Anthony Modeste schnappt sich beim Jubel die Mütze von seinem Trainer Steffen Baumgart.
Profis | 8. Januar 2022, 14:04 Uhr

Kiek ma, wer da kommt: Köln

Köln verbindet man gerne mit dem Dom und Karneval. Schon gleich dahinter folgt das Kind der Stadt, das Aushängeschild der Rheinmetropole: der 1. FC Köln. Der Traditionsverein, der drei Meisterschaften gewann. Der vierfache Pokalsieger, der mit dem Geißbock Hennes als Maskottchen besonderen Charme versprüht. Obwohl die ganz großen Erfolge inzwischen mehrere Jahrzehnte zurückliegen und die treue Anhängerschaft seit 1998 sechs Bundesliga-Abstiege verkraften musste, hält die emotionale Verbindung der Fans zu ihrem Effzeh. Zwischen Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt – die ‘kölsche‘ Gefühlswelt kann beim Thema Fußball allerdings jederzeit kippen. Seit Sommer frohlockt das rot-weiße Herz wieder. Mit Coach Steffen Baumgart hat nicht nur ein charismatischer Übungsleiter übernommen, sondern obendrein jemand, der dem Club neues Leben eingehaucht hat. „Es gibt nur drei größere Vereine als den FC: Der eine spielt 2. Liga, der zweite wird immer Deutscher Meister und der dritte versucht, Meister zu werden“, hatte der ehemalige Bundesliga-Stürmer im Sommer erklärt und mit einer neuerlichen Aussage weiter für Begeisterung gesorgt: „Für mich ist das hier mehr als einfach nur ein Job, es ist Freude, Leidenschaft und Emotion." Vor dem Rückrundenauftakt am Sonntag (09.01.22, 15:30 Uhr) gegen den Verein, bei dem Wolfgang Overath einst die Fäden zog, stellt herthabsc.com den kommenden Gegner vor.

Die sportliche Situation: Die Domstädter spielen mit ihrem Fußballehrer bisher eine starke Saison und gehören sicherlich zu den positiven Überraschungen der vergangenen Monate. Mit 25 Punkten sammelten die Geißböcke nur einen Zähler weniger als zur Winterpause der Saison 2016/17, an deren Ende – übrigens gemeinsam mit unserer Alten Dame – die Qualifikation für den Europapokal stand. Satte zehn Punkte mehr sind es im Vergleich zum Jahreswechsel 2020. Dennoch verfällt Baumgart nicht in Lobhudelei. „Wir wissen, wo wir herkommen. Im Fußball sollte man nicht zu lange genießen, vor allem nicht in Köln“, mahnt der Ex-Profi mit der markanten Schiebermütze. Noch im vergangenen Sommer rettete sich der Effzeh erst in der Relegation, gegenwärtig bedeutet das bisherige Abschneiden einen guten achten Rang. „Gefühlt kommt unsere Bilanz überraschend, weil die Mannschaft in der vergangenen Saison gerade so die Klasse gehalten hat. Manchmal denke ich, dass es nur für mich keine Überraschung ist“, so der gebürtige Rostocker, der die Entwicklung weiter vorantreiben möchte. „Wir hatten in der Hinrunde im Schnitt über 50 Prozent Ballbesitz. Das hatte der Mannschaft vor einem halben Jahr kaum jemand zugetraut. Die nächste Entwicklungsstufe ist, dass wir den Ballbesitz weiter vorne haben und uns mehr Chancen erspielen." Beispielsweise im DFB-Pokal-Achtelfinale gegen den Hamburger SV.

