
Nicht aufgesteckt: Blau-weiße Reaktion nach Rückschlag!
Nicht einmal 180 Sekunden stand Luca Netz auf dem Rasen, da machte sich der 17-Jährige schon auf den Weg zur Eckfahne, um nur Bruchteile später in einer blau-weißen Jubeltraube zu verschwinden. Sein Ausgleich zum 1:1-Endstand wenige Augenblicke zuvor war die logische Konsequenz des unermüdlichen Einsatzes unserer Jungs, die Freude über das Comeback aber bis auf die Tribüne spürbar (81.). "Ich habe gegen meinen eigenen Fuß geschossen, was dann eine gute Finte war. Die Hauptsache ist, dass der Ball am Ende drin war – darüber freue ich mich riesig!", beschrieb der Youngster seinen ersten Profitreffer, mit dem er im Alter von 17 Jahren und 274 Tagen zum jüngsten Bundesliga-Torschützen unserer Vereinsgeschichte avancierte. Dieses Tor – mit dem unbedingten Willen es zu erzielen - stand symbolisch für den gesamten Auftritt unserer Herthaner an diesem Samstag (13.02.21) beim VfB Stuttgart. Das Team bewies Moral, hielt dem Druck und dem Rückstand aus und erarbeitete sich dank einer Leistungssteigerung im zweiten Durchgang einen Zähler beim schwäbischen Überraschungsteam. "Ich bin nicht der Typ, der Mist erzählt. Die erste Halbzeit haben wir verschenkt, in der zweiten Hälfte war mehr drin. Zum Schluss muss man sagen, dass es ein gerechtes Unentschieden war", fasste unser Coach Pál Dárdai treffend zusammen.
Die Einstellung stimmt
Leidenschaft, Kampf und Teamgeist - von Beginn an zeigte unsere Elf jene Tugenden, die es in der aktuellen Situation bedarf. Die Hauptstädter unterstützten einander, feuerten sich an und agierten im Kollektiv, wie bei der ersten Chance der Stuttgarter, die Niklas Stark und Rune Jarstein mit vereinten Kräften entschärften (8.). In der Folgezeit spielte sich das Treiben in einer zweikampfbetonten Partie mehr und mehr zwischen den Strafräumen ab. "Es war ein sehr intensives Spiel - der VfB ist eine Mannschaft, die guten Fußball spielen kann. Wir haben die erste Halbzeit gebraucht, um herauszufinden, wie wir gegen die Abwehr durchkommen können", resümierte Dodi Lukébakio, der sich am Neckar über seinen 50. Bundesliga-Einsatz mit der blau-weißen Fahne auf der Brust freuen durfte: "Es zeigt, dass die Verantwortlichen an mich glauben. Dieses Vertrauen möchte ich zurückzahlen. Ich bin mir sicher, dass wir es gemeinsam aus dieser schwierigen Situation herausschaffen."
Auf dem Stuttgarter Rasen mussten Lukébakio und seine Kollegen allerdings zunächst einen Rückschlag hinnehmen, weil es die Fortuna nicht mit unserer 'Alten Dame' hielt. Der VAR erkannte die Führung für den Aufsteiger an, da Nutznießer Kalajdžić hauchzart nicht im Abseits stand (45.). "Die erste Halbzeit war schrecklich, das müssen wir ehrlich sagen. Das Positionsspiel und das Pressing waren nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir hatten nichts unter Kontrolle und haben nur reagiert. Es waren zu viele Zufallsprodukte“, legte Dárdai den Finger in die Wunde. Auch unser Mittelfeldspieler Lucas Tousart hielt selbstkritisch fest: "In der ersten Halbzeit hat uns ein wenig die letzte Intensität in den Zweikämpfen gefehlt." Der Auftritt in den zweiten 45 Minuten stimmte den 23-jährigen Franzosen aber positiv: "Das haben wir nach der Pause ändern können, waren präsenter und haben so mehr Möglichkeiten erspielt."
