
„Mentale Stärke zeigen und die Dinger versenken“
Ein kurzer Anlauf, ein entschlossener Blick und ein platzierter Schuss – dafür war Axel Kruse nicht nur im Fußball, sondern auch beim Football bekannt. Unvergessen, dass unser Fahnenträger zu aktiven Zeiten nicht nur unser blau-weißes Trikot, sondern auch das Jersey der Berlin Thunder getragen hat. Bei beiden Vereinen hinterließ der 54-Jährige Spuren – als Stürmer mit Schlitzohr-Potenzial sowie als Kicker mit eiskalten Nerven. „Ich habe in meiner Karriere viele Elfmeter geschossen. Der Druck war dabei schon größer, schließlich stand da auch noch ein Torwart zwischen den Pfosten. Die Bewegung beim Kicken war ein Automatismus. Das Prinzip ist am Ende ähnlich: Man musste ruhig bleiben und mentale Stärke zeigen. Dann hat man die Dinger versenkt“, berichtet der Rechtsfuß, dessen Blick am Tag des Super Bowls über den großen Teich nach Amerika geht. „Ich freue mich wie jedes Jahr extrem auf den Super Bowl und bin sehr aufgeregt! Normalerweise veranstalte ich zu Hause immer eine kleine Party drumherum. Es gibt Burger und Chicken Wings und das eine oder andere Kaltgetränk darf dabei natürlich nicht fehlen.“ Im Interview mit herthabsc.com spricht Kruse über den Super Bowl LVI, Parallelen zwischen beiden Sportarten und psychische Belastungen.
herthabsc.com: Hey Axel, in der Nacht auf Montag steigt ein weltweit mit großer Spannung erwartetes Highlight: der Super Bowl LVI (56.). Wie sehr fieberst du dem Finale der American Football-Saison entgegen?
Kruse: Ich freue mich wie jedes Jahr extrem auf den Super Bowl und bin sehr aufgeregt! Vor zwei Jahren war ich in Miami sogar live vor Ort, als die Kansas City Chiefs gegen die San Francisco 49ers gewonnen haben. Das Spiel und die Halbzeitshow mit Shakira und Jennifer Lopez waren so gut, dass ich nie wieder zu einem gehen möchte (lacht). So gut hat es mir gefallen.
herthabsc.com: Wie verfolgst du das Spiel? Hast du besondere Rituale?
Kruse: Normalerweise veranstalte ich zu Hause immer eine kleine Party rund um den Super Bowl. Mein Sohn und seine Freunde sind da, es gibt Burger und Chicken Wings. Nach dem Essen schauen wir immer einen Film, der etwas mit Football zu tun hat. Das eine oder andere Kaltgetränk darf dabei natürlich nicht fehlen – bis zum Kickoff muss man sich die Zeit ja etwas totschlagen (grinst).
[>]Es hat sich wirklich gelohnt, eine neue Sportart, neue Leute und die professionellen amerikanischen Einflüsse zu erleben. Ich kannte vorher die Regeln vielleicht zu 80 Prozent, habe auch manche Spiele verfolgt, aber so bin ich erst richtig reingekommen. Ich möchte diese Zeit absolut nicht missen.[<]
herthabsc.com: In Los Angeles heißt es LA Rams gegen Cincinnati Bengals. Favorit gegen Außenseiter. Matthew Stafford gegen Joe Burrow. Wem drückst du die Daumen?
Kruse: Eigentlich hätte ich Patrick Mahomes und den Chiefs die Daumen gedrückt, aber die sind im Halbfinale gegen die Bengals ausgeschieden. Daher bin ich für Cincinnati, das Team spielt eine überragende Saison. Die Franchise hat auch noch nie den Super Bowl gewonnen, beide Finalspiele gingen verloren. Daher unterstütze ich den Underdog. In der Rolle waren die Bengals auch gegen die Chiefs. Ich hoffe aber vor allem auf ein enges Spiel (schmunzelt). Ich rechne nicht mit vielen Punkten und schätze, dass die Defensivreihen am Ende das Zünglein an der Waage sein werden.
herthabsc.com: Deine Fußballschuhe hast du 1998 an den Nagel gehangen, aber der sportliche Wettkampf hat dich nicht ganz losgelassen. Du hast dich den Berlin Thunder in der NFL Europe angeschlossen. Wie kam es zu diesem Engagement?