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Gefühlt kommt unsere Bilanz überraschend, weil die Mannschaft in der vergangenen Saison gerade so die Klasse gehalten hat. Manchmal denke ich, dass es nur für mich keine Überraschung ist.
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-Steffen Baumgart

Die Kölner im Fokus: Wenig verwunderlich also, dass in der lebensfrohen Stadt viel über den 50-jährigen Ex-Profi gesprochen und geschrieben wird. Eng verbunden sind die jüngsten Erfolge dabei mal wieder mit Anthony Modeste. Der Angreifer blüht bei seinem neuerlichen Engagement in Köln wieder auf. „Steffen Baumgart hat mich verstanden und sieht, dass ich arbeite. Er vertraut mir und jedem Trainer, der mir vertraut, zahle ich zurück“, erklärt der 33-Jährige seine besondere Beziehung zum Coach, mit dem er in der Hinrunde so gerne gejubelt hat. „Wir haben fast den gleichen Kader wie die vergangenen zwei Jahre. Aber wir haben alles geändert mit einem geilen Trainer.“ Elf Tore sprechen hierbei für sich. Spannend dürfte auch ein Blick auf die Defensive werden. Mittelfeldstütze Ellyes Skhiri weilt mit Tunesien beim Afrika-Cup, Innenverteidiger und Leistungsträger Rafael Czichos verkündigte vor wenigen Tagen seinen Wechsel zu Chicago Fire, der potenzielle Stellvertreter Jorge Meré fehlte unter der Woche krankheitsbedingt. Und im Tor erhält Marvin Schwäbe dieses Mal den Vorzug vor Timo Horn. 

Die Schnittstellen: Bei einem Blick auf den Kader des viermaligen Zweitliga-Meisters werden alle Herthanerinnen und Herthaner beim Namen Ondrej Duda hängenbleiben. Der technisch versierte Mittelfeldakteur spielte – abgesehen von einer Leihe nach Norwich – von 2016 bis 2020 für unsere Spreeathener. Dabei erzielte der slowakische Nationalspieler in 71 Begegnungen 13 Tore und legte neun weitere auf. In Köln hat sich der 27-Jährige inzwischen wieder einen Stammplatz erkämpft und kam in allen 17 Hinrundenpartien zum Einsatz. „Jedes Spiel gegen meinen Ex-Club ist besonders. Die Verbindung bleibt bestehen, denn ich hatte eine sehr schöne Zeit im Verein und in der Stadt", so unsere ehemalige Nummer 10 im Interview. In Lukas Klünter steht ein gebürtiger Rheinländer, der beim Effzeh zum Profi wurde, in unserem blau-weißen Kader. Ob er nach längerer Verletzungspause sein Comeback gegen den Ex-Verein feiert? „Das entscheidet der Trainer, ich fühle mich auf jeden Fall fit und bereit und möchte mich im Training immer anbieten“, sagte der Rechtsverteidiger. In den Vorjahren trugen u.a. Jhon Córdoba oder Marius Wolf das Trikot beider Vereine. 

Das Hinrundenduell: Nach dem Sieg im Pokalspiel in Meppen wollten unsere Blau-Weißen auch mit einem Erfolgserlebnis in die Bundesliga-Saison starten. In Köln brachte Stevan Jovetić unsere Mannschaft früh in Führung (6.), doch dann riss der Faden: Modeste (41.) und Florian Kainz (52., 55.) drehten die Partie für die Hausherren. „Die erste halbe Stunde des Spiels haben wir gut beherrscht und waren besser, nach dem 1:1 sind wir dann etwas auseinandergefallen. Wir haben nicht mehr den Mut gehabt, weiter gegen die Kölner anzuspielen“, analysierte Prince Boateng das Kräftemessen bei seinem Hertha-Comeback. Am 18. Spieltag können es unsere Jungs besser machen!

Die Meinung über unsere Elf: Zum ersten Mal gegen unsere Alte Dame zum Einsatz kommen könnte Luca Kilian, der in der Abwehrmitte den Abgang von Czichos vergessen machen soll. „Wir wollen in Berlin die Intensität auf den Platz bringen, die wir in den vergangenen Trainingseinheiten gezeigt haben. Wenn wir das schaffen, bin ich sicher, dass wir etwas Zählbares holen werden", sagt der 22-Jährige, dessen Coach mit Blick auf das Kräftemessen sagt: „Ich bin optimistisch für die Partie, wenn die Jungs die guten Leistungen aus dem Training auf dem Platz bringen. Hertha hat sich zuletzt stabilisiert, aber wir wollen unser Spiel machen und gewinnen."

von Florian Waldkötter