbekommen, dass Hertha nun auch eigene Frauenteams hat. Auch wenn ich am Anfang noch nicht so genau wusste, was mich erwarten wird, hat mich das Projekt von Anfang an begeistert und ich wollte unbedingt ein Teil davon sein.

Wie hast du den Wechsel nach Berlin erlebt? Und was schätzt du besonders an unserem Hauptstadtclub?
Rohde: Der Einstieg war für mich supereinfach. Wir waren ein komplett neues und frisches Team, sodass ich mich nicht in eine schon bestehende Gruppe integrieren musste. Und tatsächlich kannte ich einige meiner Mitspielerinnen auch schon aus früheren U-Auswahlen. Zwischenzeitlich hatten wir uns aus dem Blick verloren und jede ist ihren eigenen Weg gegangen. Jetzt stehen wir wieder Seite an Seite auf dem Rasen und das ist ein tolles Gefühl. Wir sind innerhalb des Teams super aufgestellt und erfahren so einen tollen Support vom Verein! Das trägt maßgeblich dazu bei, dass ich mich hier so wohlfühle und glücklich bin, ein Teil der blau-weißen Familie zu sein.

Marleen Rohde im Shooting für Mampe, den Ärmelpartner der 1. Frauen.

Ende Juli 2024 hast du bei uns einen neuen Vertrag unterschrieben. Dabei betonte unser Leiter Frauenfußball, Sofian Chahed, dass du in der vergangenen Saison eine gute Entwicklung genommen hast. Wo siehst du selbst deine größten Stärken?
Rohde: In meinen Erfahrungen, die ich bei Turbine und meinen DFB-Auswahlen sammeln durfte und mit denen ich nun den Mädels auf und neben dem Platz helfen kann. Außerdem sehe ich mich in der Position, das Spiel zu strukturieren, Ruhe zu bewahren, aber auch das Tempo anzugeben und kommunikativ auf dem Platz mitzuwirken. Gerade auch die jüngeren Mädels kommen gerne mit Fragen zu den U-Auswahlen auf mich zu oder bitten um Tipps, wie sie sich verbessern können. Und ich denke, dass ich da auf jeden Fall eine gute Ansprechpartnerin bin. 

Das drückt sich auch in der Tatsache aus, dass dich dein Team vor Beginn der aktuellen Spielzeit zur Vize-Kapitänin gewählt hat. Was bedeutet dir dieser Support deiner Mitspielerinnen?
Rohde: Ich habe mich mega gefreut, dass die Mädels mir das Vertrauen für die Position geschenkt haben. Für die Zukunft hoffe ich, dass ich unserem recht jungen Team mit meiner Erfahrung, die ich bisher sammeln durfte, vor allem auf dem Platz weiterhelfen und als Vize-Kapitänin auch den Zusammenhalt untereinander stärken kann.

Welche Ziele habt ihr euch als Team für die neue Spielzeit gesteckt? Und welche Vorsätze hast du dir persönlich genommen?
Rohde: In der vergangenen Saison haben wir es oft nicht geschafft, Spiele mit einer konstant guten Leistung durchzuziehen. Genau da wollen wir ansetzen und besser werden. Auch als junges Team in jedes Spiel mit hundertprozentiger Energie reinzugehen, ist unser großes Ziel. Das wollen wir über die gesamte Spielzeit aufrechterhalten, um dann auch ganz oben mitzuspielen. Ich denke, dass wir definitiv das Zeug dazu haben, wenn wir auf unsere bisherige Teamleistung zurückblicken. Wir können uns nicht nur auf unsere fußballerischen Qualität, sondern auch auf unseren Zusammenhalt und unser Gemeinschaftsgefühl verlassen. Als Vize-Kapitänin möchte ich mich dabei noch mehr einbringen, den neuen Spielerinnen ihren Einstieg so leicht wie möglich machen und mit gutem Beispiel vorangehen.

Rohde holt sich Lob vom Trainerteam ab.
Rohde holt sich Lob vom Trainerteam ab.

Apropos gutes Beispiel: Du hast deinen Doppelpack gegen Union II bereits angesprochen. Insgesamt seid ihr mit drei Siegen aus drei Spielen in die Saison gestartet. Eine große Herausforderung erwartet euch am kommenden Freitag (06.09.24, 18:30 Uhr), wenn ihr in der 2. Hauptrunde des DFB-Pokals auf die Frauen vom VfL Wolfsburg trefft. Was geht gerade in dir und den Mädels vor, wenn ihr an die Begegnung mit dem zehnmaligen DFB-Pokal Sieger denkt?
Rohde: Das Los ist der absolute Hammer! Gleich in der 2. Runde des Wettbewerbes eine solche Top-Mannschaft zu bekommen, ist natürlich eine sehr schwierige Aufgabe, aber in erster Linie eine, auf die wir uns freuen. Wir hoffen auf ein Heimspiel vor vollem Haus und mit tollen Fans, die uns unterstützen. Das wird auf jeden Fall das Highlight der Saison für uns und wir hoffen, dass wir die Energie aus unserem guten Start mit in die Partie nehmen können, um es den Wolfsburgerinnen so schwer wie möglich zu machen.

Zum Abschluss: Was würdest du Mädchen und jungen Frauen, die sich auch gerne im Fußball etablieren möchten, raten? Was hat dir geholfen und Mut gemacht, hast du Tipps?
Rohde: Das Wichtigste ist, immer an sich selbst zu glauben. Selbstbewusst und stolz den eigenen Weg zu verfolgen, ganz egal, welche Rückschritte oder Hindernisse man vielleicht auch bewältigen muss. Dranbleiben und nebenbei den Spaß an der Sache nicht verlieren. Auch wenn es nicht immer einfach ist, zu sehen, was Gleichaltrige für einen Alltag leben, während man selbst trainiert und darum kämpft, immer besser zu werden. Natürlich spielt auch das nötige Talent eine entscheidende Rolle, aber insgesamt kommt es darauf an, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und sich immer wieder bewusst zu machen, was man erreichen möchte. Dann kann es klappen (lächelt)!

von Enya Laun