Ante Čović feuert sein Team emotional an.
Akademie | 1. Dezember 2021, 15:36 Uhr

"Nur wer brennt, kann auch ein Feuer entfachen"

Als Ante Čović am Mittwochvormittag den Kinosaal in unserer Fußball-Akademie betritt, um mit herthabsc.com über die absolvierte Hinrunde und die anstehende Rückserie zu sprechen, ist das Funkeln in seinen Augen kaum zu übersehen. Der 46-Jährige strotzt nur so vor Leidenschaft und Energie, als er eine knappe Viertelstunde über die Entwicklung seiner Jungs, die Zusammenarbeit im Trainerteam und die Schwerpunkte der weiteren Ausbildung seiner Mannschaft philosophiert. Kurzum: Der gebürtige Berliner lebt seinen Job als U23-Coach wie kaum ein anderer. „Ich liebe die grüne Wiese und auf den Platz zu gehen, um mit den Jungs zu arbeiten und ihnen Wissen zu vermitteln. Nur wer brennt, kann auch ein Feuer entfachen. Man lebt den Spielern vieles vor – vor allem die Bindung zum Verein", betont der ehemalige Bundesliga-Trainer unseres Hauptstadtclubs, der seit Sommer wieder für unsere Regionalliga-Auswahl verantwortlich ist. Vor dem Rückrundenauftakt gegen Germania Halberstadt (Fr., 03.12.21, 19:00 Uhr, jetzt Tickets buchen) gibt Čović detaillierte Einblicke in Trainingsarbeit, Teamspirit und Zielsetzung für die weitere Saison. 

herthabsc.com: Ante, 19 Spiele liegen hinter uns. Ihr steht mit 21 Zählern auf dem 12. Tabellenplatz. Wie fällt dein Fazit zur Hinrunde aus?
Čović: Wir haben einen neuformierten Kader, der schnell zusammenwachsen musste. Die Tatsache, dass die Jungs über ein Jahr nicht spielen konnten, hat die Bedingungen nochmals erschwert. Viele Spieler, die aus der Jugend hochgekommen oder im zweiten Jahr im Männerbereich sind, mussten ohne Spielpraxis in die Saison gehen. Daher sind wir nicht gut gestartet. Die Entwicklung in den vergangenen zwei bis drei Monaten war allerdings großartig. Vor allem als Ausbildungstrainer freut es mich, dass wir wichtige Schritte in die richtige Richtung gegangen sind. Wir können mit 21 Punkten gut leben, aber wer mich kennt weiß, dass mir das noch nicht reicht. Und die Vergangenheit zeigt auch: Wir spielen immer bessere Rückserien als Hinrunden.

herthabsc.com: In welchen Bereichen habt ihr euch als Team weiterentwickelt und gibt es positive, aber auch negative Überraschungen für dich?
Čović: In den Bereichen Cleverness, Zielstrebigkeit und Gradlinigkeit. Der größte Unterschied zwischen der U19 und dem Männerbereich ist die Spielweise. In der Jugend bekommt ein Stürmer acht Torchancen pro Partie, bei den Herren nur zwei – wenn er die beide nicht macht, dann war das kein gutes Spiel von ihm. Dieses Bewusstsein zu schaffen, braucht etwas Zeit, aber wir sind auf einem guten Weg. Bemerkenswert sind unsere Leistungen gegen die Top-Mannschaften wie die VSG Altglienicke, Energie Cottbus oder den Berliner AK 07. Auch bei der knappen Niederlage gegen den BFC Dynamo sahen wir gut aus. Die bisher größten Enttäuschungen waren die Begegnungen, in denen wir eigentlich eine größere Qualität besessen haben als der Gegner, diese aber nicht abrufen konnten. So haben wir uns beispielsweise gegen Optik Rathenow schwergetan. Aber auch diese Duelle dienen der Entwicklung.

