Márton Dárdai und Lucas Tousart stehen auf dem Rasen und blicken ins Leere.
Profis | 26. September 2021, 10:54 Uhr

Ein Tag zum Vergessen

Es dauerte einige Augenblicke, bis nach dem Schlusspfiff bei unseren Herthanern etwas passierte. Alexander Schwolow, Lucas Tousart & Co. verharrten nach der 0:6 (0:3)-Niederlage bei RasenBallsport Leipzig einige Momente auf dem Rasen und blickten allesamt wie versteinert ins Leere. Nach dem obligatorischen Abklatschen mit Schiedsrichter und Gegenspielern schlichen unsere Blau-Weißen langsamen Schrittes und mit hängenden Köpfen Richtung Gästekurve. Dort angekommen, bekam unsere Mannschaft von den rund 1.000 mitgereisten Herthanerinnen und Herthanern lautstarke Gesänge und aufmunternden Applaus, anstatt Pfiffe und Buhrufe zu hören – gemessen an der deutlichen Pleite nicht selbstverständlich. „Wir müssen uns bei unseren Fans entschuldigen, die hier hingereist sind und tolle Stimmung gemacht haben – sorry von uns Spielern an dieser Stelle, das geht so nicht“, richtete sich Davie Selke in seinen Ausführungen kurz nach Abpfiff an die blau-weiße Anhängerschaft.

Hertha-Spieler applaudieren ihren Fans vom Rasen.
Niklas Stark & Co. gingen nach Abpfiff zu den mitgereisten Fans vor die Gästekurve.

"... den Unterschied haben wir gesehen"

Die Hertha-Fans, die am Samstag den Weg in die rund 180 Kilometer entfernte Messestadt gefunden hatten, erlebten einen Nachmittag, an dem unserer Elf nicht so wirklich viel gelingen wollte. Trotz einem guten Gefühl nach zwei Siegen in Serie im Gepäck und der Tatsache, erstmals vor einem direkten Duell über den Sachsen in der Tabelle zu stehen, lief unsere 'Alte Dame' nach einer ordentlichen ersten Viertelstunde Ball und Gegner weitestgehend hinterher. Die Hausherren, die nach vier aufeinanderfolgenden sieglosen Partien bereits zum frühen Zeitpunkt der Saison ein wenig unter Druck standen, traten wie entfesselt auf und spielten sich angetrieben von 23.500 Fans in einen Rausch. „Grob gesagt, sind wir eher eine Ausdauermannschaft und die Leipziger eine Sprintermannschaft – den Unterschied haben wir gesehen“, betrieb Trainer Pál Dárdai Ursachenforschung und beklagte, dass „jeder zweite Ball beim Gegner war.“ In dieselbe Kerbe schlug auch Selke, der an seine alte Wirkungsstätte zurückgekehrt war. „Wir waren immer einen Schritt zu spät und haben billige Gegentore bekommen“, haderte unsere Nummer 7, um einen ernüchternden Arbeitstag wie folgt zusammenzufassen: „Das war von A bis Z, von hinten bis vorne nicht gut von uns. Ein Tag zum Vergessen.“

Statistiken und Spielstand sprechen eine klare Sprache

Die Statistiken (17:4 Torschüsse, 108 vs. 103 gelaufene Kilometer, 61 % vs. 39 % Ballbesitz) und vor allem die Ziffern auf der Anzeigetafel spiegelten die Analysen von Dárdai und Selke in Form von bitteren Fakten wider. Christopher Nkunku (16.), Yussuf Poulsen (23.) und Nordi Mukiele (45.+3) sorgten bereits vor dem Seitenwechsel für klare Verhältnisse. "Wir hatten uns viel vorgenommen, wollten nicht zu tief verteidigen und schnell umschalten. Damit haben wir in der Anfangsphase auch gut begonnen, anschließend haben wir aber aus dem Nichts zwei Gegentore bekommen und sitzen nach dem Treffer kurz vor der Pause mit einem Drei-Tore-Rückstand in der Kabine“, erklärte der Fußballlehrer, um anschließend den zweiten Durchgang zu beschreiben: „In der zweiten Hälfte haben wir umgestellt, besser wurde es aber nicht." So schraubten Emil Forsberg mit einem verwandelten Foulelfmeter (60.), der auffällige Nkunku per direktem Freistoß (70.) und Amadou Haidara (77.) das Ergebnis im zweiten Abschnitt weiter in die Höhe.

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Das ist ein Spiel, das wir gewinnen müssen. Genauso wie wir es nach der Bayern-Niederlage in Bochum und gegen Fürth getan haben.
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-Pál Dárdai

Immerhin sorgte die Einwechslung von Krzysztof Piątek (83.), der im Gegensatz zum kurzfristig ausgefallenen Linus Gechter (Adduktorenprobleme) im Kader stand, für einen erfreulichen Moment im blau-weißen Lager. Unsere Nummer 9 kam erstmals nach 136 Tagen wieder in der Bundesliga zum Einsatz. "Ich bin natürlich froh, dem Team nach der langen Pause jetzt wieder helfen zu können, viereinhalb Monate Pause waren aber eine lange Zeit", betonte der 26-Jährige. Den Endstand konnte der Pole mit seinem wuchtigen Abschluss aber auch nicht mehr verändern (90.). „Wir müssen diese Niederlage akzeptieren, das ist der gleiche Fall wie nach dem Spiel bei Bayern München. Wir müssen uns gar nicht groß schütteln, sondern diesen Tag einfach schnell vergessen“, ordnete Dárdai die Geschehnisse ein, um zeitgleich den Blick auf die kommende Aufgabe am Samstag (02.10.21, 15:30 Uhr) gegen den SC Freiburg zu werfen. „Das ist ein Spiel, das wir gewinnen müssen. Genauso wie wir es nach der Bayern-Niederlage in Bochum und gegen Fürth getan haben. In der nächsten Woche fangen wir wieder bei null an“, bekräftigte der Ungar. An dessen Ende sollen Schwolow, Tousart & Co. dann genügend Gründe haben, um mit anderen Gefühlen und Emotionen auf den Schlusspfiff im Olympiastadion reagieren zu können als am Samstag in Sachsen.

von Simon Jötten