Mannschaftsfoto in der Saison 1969/70.
Historie | 24. April 2021, 12:00 Uhr

#HerthaMuseum: Geht nicht, gibt's nicht!

14 Tage Quarantäne, kein gemeinsames Mannschaftstraining auf dem Fußballplatz, ein Restprogramm nahezu im Drei-Tage-Rhythmus - die derzeitigen Umstände sind für unsere Mannschaft sicher nicht optimal. Die Hoffnung auf einen versöhnlichen Abschluss der Saison 2020/21 nährt aber die Gewissheit, dass unser Verein seit Einführung der Fußball-Bundesliga bereits mehrfach bewiesen hat, extrem eng getakteten Spielwochen trotzen und sportlich bestehen zu können - herthabsc.com wagt einen Blick zurück.

Keine Atempause 1970

Wegen der Weltmeisterschaft in Mexiko, die bereits am 31. Mai 1970 beginnt, endet die Bundesliga-Saison bereits Anfang des Monats. Witterungsbedingte Spielabsagen sorgen für zusätzliche Engpässe. Von diesen bleiben auch unsere Spreeathener nicht verschont. So muss unsere Mannschaft zwischen dem 4. März und 25. April 15 Pflichtspiele innerhalb von 53 Tagen bestreiten – also alle 85 Stunden eine Partie in Liga und DFB- bzw. Messepokal. „Fiffi war ein harter Hund“, blickt Uwe Witt angesprochen auf das straffe Programm zurück. Was der ehemalige Mannschaftskapitän damit meint: Coach Helmut Kronsbein und sein Co-Trainer Hans 'Gustav' Eder lassen keine Zweifel an der Leistungsfähigkeit ihrer Schützlinge aufkommen – auch unter den widrigen Gegebenheiten nicht. „Wir haben uns mit dem Drei-Tage-Rhythmus wohlgefühlt“, erinnert sich auch Top-Stürmer Lorenz 'Lenz' Horr. 

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Fiffi war ein harter Hund...
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-Uwe Witt

Nach dem 1:0 gegen Inter Mailand im Viertelfinal-Hinspiel des Messepokals Anfang des Monats sind unsere Hauptstädter ab dem 11. März innerhalb von 18 Tagen gleich sechs Mal gefragt – zunächst drei Mal auswärts. Im Ruhrpott besiegt unsere 'Alte Dame‘ nacheinander den MSV Duisburg und den FC Schalke 04 jeweils mit 3:1, bevor die Kronsbein-Elf im Pokal-Rückspiel durch ein 0:2 in der lombardischen Hauptstadt nur sehr knapp an den 'Nerazzurri' scheitert. Nach der Rückkehr an die Spree folgt eine englische Woche mit Partien gegen Bayern München (0:4) und dessen Lokalrivalen 1860 (3:1), denen ein Punktgewinn bei Borussia Mönchengladbach folgt (1:1).

Historischer Sieg gegen den BVB

Auch der Monat April hält erneut sechs Pflichtspiele im Drei-Tage-Modus bereit. Eine kleine Entspannung: Die ersten drei Begegnungen sind im Olympiastadion. Während unser Hauptstadtclub gegen Rot-Weiß Oberhausen (1:0) und Eintracht Frankfurt (2:0) siegt, müssen sich die Kronsbein-Schützlinge gegen Hannover 96 mit einem Punktgewinn zufriedengeben (1:1). Vier Tage danach bleiben unsere Blau-Weißen auf dem Betzenberg beim 1. FC Kaiserslautern tor- und punktlos (0:1), kehren 96 Stunden später beim FK Pirmasens in der ersten Runde des DFB-Pokals aber umgehend in die Erfolgsspur zurück (2:1). Am 18. April 1970 schießen unsere Herthaner zum Ende des zweiten aufeinanderfolgenden 18-Tage-Spielplans Borussia Dormtund grandios mit 9:1 ab - bis heute der höchste Bundesliga-Sieg unserer Vereinsgeschichte. Vier Tage später folgt ein weiterer Erfolg gegen den VfB Stuttgart (3:1), bevor unsere Elf im achten Pflichtspiel innerhalb von 25 Tagen dem Hamburger SV knapp unterliegt (0:1). Aus sieben Bundesliga-Duellen zwischen dem 21. März und dem 11. April, aus sieben Partien in 22 Tagen, holte unsere Mannschaft aus fünf Heim- und zwei Gastauftritten drei Siege und zwei Remis.

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Wir haben uns mit dem Drei-Tage-Rhythmus wohlgefühlt!
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-Lorenz Horr

Mannschaftsfoto in der Saison 1978/79.
Unser Mannschaftsfoto aus der Saison 1978/79 inklusive Autogrammen der Spieler.