Kruse: Ich war Kicker, mir wurde immer gesagt, dass diese Position gar nicht richtig zum American Football dazugehört (lacht). Ich habe damals zwei Wochen nach meinem Karriereende einen Anruf bekommen, ob ich mir das vorstellen könnte. Das Team war gerade von London nach Berlin gezogen. Es klang ein bisschen verrückt und ich habe die Kabine und den Spaß mit den Jungs schon vermisst, deshalb habe ich es gemacht. Es hat sich wirklich gelohnt, eine neue Sportart, neue Leute und die professionellen amerikanischen Einflüsse zu erleben. Ich kannte vorher die Regeln vielleicht zu 80 Prozent, habe auch manche Spiele verfolgt, sogar die Rams gegen die Chiefs 1990 im Olympiastadion, aber so bin ich erst richtig reingekommen. Ich möchte diese Zeit absolut nicht missen.
[>]Als Kicker war ich verantwortlich, die Punkte zu machen. Das Kicken sieht erstmal leicht aus. Schwieriger war die psychische Belastung, unbedingt treffen zu müssen. Wenn Kicker das nicht schaffen, sind die der Idiot, wenn sie es schaffen, sind sie der Held.[<]
herthabsc.com: Den extremen körperlichen Zweikämpfen konntest du mit deiner Aufgabe aus dem Weg gehen. Was entgegnest du Leuten, die sagen, dass sie den Ball ohne Mühe zwischen die Stangen schießen würden?
Kruse: Die kräftigen dicken Jungs kämpfen auf dem Spielfeld Yard um Yard, um nach vorne zu kommen. Als Kicker war ich verantwortlich, die Punkte zu machen. Das Kicken sieht erstmal leicht aus. Wenn man genug trainiert hat, hatte man die Abläufe auch drin. Schwieriger war die psychische Belastung, unbedingt treffen zu müssen. Wenn Kicker das nicht schaffen, sind die der Idiot, wenn sie es schaffen, sind sie der Held.
herthabsc.com: Beim Field Goal bzw. Extrapunkt oder beim Elfmeter – wo war die Anspannung größer?
Kruse: Ich habe in meiner Karriere viele Elfmeter geschossen. Der Druck war dabei schon größer, schließlich stand da auch noch ein Torwart zwischen den Pfosten. Die Bewegung beim Kicken habe ich mit dem Snapper und dem Holder 1000-fach geübt, sodass es ein Automatismus geworden ist. Man durfte sich nur nicht vorstellen, was passiert, wenn man verschießt. Das Prinzip ist am Ende ähnlich: Man musste ruhig bleiben und mentale Stärke zeigen. Dann hat man die Dinger versenkt.
herthabsc.com: Stimmt es, dass du in den vier Jahren zwischen 1999 und 2003 mit 130 erzielten Punkten Top-Scorer des Vereins warst – und nach wie vor bist? Beachtlich, wenn man bedenkt, dass du drei Punkte für ein Field Goal bzw. einen Extrapunkt nach einem Touchdown sammeln konntest.
Kruse: Den Verein gab es zwischenzeitlich leider gar nicht mehr. Ich weiß auch nicht, wie viele Punkte ich erzielt habe. Mein Spitzname war auf jeden Fall „Mr. Perfekt“, weil ich nach meiner ersten Saison drei Jahre am Stück keinen Fehlschuss hatte. Dazu muss man fairerweise sagen, dass meine maximale Distanz bei 33 Yards lag (grinst). Meine Kollegen haben die langen Dinger gekickt, die sind dann auch schon mal daneben geflogen. Ich muss gestehen, dass ich im ersten Jahr manchmal nicht wusste, wann ich dran bin. Ich habe dann immer einen unserer Trainer gefragt, der mich dann wieder auf die Bank geschickt hat. Und manchmal hieß es dann: Wo ist denn der Kruse?! Aber ich habe mir den Respekt der Amerikaner erarbeitet.