
Fingerzeig(e)
Die Blicke der zutrittsberechtigten Mitarbeitenden und Medienschaffenden gingen am Sonntagnachmittag (21.03.21) im Olympiastadion auf die TV-Bildschirme. Unmittelbar vor dem Anpfiff unseres Heimspiels gegen Bayer 04 Leverkusen gewann der 1. FSV Mainz 05 bei der TSG Hoffenheim und schob sich mit diesem Sieg an unserer 'Alten Dame' vorbei. Die aufmerksamen Augenpaare an den Fernsehgeräten auf der Pressetribüne erkannten, dass unsere Spreeathener somit kurz vor Spielbeginn auf einen direkten Abstiegsplatz abrutschten. Doch wer dachte, unsere Herthaner ließen sich davon beirren, sah sich getäuscht. Mit einem fulminanten und couragierten Auftritt entledigte sich unsere Elf des Drucks und sorgte somit vor der Länderspielpause für einen eminent wichtigen Befreiungsschlag. "Ich habe den Jungs bereits am Dienstag gesagt, dass wir vor dem Spiel auf einem Abstiegsplatz stehen können. Das müssen wir akzeptieren, die Situation annehmen und damit klarkommen. Darüber haben wir die gesamte Woche gesprochen. Im Spiel hat das Team gezeigt, dass es sich mit der Tabelle nicht mehr groß beschäftigt hat – das war richtig gut", ordnete unser Trainer Pál Dárdai die gezeigte Leistung in der tabellarischen Drucksituation ein.
[>]Wir waren frisch, auch in jedem Zweikampf und wenn du Frische hast, dann kannst du offensiv besser spielen.[<]
Flotter Beginn – starke Lauf- und Zweikampfwerte
Die Antwort auf das Abrutschten im Tableau folgte auf dem frisch verlegten Grün im Olympiastadion. Bei angenehmen äußeren Bedingungen mit Sonnenschein und knapp zehn Grad lieferte unser Hauptstadtclub von Beginn an eine konzentrierte und offensiv glanzvolle Vorstellung ab. Nach nicht mal 60 Sekunden stand der erste Eckball zu Buche – und nach nicht mal fünf Minuten das Führungstor! Der erste Fingerzeig an diesen Nachmittag. Deyovaisio Zeefuik donnerte das Spielgerät ohne vorherige Ballannahme mit rechts direkt in den linken Winkel – Traumtor (4.). Passenden Jubel gefällig? Mit seinem ausgestreckten rechten Zeigefinger feierte 'Deyo' seinen ersten Bundesliga-Treffer. "Ich sehe mich selbst als Spieler, der viel fürs Team arbeitet, damit Spieler wie Dodi oder Matheus ihre Freiräume bekommen und ihr Spiel für uns durchbringen können – das hat gut geklappt", sagte der Torschütze, der seine getane Arbeit mit 11,17 gelaufenen Kilometern unterstrich. Nur die beiden Franzosen Lucas Tousart (12,04 km) und Mattéo Guendouzi (12,19 km) spulten noch mehr Meter ab. Insgesamt lief unsere Mannschaft mit 114,08 Kilometern mehr als die Gäste (112,22 km). Ein weiteres Indiz für den angenommenen Abstiegskampf: 61 Prozent gewonneneZweikämpfe – beeindruckend! "Wir haben fitnessmäßig besser ausgesehen, davon haben wir profitiert. In Dortmund hatten wir einen ähnlichen Plan wie gegen Leverkusen, aber da haben wir vorher zu viel Training zugelassen. In diesem Spiel waren wir frisch, auch in jedem Zweikampf, und wenn wir diese Frische haben, dann können wir offensiv besser spielen", erklärte unser Fußballlehrer seine Kniffe.
