Unsere Mannschaft steht Sami Khedira Spalier.
Profis | 23. Mai 2021, 12:11 Uhr

Emotionaler Abschied

Plötzlich passierte etwas an der Seitenlinie. Es herrschte Bewegung an unserer Ersatzbank. Trainer, Auswechselspieler und Staff streiften sich Trikots von Real Madrid, Juventus Turin und vom VfB Stuttgart über. Anschließend bildeten alle gemeinsam mit unseren Akteuren auf dem Rasen einen Spalier. Durch diesen verließ Sami Khedira nach 75 Minuten langsamen Schrittes unter Standing Ovations und lautstarkem Applaus aller anwesenden Personen in der Hoffenheimer Arena nach 15 Jahren die Fußballbühne. Sichtlich berührt und mit Tränen in den Augen umarmte unsere Nummer 28 alle Kollegen, ehe er sich eine Trainingsjacke überzog und die Schlussminuten von der Tribüne aus verfolgte. Auf dieser nahmen auch seine Eltern und Bruder Denny Platz. „Ich bin sehr froh, dass ich noch einmal spielen durfte und mir mein Körper den Einsatz auch erlaubt hat. Natürlich bin ich gerade auch etwas traurig, aber auch dankbar. Dafür dass ich nochmal auf dem Rasen stand und dafür, was ich in meiner Karriere alles erleben durfte“, erklärte der 34-Jährige nach seinem 482. und letzten Einsatz auf Vereinsebene.

Spielball als Erinnerungsstück

Neun davon bestritt der gebürtige Stuttgarter für unseren Hauptstadtclub. „Für mich gehen fünf enorm emotionale Monate in Berlin zu Ende. Ich habe vom ersten Moment an gespürt, dass in dieser Mannschaft gute Jungs stehen. Diese Mannschaft hat ein großes Herz und viel Spaß am Fußball“, unterstrich Khedira, der in seiner Zeit an der Spree zwei Torvorlagen beisteuerte und nach Schlusspfiff in Sinsheim von Schiedsrichter Frank Willenborg den Spielball als Erinnerungsstück überreicht bekam. „Nach so einer Karriere aufzuhören, ist auch ein Moment, in dem man emotional sein kann. Schade, dass das Stadion nicht voll war. Solche Momente gibt es selten. Es war eine schöne Atmosphäre, Sami hat ein Hoffenheim-Trikot geschenkt bekommen und wir hatten uns auch ein wenig vorbereitet. Das war einfach schön“, genoss auch Pál Dárdai die Augenblicke.

Sami Khedira verlässt den Rasen in Hoffenheim.

Nur zu gern hätten der Berliner Coach und alle Blau-Weißen dem Weltmeister von 2014, der seinen letzten Auftritt als Kapitän bestritt, ein Erfolgserlebnis zum Abschied geschenkt. Doch trotz sehr ordentlicher erster Halbzeit, die unsere Spreeathener mit einer 1:0-Führung durch einen Kopfballtreffer von Vladimír Darida (43.) nach maßgeschneiderter Plattenhardt-Flanke beendeten, standen unsere Herthaner nach 90 Minuten mit leeren Händen und ohne Abschiedsgeschenk für den UEFA Champions League-Sieger dar. Dabei besaß Torschütze Darida nur 180 Sekunden nach Wiederanpfiff die große Chance auf seinen zweiten Treffer, scheiterte aber aus guter Position am rechten Pfosten (48.). Sargis Adamyan quittierte diese ausgelassene Möglichkeit im Gegenzug mit dem direkten Ausgleich zum 1:1 (49.).

Serie endet in der Nachspielzeit

Der 20. Saisontreffer von Hoffenheims Rekordtorschützen Andrej Kramarić in der Nachspielzeit (90.+1) bedeutete in der Schlusssekunde der Saison dann noch zu allem Überfluss das Ende unserer ungeschlagenen Serie von acht Partien in Folge. „Wir hatten genug Chancen, aber der letzte Pass und die letzte Konsequenz haben gefehlt. Die Hoffenheimer haben das dann geschafft. Die Mannschaft, die das Siegtor schießt, hat in so einem Spiel verdient gewonnen. Schade, dass unsere Serie gerissen ist. Wir hatten uns viel vorgenommen“, kommentierte der Ungar die zweite Hälfte. Das Gesamtfazit des Fußballlehrers fiel dennoch positiv aus – gemessen an allen Umständen. „Ich kann der Mannschaft keinen Vorwurf machen. Bei dem Verletzungspech und den ganzen Jugendspielern, die dabei waren, hat die Moral gestimmt. Wir sind erstmal froh, bei allem, was wir dieses Jahr erlebt haben, dass wir es am Ende geschafft haben. Wir freuen uns auf den wohlverdienten Urlaub“, bekräftigte der 45-Jährige.

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Das Ziel unserer täglichen Arbeit ist, dass unsere Akademie-Spieler eines Tages in der Bundesliga auflaufen – am besten natürlich für Hertha BSC. Dass uns das in den vergangenen Jahren so eindrucksvoll gelungen ist, macht uns sehr stolz!
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-Benjamin Weber

80. Bundesliga-Debütant aus der Hertha BSC Fußball-Akademie

Das vor allem im Endspurt aufkommende Verletzungspech verhalf in den zurückliegenden Wochen bereits Jonas Michelbrink und Marten Winkler zu ihren Bundesliga-Debüts. Im Kraichgau waren in Torwart Marcel Lotka, Ruwen Werthmüller und Jonas Dirkner gleich drei weitere Akademie-Spieler erstmals im Profi-Aufgebot mit dabei. Letztgenannter feierte sogar sein Debüt im deutschen Oberhaus – als er in der 75. Minute für Sami Khedira den Rasen betrat. Ein Moment für die Ewigkeit für den 18-Jährigen; aber auch für unsere Hertha BSC Fußball-Akademie: Der gebürtige Rostocker war der exakt 80. Akteur, der seit Akademie-Gründung 2001 Luft im deutschen Oberhaus schnupperte. „Das ist eine großartige und beeindruckende Zahl. Das Ziel unserer täglichen Arbeit ist, dass unsere Akademie-Spieler eines Tages in der Bundesliga auflaufen – am besten natürlich für Hertha BSC. Dass uns das in den vergangenen Jahren so eindrucksvoll gelungen ist, macht uns sehr stolz und ist der Verdienst aller Trainer und Mitarbeitenden, die über Jahre jeden Tag mit den Jungs arbeiten“, kommentierte Akademie-Leiter Benjamin Weber die historische Einwechslung Dirkners, der beim Betreten des Grüns auch vom TSG-Stadionsprecher akustische Aufmerksamkeit bekam: „Den Moment wird der Junge so schnell nicht vergessen.“ Das galt in der 75. Minute neben Dirkner aber vor allem für Sami Khedira.

von Simon Jötten