Pál Dárdai blickt in die Ferne.
Profis | 19. April 2021, 15:21 Uhr

„Der Schlüssel liegt in unserer eigenen Hand“

In seinen langen Jahren als Herthaner hat Pál Dárdai schon sehr viel erlebt. Abstiegskampf und Europapokal, Tränen und Triumphe, Verletzungen und Comebacks. Eine komplette Team-Quarantäne nach mehreren Corona-Infektionen, die auch den Fußballlehrer selbst betrifft, ist aber auch für den erfahrenen Ungarn eine neue Situation. Seine eigene Infektion hat unsere Clubikone zum Glück bisher glimpflich überstanden – und Dárdai wäre nicht Dárdai, wenn er nicht schnellstmöglich wieder die Ärmel hochkrempeln würde. „Aktuell ist unser Weg klar und alternativlos: Zu Hause bleiben, trainieren und vor allem nicht den Kopf hängen lassen“, unterstreicht der 45-Jährige, der wieder einmal eine Wettbewerbs-Metapher nutzt. „Das ist eine Vorbereitung auf unser eigenes Turnier, und von den kommenden sechs Spielen müssen wir so viele wie möglich gewinnen. Der Schlüssel dazu, gut aus der Situation herauszukommen, liegt in unserer eigenen Hand!“ In einer von herthabsc.com zusammengefassten Medienrunde spricht unser Coach am Montag über…

… seinen Gesundheitszustand und die Lage im Hause Dárdai: Aktuell geht es mir soweit gut. Ich hatte Gliederschmerzen, die sich ein wenig anfühlten wie die Nachwehen von einem langen, intensiven Sporttag. Monika geht es leider schlechter als mir, sie hat Corona schwerer erwischt. Bence trainiert im Garten und hilft im Haushalt, ihm geht die Situation langsam schon auf den Sack, da er jetzt 14 Tage mit uns hier hocken muss. Der Verein kümmert sich aber toll um uns, da gebührt allen, die dabei mithelfen, ein riesengroßer Dank! Es ist schon nicht schlecht, Teil der Hertha-Familie zu sein. Jetzt sitze ich zu Hause, verfolge gerade das Online-Training unserer Jungs und telefoniere am Tag circa zehn bis 15 Mal mit 'Zecke' (lacht). Wirklich schön fand ich, wie viele Menschen hier in Westend uns schon mit Einkaufen und Kochen helfen wollten. Das waren wirklich sehr nette Gesten und wir fühlen uns hier einfach unglaublich wohl – auch wenn wir jetzt viel zu viel Essen zu Hause haben (schmunzelt).

… Infektionen im Team: Alle in der Kabine nehmen diese Krankheit sehr ernst, auch vor dem Hintergrund von Runes Verlauf. Wenn ich beispielsweise privat überhaupt Besuch empfangen habe, dann grundsätzlich nur draußen auf der Terrasse – trotzdem hat uns das Virus erwischt. Der Moment, als mir beim Training gesagt wurde, dass ich mit Dodi Lukébakio abbrechen müsste, war für uns alle ein sehr komisches Gefühl. Dodi hatte zum Beispiel in diesem Augenblick nur Angst, dass seine Frau krank wird. Schlimm war für mich persönlich der Gedanke: „Wer macht jetzt das Spiel?“, als ich mitgeteilt bekam, dass 'Zecke' auch nicht dabei sein darf. Wir hatten dann aber sehr gute Gespräche mit Arne Friedrich, der bei jeder Sitzung und bei fast jedem Training dabei ist, dadurch hat er auch direkt gesagt, dass er diese drei Spiele hätte übernehmen können.

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Aktuell ist unser Weg klar und alternativlos: Zu Hause bleiben, trainieren und vor allem nicht den Kopf hängen lassen. Das ist eine Vorbereitung auf unser eigenes Turnier, und von den kommenden sechs Spielen müssen wir so viele wie möglich gewinnen!
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-Pál Dárdai

Die Zusammenarbeit mit Arne Friedrich: Es ist als Trainer unheimlich angenehm, wenn ein Sportdirektor eine solche Präsenz hat, beim Training dabei und immer eng an der Mannschaft ist. Arne erlebt die Mannschaft Tag für Tag, weiß genau, was wir wann und warum als Trainerteam machen und kann auch direkt Dinge ansprechen, die er anders sieht. Wir haben nicht immer die gleiche Meinung, aber dieser ehrliche Austausch und die Einschätzung von einem Sportdirektor, der hautnah dran ist, hilft uns! Arne hat viel Respekt für jeden einzelnen Profi und lebt Hertha BSC. Die Zusammenarbeit mit ihm macht Spaß.

