Blindenfußball-Torwart Matthias Rychelski posiert für das Foto.
Teams | 16. September 2021, 10:57 Uhr

"Ich bin die Stimme meiner Abwehr“

Zwölf Meter umfasst sein Hoheitsgebiet. Der zwei mal 3,66-Meter große Torraum begrenzt seinen Bewegungsradius. Sein Ziel ist klar: die Null muss stehen. Matthias Rychelski ist seit dieser Saison Torwart unserer Blindenfußballer. Der Weg zu unserem Hauptstadtclub kam dabei eher zufällig über mehrere Stationen und einen Sportartwechsel zustande. Der gebürtige Oranienburger begann 2011 eine Ausbildung als Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen in Berlin bei der Deutschen Post AG, wo das Hertha-Mitglied bis 2016 arbeitete. Nach mehreren Stationen in verschiedenen Unternehmen fungierte der Basketball-Fan seit 2018 als Versandmitarbeiter bei der Firma Gühring in Berlin-Reinickendorf, die im Maschinenbaubereich tätig sind. Währenddessen hütete der 28-Jährige bis zur B-Jugend das Handballtor beim Oranienburger HC. Aufgrund der nicht-vereinbaren Trainings- und Arbeitszeiten musste der seit 2015 in Spandau lebende Herthaner mit dem Handballsport aufhören.

Im Jahr 2017 lernte der Hauptstädter seinen jetzigen Teamkollegen Edis Veljković über Facebook kennen. Die beiden Sportler tauschten sich in dem Gespräch auch über den Blindenfußball aus. Dabei entwickelte der ehemalige Handballer ein gutes Gefühl und zeigte sein Interesse für die neue Sportart, die seitdem seine Freizeit bestimmt. „Wir sind hier alle eine Fußballfamilie. Bei den Spieltagen treffen wir immer alle Mannschaften und können uns über die Spiele austauschen. Der Zusammenhalt untereinander ist groß“, unterstreicht Rychelski den Teamgeist innerhalb der Mannschaft sowie das Miteinander zwischen den Vereinen.

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Kommunikation hat bei uns im Vergleich zum Fußball oder Handball nochmal einen höheren Stellenwert.
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-Matthias Rychelski

Kommunikation als Schlüssel zum Erfolg

Angesprochen auf die bisherigen drei Partien sieht der Fänger bei der Mannschaft einen Lerneffekt. „Kommunikation hat bei uns im Vergleich zum Fußball oder Handball nochmal einen höheren Stellenwert. In den Spielen und im Training können wir die Positionierungen besser einüben. Mithilfe von Signalen und Kommandos versuchen wir uns dann gegenseitig zu unterstützen“, betont der Schlussmann die kommunikative Bedeutung. Rychelski ist dabei als Torhüter der einzige Akteur seiner Mannschaft, der über das volle Sehvermögen verfügt und somit seine Kollegen auf dem Spielfeld koordinieren und leiten kann. Klare und präzise Ansagen unserer Nummer eins wie „Ich geh zum Ball", „Verlust" oder „Mitte zu" sind bei der erhöhten Geräuschkulisse während eines Spiels sehr wichtig, so dass die Feldspieler unnötige Wege vermeiden können, um Kraft zu sparen.

Sein Guide-Bereich umfasst eine Zone von bis zu zwölf Metern. In diesem Raum coacht der Torhüter hauptsächlich seine Abwehr, indem er kommuniziert, über welche Seite der gegnerische Abwurf erfolgt, wo der Ball sich befindet oder ob der Angreifer über die Außen beziehungsweise durch die Mitte kommt. „Ich bin die Stimme meiner Abwehr, da ich meine Jungs leite und koordiniere. Zudem will ich für meine Mannschaft ein sicherer Rückhalt sein. Wenn ein Ball durchkommt, will ich da sein und die Kugel halten“, fasst der Goalkeeper seine Hauptaufgaben zusammen. Im Training üben unsere Spreeathener weiter fleißig die Abläufe ein, damit das Stellen der Mauer beim Freistoß oder das Anleiten der Verteidiger einwandfrei funktioniert. Für unseren Fänger stehen während der Einheit auch spezielle Übungen auf dem Programm, um seine Reaktionsschnelligkeit zu verbessern. „Viele Schüsse kommen abgefälscht auf das Tor. Da muss ich auf der Hut sein. Ich gebe meiner Abwehr nebenbei kurze Anweisungen, aber das Hauptaugenmerk liegt immer auf dem runden Leder“, erklärt der Spandauer sein Verhalten bei gegnerischen Angriffen.

Unsere Blindenfußball-Mannschaft.
Unsere Blindenfußballer stellen sich für das Mannschaftsfoto auf.

Kräftemessen gegen Schalke und klare Ambitionen

Die Aufmerksamkeit und das Reaktionsvermögen unseres Schlussmanns sind auch im nächsten Duell am Samstag (18.09.21, 11:00 Uhr) gegen den FC Schalke 04 gefragt. Nach seinem Zehbruch am ersten Spieltag war Trainingspause angesagt. Dennoch zeigt sich Rychelski optimistisch und angriffslustig: „Ich habe auch während der Arbeit einen Spezialschuh getragen und laufe am Samstag mit einem Tape auf. Mindestens einen Punkt sollten wir holen, weil Schalke einen wichtigen Nationalspieler abgeben musste und noch nicht richtig eingespielt ist.“ Für den weiteren Verlauf dieser ersten Saison unter der Hertha-Flagge legt der Dart- und Fußball-Fan den Fokus auf die Entwicklung des Teamgefüges. Dabei sind Ergebnisse wichtig, aber zunächst nicht entscheidend. Tatkräftig unterstützt wird das Team von Trainer Yasin Talay in der neuen Spielzeit von unserem Hauptpartner VANDA Pharmaceuticals. Beide Parteien möchten durch die Zusammenarbeit neue Spieler für unseren Hauptstadtclub hinzugewinnen, die Nachwuchsarbeit im Blindenfußball fördern und in der Gesellschaft die Aufmerksamkeit für diese großartige Sportart erhöhen.

Seine persönlichen Wünsche für die Zukunft beziehen sich auf zwei Aspekte. „Sportlich gesehen können wir vielleicht in den nächsten Jahren die Großen ärgern und unter die ersten drei Mannschaften kommen. Dabei wäre es schön und wichtig, wenn der Nachwuchs gefördert wird, um die Kaderbreite auf Dauer zu verbessern", betont der Keeper, ehe über die zunehmende Bekanntheit des Sports spricht. "Zudem freuen wir uns, wenn viele Zuschauerinnen und Zuschauer sowie Mitglieder von der 'Alten Dame' zu unseren Heimspielen kommen. Der Blindenfußball wird auch bei mir auf der Arbeit unter den Hertha-Fans schon mehr wahrgenommen. Da hat der Verein schon einiges bewirkt und angekurbelt“, zeigt sich der Torwart stolz.

von Moritz Büscher