Diese gingen voll auf. Zwar zog sich unsere 'Alte Dame' nach dem frühen 1:0 etwas zurück, setzte aber im richtigen Moment die Nadelstiche – und sorgte somit für den nächsten Fingerzeig. Nach einem Ballgewinn und anschließendem mustergültigen Zuspiel von Tousart auf Dodi Lukébakio, der den mitgelaufenen Matheus Cunha bediente, vollendete unser Brasilianer zum 2:0 (26.). Ein perfekt getimter Umschaltmoment, an dessen Ende das erste Erfolgserlebnis Cunhas seit dem 8. Spieltag stand. "Das frühe 1:0 hat uns Sicherheit gegeben, aber danach haben wir uns ein bisschen hinten reindrücken lassen. Gut, dass wir das zweite Tor nachgelegt haben, das dritte hat uns dann entlastet. Wir nehmen nicht nur die Punkte mit, sondern auch das Gefühl, dass wir fast 70 Prozent Zweikämpfe gewonnen und Härte auf dem Platz gezeigt haben", hob Lukas Klünter die Bedeutung des zweiten Treffers hervor. Doch damit war im ersten Durchgang noch nicht Schluss.

Drei Treffer nach 33 Minuten: das gabs zuletzt vor elf Jahren
Nur sieben Zeigerumdrehungen später folgte die nächste 'Bude' – und wieder gelang unseren Berlinern nach eigener Balleroberung ein ansehnlicher Angriff über mehrere Stationen. Am Ende der Kette wühlte sich Jhon Córdoba im Strafraum der Rot-Weiß-Schwarzen durch und drückte die Kugel mit viel Willen im Nachsetzen über die Linie (33.). 3:0 nach 33 Minuten gegen den Tabellensechsten – so schnell erzielten unsere Blau-Weißen zuletzt im März 2010 beim 5:1-Auswärtssieg in Wolfsburg drei Tore. Die bangen Tribünenblicke auf die TV-Bildschirme vor Anpfiff wandelten sich mittlerweile in Augenreiben vor positiver Verwunderung. So schnell kann es im Fußball manchmal gehen. "Wir haben Spiele gehabt, in denen wir gut gespielt, aber keine Tore gemacht haben. Um dann psychologisch dran zu bleiben, musst du ein Training machen mit vielen Chaosmomenten, wo viele Tore fallen und dann müssen die Spieler spüren 'Ja, ich kann Tore machen'. Das ist ein bisschen Manipulation, aber es hat sich gelohnt. Wir sind alle froh und die Jungs sind glücklich", benannte Dárdai seine Maßnahmen, die dazu führten, dass effektive Spreeathener mit drei Toren aus drei Schüssen in die Halbzeit gingen.
Dass unsere Hauptstädter ihr Torekonto im zweiten Abschnitt nicht noch erhöhten, lag einerseits an einem – korrekterweise – zurückgenommenen Lukébakio-Treffer (54.) und dem gut aufgelegten 'Werkself'-Rückhalt Lennart Grill, der einige hochkarätige Berliner Einschussgelegenheiten entschärfte. "In der zweiten Halbzeit hatten wir noch viele klare Torchancen durch Konter. Trotzdem ist 3:0 ein schönes Ergebnis und es ist auch wichtig für uns, hinten die Null zu halten", freute sich der Ungar über den ersten Dreier ohne Gegentreffer seit seiner Rückkehr auf die Trainerbank und den zweiten Heimsieg in Serie – das gab es zuletzt vor zehn Monaten. In allen Belangen also ein rundum gelungener Nachmittag in blau-weiß. "Das ist ein schöner Tag. In der kommenden Woche werden wir eine Analyse machen, um erneut mit diesem Elan und dieser Zweikampfführung in das nächste Spiel zu gehen", schloss der 45-Jährige fünf Tage nach seinem Geburtstag seine Ausführungen. Diese von Dárdai angesprochene nächste Partie führt unsere Elf nach der Länderspielpause am Ostersonntag (04.04.21, 18:00 Uhr) nach Köpenick zum 1. FC Union. Dank eines berauschenden Heimsieges treten unsere Herthaner diese kurze Dienstreise zum Stadtduell nicht auf einem Abstiegsplatz an.