1979: Mammutprogramm in März & April

Auch neun Jahre später halten die Monate März und April ein Mammutprogramm bereit. Im März beginnen die kräftezehrenden 18 Tage mit sechs Pflichtspielen mit einem 1:1 gegen Dukla Prag im Hinspiel des Viertelfinales um den UEFA-Pokal. Auf drei Niederlagen in der Liga gegen den Hamburger SV (1:3), bei Fortuna Düsseldorf (1:3) und bei Borussia Dortmund (0:3) gelingt der Mannschaft um Trainer 'Ritter' Kuno Klötzer die passende Antwort zum Monatsende. Auf ein 2:1 in Prag und den Einzug ins UEFA-Pokal-Halbfinale folgt ein Heimsieg gegen den MSV Duisburg (1:0). 

UEFA-Cup-Finale denkbar knapp verpasst

Nach einer zehntägigen Pause ist die folgende Taktung umso dichter. Innerhalb von 24 Tagen muss Hertha BSC in der Bundesliga, im UEFA- sowie im DFB-Pokal ganze acht Pflichtspiele absolvieren, was unsere Berliner offensichtlich zusätzlich motiviert. Nach einem Punktgewinn bei Schalke 04 (1:1) besiegt die Klötzer-Truppe Eintracht Frankfurt deutlich (4:1) und verschafft sich bei Roter Stern Belgrad (0:1) eine ordentliche Ausgangsposition für den Einzug ins UEFA-Pokal-Endspiel. In der Bundesliga gelingen den Herthanern Punktgewinne beim MSV Duisburg (1:1), gegen den FC Bayern München (1:1) sowie ein Sieg bei Borussia Mönchengladbach (2:0). Anschließend schrammt unsere Mannschaft im restlos ausverkauften Olympiastadion um Haaresbreite am Finaleinzug vorbei. Das 2:1 gegen Roter Stern ist aufgrund der Auswärtstorregel zu wenig – auch aufgrund einer folgenschweren Fehlentscheidung des italienischen Schiedsrichters Lattanzi, der Hertha beim Stand von 2:0 einen glasklaren Foulelfmeter verweigert. Die herausragende Moral und körperliche Verfassung der Mannschaft zeigt sich 72 Stunden später, als die Blau-Weißen im DFB-Pokal den 1. FC Köln in der Verlängerung bezwingen und den arbeitsreichen April mit dem Einzug ins Viertelfinale versöhnlich beenden.

Mannschaftsfoto in der Saison 1999/2000.
Unser Team der Saison 1999/2000.

Tanz auf drei Hochzeiten im Jahr 1999

In der Spielzeit 1999/2000 steht unser Club vor der Premiere in der UEFA Champions League. Die Elf von Trainer Jürgen Röber bestreitet im September sechs Pflichtspiele innerhalb von 18 Tagen. In der 1. Bundesliga müssen sich unsere Berliner am vierten Spieltag deutlich beim Hamburger SV geschlagen geben (1:5). Gegen Leverkusen (1:1) und in Unterhaching (1:1) kann zumindest jeweils ein Punktgewinn verbucht werden. Die herausragenden Leistungen werden jedoch gegen europäische Spitzenmannschaften erbracht. In den drei Partien bei Galatasaray Istanbul (2:2), gegen den FC Chelsea (2:1) und beim AC Mailand (1:1) bestehen unsere Herthaner die Feuerprobe in der europäischen Königsklasse bravourös.

Derbysieg und unvergessene CL-Nächte

Im Oktober lässt die Mannschaft einen Heimsieg gegen den MSV Duisburg folgen (2:1), bevor elf Tage später ein weiterer 18-Tage-Zyklus mit sechs Pflichtaufgaben auf dem Spielprogramm steht. Zu Beginn siegt unsere Elf im 'Auswärtsspiel' der dritten DFB-Pokalrunde im Berliner Olympiastadion gegen den Lokalrivalen Tennis Borussia (3:2), bevor die Röber-Truppe dem amtierenden Meister Bayern München unterliegt (1:3). Unbeeindruckt hiervon gelingt unseren Blau-Weißen vier Tage später gegen den AC Milan im ausverkauften Olympiastadion der frenetisch gefeierte zweite Heimsieg in der UEFA Champions League (1:0). Nach einem Remis gegen den VfB Stuttgart (1:1) müssen die Berliner den anstrengenden Wochen Tribut zollen und unterliegen trotz einer Pausenführung noch deutlich gegen Galatasaray (1:4), wobei die Elf vom Bosporus acht Tage später durch einen Heimsieg gegen die Mailänder 'Rossoneri' den Berlinern doch noch den umjubelten Einzug in die Zwischenrunde der Königsklasse sichert. 96 Stunden zuvor sichern sich die Hauptstädter bei Schalke 04 zudem noch einen Bundesliga-Punkt (1:1).

Diese historischen Ereignisse sind aufgrund der aktuellen Vorzeichen nicht mit der Bewältigung der jetzigen Situation im Endspurt um den Klassenerhalt vergleichbar. Doch eines zeigen die vorgenannten Belastungsphasen deutlich: Wir waren Hertha, und wir werden Hertha sein!

von Frank Schurmann