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Die Entwicklung in den vergangenen zwei bis drei Monaten war allerdings großartig. Vor allem als Ausbildungstrainer freut es mich, dass wir wichtige Schritte in die richtige Richtung gegangen sind.
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-Ante Čović

herthabsc.com: Kannst du dir dieses Phänomen erklären, warum ihr gegen Spitzenteams regelmäßig performt, euch gegen vermeintlich schwächere Gegner aber schwertut?
Čović: Der Zeitpunkt der Partien war entscheidend. Die Mannschaft hat in den zurückliegenden zwei Monaten große Sprünge gemacht – in diese Zeit fielen viele Partien gegen stärkere Gegner. Die Rückrunde wird zeigen, dass wir aus den Begegnungen gegen gleichwertige und vermeintlich schwächere Teams gelernt haben. Das Spiel gegen den FC Eilenburg ist ein guter Indikator dafür.

herthabsc.com: Welche Rolle spielen die erfahrenen Spieler wie Tony Fuchs, Cimo Röcker und Maurice Čović in eurem jungen Team?
Čović: Alle drei Jungs sind mein verlängerter Arm. Darüber hinaus haben sie schon vieles erlebt. Wichtig ist, dass sie mit ihren Leistungen vorneweg marschieren und die jungen Spieler sich an ihnen orientieren können. Vor allem in den Phasen, in denen es nicht so gut läuft, bilden die Erfahrenen den Anker – sie geben den Takt vor und bewahren die Ruhe. Sie sind aber auch diejenigen, die die unangenehmen Themen ansprechen und bei Bedarf die Jungen anzählen, wenn die Gier fehlt oder die Performance nicht stimmt.

herthabsc.com: Taktisch gestaltet ihr eure Spielweise variabel: Am Anfang der Saison mit Dreier-, seit ein paar Spielen mit Viererkette. Aus welchem Grund? 
Čović: Unsere Hauptaufgabe ist es, die Jungs auszubilden. Das Ziel unseres Vereins ist es, fertige Spieler zu entwickeln, die eines Tages – und im besten Falle natürlich – bei unseren Profis spielen können. Im Optimalfall erinnern sich die Jungs daran, was sie in der Akademie gelernt haben und können sich einzig auf ihre Leistung konzentrieren. Das ist ein Hauptgrund für die Variabilität in unserem System.

Ante Čović und  Jérôme Polenz.
Der Blick geht in dieselbe Richtung: Ante Čović und sein Co-Trainer Jérôme Polenz.

herthabsc.com: Schauen wir auf dich: Du bist im Sommer auf die Trainerbank zurückgekehrt. Was macht dir an deiner Arbeit als U23-Coach am meisten Spaß? 
Čović: Ich weiß nicht, ob ich eine Grün-Schwäche habe – auf jeden Fall habe ich eine Grün-Sucht. Ich liebe die grüne Wiese, auf den Platz zu gehen, um mit den Jungs zu arbeiten und ihnen Wissen zu vermitteln. Nur wer brennt, kann auch ein Feuer entfachen. Man lebt den Spielern vieles vor – vor allem die Bindung zum Verein. Die Jungs wissen, dass 'der Alte' trotz lukrativer Angebote den Weg im Club gegangen ist – und denken sich dann, dass sie es selbst auch schaffen können. 

herthabsc.com: Du hast zwei neue Gesichter in deinem Trainerteam. Wie läuft die Zusammenarbeit mit Jérôme Polenz und auch Marc Ritter?
Čović: Ein funktionierender Staff ist unheimlich wichtig. Wir haben sehr viel Kompetenz in unserem Team um Marc Ritter und Max Steinborn - aber auch mit Laura Schulz eine Expertin im medizinischen Bereich. Auf Jérôme Polenz habe ich mich ganz besonders gefreut, weil ich mich selbst in ihm wiedererkenne. Er ist meine rechte Hand, voller Tatendrang und Feuer – genauso wie ich vor acht, neun Jahren war und auch immer noch bin. Jérôme ist ein qualitativ unfassbarer Mehrwert für die Mannschaft und auch unseren Verein.

herthabsc.com: Es geht nahtlos weiter: Am Freitag startet ihr gegen Germania Halberstadt in die Rückrunde. Was für ein Spiel erwartest du? Mit dem VfB habt ihr ja noch eine Rechnung offen (0:4-Niederlage; Anm. d. Red.).
Čović: Ich hatte es zu Beginn bereits erwähnt: Wir wollen in der Rückrunde unter Beweis stellen, dass wir aus unseren Fehlern die richtigen Schlüsse gezogen haben. Das Ziel ist es, mehr Punkte zu holen als in der Hinrunde. Damit werden wir am Freitag beginnen, indem wir ein anderes Gesicht zeigen als wir es auswärts in Halberstadt getan haben. Dieses 0:4 sitzt immer noch sehr tief. Daher habe ich der Mannschaft gesagt, dass wir uns mit einem Sieg dafür revanchieren können.

von Simon Jötten, Tolga Üzüm