Theo Gries Collage
Historie | 9. Februar 2021, 14:45 Uhr

#HerthaMuseum: Theo Gries - Torgarant und Publikumsliebling

Nach zwei Jahren in der Oberliga Berlin startet Hertha BSC in der Saison 1988/89 als Aufsteiger in die 2. Bundesliga. Der Auftakt misslingt jedoch: Nach nur zwei Siegen aus zwölf Partien muss Trainer Jürgen Sundermann seinen Posten räumen. Vom Ligakonkurrent 1. FC Saarbrücken wechselt Nachfolger Werner Fuchs an die Spree. Allerdings wird dem neuen Übungsleiter schnell klar, dass seine Elf im Angriffsspiel zu harmlos ist. Während die Defensive mit 17 Gegentreffern recht stabil steht, drückt in der Offensive der Schuh. Fuchs spricht sich für die Verpflichtung von Theo Gries von Kontrahent Alemannia Aachen aus, den 27-jährigen offensiven Mittelfeldakteur hat der Berliner Coach bereits zwischen 1985 und 1987 in der Kaiserstadt trainiert.

Glücksgriff mit Torgarantie

Die Verpflichtung des gebürtigen Pfälzers erweist sich sofort als Volltreffer. Ende Oktober 1988 debütiert Gries im blau-weißen Trikot und legt mit der Führung beim 3:1 gegen Aschaffenburg den Grundstein für den ersten Heimsieg der laufenden Saison. Eine Woche später sichert sein Ausgleichstreffer beim 1:1 in Darmstadt einen hochverdienten Punkt. In den folgenden 22 Einsätzen steuert der Neuzugang sieben weitere Tore bei und avanciert so zum torgefährlichsten Herthaner. Am Saisonende hält der Hauptstadtclub als 14. die Klasse.

Auch in der kommenden Spielzeit – die als eine denkwürdige in Erinnerung bleiben sollte – stellt der Offensivspieler seine Gefahr unter Beweis. Nach 15 Begegnungen erklimmen die Spreeathener erstmals die Tabellenspitze, Gries hat zu diesem Zeitpunkt schon wieder sieben Tore auf dem Konto. Es folgen attraktive und herausfordernde Kräftemessen beim Zweiten in Saarbrücken und gegen den Dritten aus Wattenscheid. Nach dem 0:3 im Saarland ahnt allerdings niemand, dass das folgende Heimspiel aus einem ganz anderen Grund in die Vereinsgeschichte eingehen wird. In den Abendstunden des 9. November 1989 verkündet die DDR eine Reiseregelung, die in den folgenden Stunden im Fall der Berliner Mauer mündet. Nicht einmal 48 Stunden später feiern die inoffiziell weit über 50.000 Zuschauer aus Ost und West beim 1:1 der 'Alten Dame' gegen Wattenscheid 09 im und rund um das Olympiastadion eine vorgezogene Wiedervereinigung. Das Sportliche tritt dabei vollends in den Hintergrund.

Krönung einer denkwürdigen Saison

Auch nach den historischen Ereignissen rollt der Ball weiter – und auf Gries bleibt Verlass. In den ersten beiden Rückrundenspielen schenkt er Münster und Darmstadt jeweils drei Tore ein. Am 1. Mai 1990 folgt die große Krönung: Ein 1:1 in Aachen, ausgerechnet der alten Wirkungsstätte von Trainer Fuchs und Torjäger Gries, reicht nach acht Jahren für die Rückkehr in die Bundesliga. Natürlich ist es Herthas Lebensversicherung, die sich fünf Minuten vor dem Ende in die Torschützenliste einträgt. Der späte Ausgleich der Gastgeber hat keine Bedeutung mehr. Gries, der alle 38 Spiele in der Aufstiegssaison bestreitet, erzielt als Top-Torschütze 18 der insgesamt 65 Berliner Treffer.

Angekommen in der höchsten deutschen Spielklasse agieren die Blau-Weißen 1990/91 aufgrund von begrenzten finanziellen Mitteln und einigem Verletzungspech am Rande der Konkurrenzfähigkeit. Trotz der sechs Saisontreffer, mit denen Gries neben Sven Kretschmer an der Spitze der clubinternen Torschützen rangiert, muss die Mannschaft unter vier Trainern den Wiederabstieg als Tabellenschlusslicht verkraften. Zum dritten Mal nach 1980 und 1983 muss der Verein innerhalb von elf Jahren den Gang in die Zweitklassigkeit antreten.

Schwierige Phase nach dem Wiederabstieg

Dort erreichen die Herthaner in der Nordstaffel unter Coach Bernd Stange 1991/92 den dritten Rang. Gries, der verletzungsbedingt nur 23 von 32 möglichen Begegnungen in der Punkt- und Meisterrunde absolviert, ist mit elf Toren neben Mike Lünsmann erneut der treffsicherste Blau-Weiße. In der darauffolgenden eingleisigen 2. Bundesliga, in der 24 Mannschaften an den Start gehen, wird deutlich, warum der Mittelfeldakteur längst Publikumsliebling an der Spree ist. Trainer Günter Sebert setzt seinen Schützling als einzigen Spieler in allen 46 Partien ein. Gries zahlt das Vertrauen zurück, trifft 23 Mal ins Schwarze und wird zum fünften Mal in Folge erfolgreichster Torschütze seiner Farben. Damit hat der Offensivspezialist entscheidenden Anteil daran, dass die Berliner trotz zwischenzeitlicher Abstiegsgefahr nach der Hinrunde letztendlich noch Fünfter werden.

Der bittere Abschied

Obwohl Hertha BSC 1993/94 nach zwölf Spieltagen auf dem achten Tabellenplatz und in Schlagdistanz zu den Aufstiegsplätzen rangiert, trennt sich der Club von Siebert. Uwe Reinders übernimmt. Gries hat zu diesem Zeitpunkt bereits wieder sechs Mal getroffen und führt mit dieser Ausbeute erneut das interne Ranking an. Doch unter dem neuen Coach läuft es nicht rund. Nach fünf Niederlagen, in denen Gries torlos bleibt, verliert er seinen Stammplatz. Seinen letzten Einsatz für die Spreeathener bestreitet der Leistungsträger der Vorjahre im November 1993 gegen Uerdingen, als er kurz vor Schlusspfiff für Carsten Ramelow ins Spiel kommt. Wenig später teilt der Verein Gries und den Kollegen Walter Junghans und Ulrich Bayerschmidt mit, dass sie sich einen neuen Arbeitgeber suchen können. Kurz darauf folgt die Freistellung vom Trainingsbetrieb. Reinders muss derweil im März 1994 nach fünf Monaten seinen Stuhl wieder räumen. Seine Bilanz: zwei Siege, vier Remis und sechs Niederlagen. Zehn Jahre später äußert sich Gries in einem Interview zu den damaligen Ereignissen: "Das hat mich tief getroffen, ich habe auch geweint an meinem letzten Tag bei Hertha. Es war, als hätte man mir das Herz rausgerissen, denn ich hing an keinem Verein so sehr wie an Hertha BSC."

Auch knapp drei Jahrzehnte später genießen die Leistungen von Theo Gries, der 185 Pflichtspiele bestritten und mit 67 Treffern die meisten Zweitliga-Tore im blau-weißen Trikot erzielt hat, einen besonderen Stellenwert in der Vereinshistorie des Hauptstadtclubs.

Hertha BSC gratuliert Theo Gries herzlich zu seinem Ehrentag und wünscht ihm für die Zukunft weiterhin alles erdenklich Gute!

von Frank Schurmann