[>]Jeder hat seine Aufgabe, jeder hat seine Stärke und wenn das jeder mitbringt, dann schaffen wir das![<]
Trotz des erneuten Rückschlags ließen unsere Spreeathener nämlich nicht die Köpfen hängen, sondern blieben als Team intakt und ließen sich nicht unterkriegen. Mit Wiederanpfiff gelang es ihnen von Minute zu Minute besser, das Heft des Handelns in die Hände zu nehmen - auch weil unser Trainer in der Pause die richtigen Worte fand. "Ich bin in der Halbzeit ganz ruhig geblieben und habe mithilfe von Bildern sachlich gezeigt, was wir ändern mussten. Anschließend hat jeder seine Positionen gehalten und unser Spiel hat sich verbessert", verriet der Ungar das Erfolgsrezept. Eine weitere wichtige Rolle spielten zweifelsfrei auch die Akteure, die von der Bank kamen, durchweg überzeugten und die Einheit weiter antrieben. "Das war gut, was Sami Khedira, Nemanja Radonjic, Luca Netz und Mathew Leckie nach ihren Einwechslungen gezeigt haben", lobte Dárdai seine Schützlinge.Kurz nach dem ersten Doppelwechsel fehlten nach gefühlvollem Lupfer von Matheus Cunha erneut nur Zentimeter, da Waldemar Anton den Ball noch auf der Linie klären konnte (69.). Mit Herz und Verstand schnürte unser Hauptstadtclub die Cannstatter in dieser Phase regelrecht in der eigenen Hälfte ein. Dabei ließ Neuzugang Khedira immer wieder seine fußballerische Klasse sowie seine Führungsqualitäten aufblitzen. "Sami sollte coachen und hat der Mannschaft Stabilität und Ruhe verliehen. Mit seinem guten Positionsspiel hat er sehr viele Bälle abgefangen und sie nach vorne transportiert", zeigte sich Dárdai mit der Leistung des nun 100-fachen Bundesliga-Spielers zufrieden.
Wenig verwunderlich war es da, dass der 33-Jährige mit seiner exzellenten Vorlage einer der beiden Hauptprotagonisten beim Ausgleich war. "Sami ist ein Top-Spieler und hat eigentlich alles gewonnen, was man gewinnen kann. Gerade als junger Profi kann ich viel von ihm lernen und freue mich, mit ihm zusammenzuspielen", erklärte Netz, dessen Erfolgserlebnis für seinen Übungsleiter keineswegs überraschend kam: "Luca hat ein Lob verdient. Er hat das gezeigt, was wir von ihm erwarten. In Frankfurt hat er noch über das Tor geschossen. Jetzt hat es geklappt, weil er sich unter anderem richtig gut in den Raum bewegt hat." Entschlossenheit und Hartnäckigkeit zeichnen sich eben aus!
Die Gier nach mehr
Beflügelt vom neuen Zwischenstand, war noch in der Nachspielzeit ein intensives Anlaufen unserer Elf zu vernehmen - ein klares Zeichen der Jungs, die auch von der Bank permanent Unterstützung spürten. "Fakt ist, dass wir momentan im Abstiegskampf sind. Wir haben einen wichtigen Punkt geholt. Am Ende kann jeder Zähler entscheidend sein, und auch für die Moral war das sehr wichtig", so Khedira. Dass es demnächst mit den ersten drei Punkten in Dárdais zweiter Amtszeit klappen soll, darüber waren sich die Beteiligten alle einig. "Nach null Punkten gegen Bayern, einem Punkt in Stuttgart, hoffe ich, dass wir nächste Woche gegen die Nagelsmänner drei Zähler holen", richtete der Weltmeister von 2014 den Blick bereits auf die Aufgabe am Sonntag (21.02.21, 15:30 Uhr) gegen RasenBallsport Leipzig. Dárdai sieht es ähnlich: "Für mich ist es der erste besondere Moment, wenn wir den ersten 'Dreier' einfahren. Ein Punkt ist wichtig, aber nächste Woche und auch danach müssen wir immer wieder punkten und so viele Zähler sammeln, dass wir alle zufrieden sind."
Um dieses Vorhaben zu realisieren, müssen unsere Herthaner in den folgenden Begegnungen wieder ihr letztes Hemd geben und die Aufgaben im Kollektiv meistern. Das betonte auch der 44-jährige Fußballlehrer nochmals: "Wir sind eine Mannschaft, jeder Spieler hat einen sehr großen Wert. Jeder hat seine Aufgabe, jeder hat seine Stärke und wenn das jeder mitbringt, dann schaffen wir das!"