… wichtige Faktoren für einen erfolgreichen Endspurt: Wir gehen das Online-Training gemeinsam sehr professionell an. Trotzdem kann es die Arbeit auf dem Platz natürlich nur teilweise ersetzen. Wenn wir wieder aufs Feld dürfen, müssen wir sehr schnell wieder auf 100 Prozent kommen und die eine oder andere Verletzung wird sich vermutlich nicht vermeiden lassen. Daher müssen wir schlau sein, aufpassen und rotieren. Doch darum können wir uns erst kümmern, wenn wir wieder beisammen sind. Es gibt aber keine Ausreden, Alibis zu suchen bringt uns nichts und ich mag es auch nicht. Die Situation ist, wie sie ist, es gibt kein Wunschkonzert. Es gibt Regeln, an die haben wir uns zu halten und werden jetzt das Beste daraus machen. Wir warten auf den Spielplan und dann werden wir das gemeinsam durchziehen! Wenn wir die Quarantäne abgesessen haben, werden die Jungs schließlich Spaß daran haben, wieder Fußball zu spielen. Aber eines ist klar: Wir brauchen auch ein bisschen Glück mit den Verletzungen. Wir haben im Winter gesagt, dass wir keinen Spieler abgeben möchten, da in dieser Saison so viele Unwägbarkeiten hinzukommen. Und jetzt haben wir eine Situation, in der jeder Einzelne gebraucht wird. Es war bisher nicht einfach, jeden Profi bei Laune zu halten, aber jetzt kann jeder Einzelne uns zeigen, dass er spielen soll und muss!

Pál Dárdai lacht auf dem Trainingsplatz.
Gezwungenermaßen im Homeoffice, aber zuversichtlich wie eh und je: Pál Dárdai.

… seinen Eindruck von den ersten Online-Einheiten: Ich glaube, dem Teamgeist schadet so ein Erlebnis nicht. Wir haben zusammen in den Monaten schon einiges erlebt und viele Dinge wurden nach und nach immer besser. Wenn ich sehe, wie die Jungs in ihren Wohnungen ackern, dann ist mir nicht bange. Aktuell ist unser Weg klar und alternativlos: Zu Hause bleiben, trainieren, mal frische Luft auf dem Balkon oder der Terrasse schnappen und vor allem nicht negativ sein und den Kopf hängen lassen. Das ist eine Vorbereitung auf unser eigenes Turnier, und von den kommenden sechs Spielen müssen wir so viele wie möglich gewinnen!

… die Trainingsinhalte während und auch nach der Quarantäne: Wir können mit jedem Spieler individuell an seiner Fitness arbeiten, alle Kräfte bündeln sowie die kleineren Verletzungen auskurieren – und dann gehen wir mit vollem Elan in diese drei Wochen. Manchmal ist es besser, wenn man keine Zeit zum Überlegen hat, sondern voll durchziehen muss. Hertha hat es hinbekommen, uns super Rahmenbedingungen zu schaffen, mit den gelieferten Sachen können wir sehr viel simulieren und trainieren. Die Spieler, die einen Garten haben, haben einen zusätzlichen Vorteil – sie können ein bisschen kicken, das schadet bestimmt nicht. Taktisch haben wir vorher ohnehin so viel gearbeitet, das werden die Jungs nicht vergessen haben (schmunzelt).

… mögliche personelle Rotation: Nach zwei solchen Wochen eine Startelf aufzustellen, die 90 Minuten durchspielt, wird schwierig, da bleiben Muskelprobleme nicht aus. Wir werden unsere Wechsel gut planen und uns etwas überlegen, um die Spieler in dieser Zeit bestmöglich vorzubereiten. Ein Vorteil für uns ist, dass der Herr Kuchno (Athletiktrainer Henrik Kuchno, Anm. d. Red.) eine ähnliche Situation bereits im Vorjahr erlebt, gemeistert und dabei viele wichtige Eindrücke gewonnen hat. Die Jungs sind damals gut rausgekommen und diesmal können wir weitere Erkenntnisse von damals für uns nutzen, um es noch besser zu machen. Wenn wir clever sind, können wir sehr viele Übungen und Bewegungen auch in der eigenen Wohnung simulieren. Der Schlüssel dazu, gut aus der Situation herauszukommen, liegt in unserer eigenen Hand!

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Wir haben etwas Ähnliches bereits im Vorjahr erlebt. Die Jungs sind damals gut rausgekommen und diesmal können wir weitere Erkenntnisse von damals für uns nutzen, um es noch besser zu machen. Der Schlüssel dazu, gut aus der Situation herauszukommen, liegt in unserer eigenen Hand!
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-Pál Dárdai

… den Blick zur Konkurrenz: Es ist natürlich ein komisches Gefühl, erst einmal nur zuschauen zu können. Psychologisch ist das nicht schön, aber eigentlich ist mir egal, was unsere Gegner machen. Außerdem ist es für den Kopf manchmal gar nicht so schlecht, der Jäger zu sein, nichts zu verlieren zu haben und das Feld von hinten aufrollen zu können. Wir werden wohl Vorletzter sein, haben dann aber alles in der eigenen Hand und müssen unsere Spiele gegen die direkten Konkurrenten gut gestalten. Und wenn uns das nicht gelingt, sind wir selber schuld!

von Konstantin Keller