
„Das ist auch für die Fans im Stadion ein wichtiges Zeichen"
Der Transgender Day of Visibility am 31. März steht für die Sichtbarkeit von trans*, inter* und nicht-binären Personen. Weltweit finden an diesem Datum Kampagnen für geschlechtliche Vielfalt und rechtliche Anerkennung statt. Gemeinsam mit dem Berliner Fußball-Verband und dem LSVD-Bundesverband hat unser Hauptstadtclub in diesem März zum Aktionsmonat gegen Homo- & Transfeindlichkeit aufgerufen und setzt sich auch mit unserer Kapitänsbinde für mehr Sichtbarkeit von sexueller & geschlechtlicher Vielfalt im Breitensport ein. Darüber hinaus kooperiert unser Verein seit 2020 mit der Kompetenzgruppe für Fankulturen & Sport bezogene Soziale Arbeit (kurz KoFaS) im Modellprojekt: Vielfalt im Stadion - Zugang, Schutz und Teilhabe, dessen Ziel es ist, den Publikumssport Fußball zugänglicher zu machen, Barrieren abzubauen und lsbtiq* Personen mehr Sicherheiten zu bieten.
Im Interview mit herthabsc.com sprechen dabei Michaela Jessica Tschitschke, Ansprechperson des BFV zum Thema „geschlechtliche und sexuelle Vielfalt“ sowie Cristin Gießler von der KoFaS über die Schwierigkeiten der marginalisierten Gemeinschaften im Fußball und die Bedeutung der professionellen Vereine im Kampf für geschlechtliche Vielfalt.
[>]Hertha BSC ist einer der großen Vereine in Berlin und daher ist das Engagement bedeutend für den Aktionsmonat.[<]
herthabsc.com: Frau Tschitschke, in diesem Jahr fand der Aktionsmonat des Berliner Fußball-Verbands zum fünften Mal statt. Wie war die Entwicklung seitdem?
Tschitschke: Der Aktionsmonat wurde sehr gut angenommen. Wir konnten einen klaren Anstieg verzeichnen, Amateurvereine, die in den Jahren zuvor nicht teilgenommen haben, engagieren sich jetzt ebenfalls. Hierbei ist es sehr wichtig, dass Profivereine sich beteiligen und ein Zeichen setzen. Hertha BSC ist einer der großen Vereine in Berlin und daher ist das Engagement bedeutend für den Aktionsmonat.
herthabsc.com: Frau Gießler, wie ist das Modellprojekt: Vielfalt im Stadion entstanden?
Gießler: Die Ausgangsidee war eine Erhebung durchzuführen, um festzustellen, welchen Bedarf queere Fans bei einem Stadionbesuch haben. Wo gibt es Hindernisse, wie kann der Zugang erleichtert werden, um im weiteren Verlauf die Strukturen im Stadion besser zu verstehen und Veränderungspotenziale erkennen zu können.
herthabsc.com: Und welche Ziele und Vorhaben haben Sie mit dem Modellprojekt?
Gießler: Das Ziel ist es mit den vier Modellstandorten in der Bundesliga, inklusive Hertha BSC, Konzepte und Vorgehen zu erarbeiten, wie Vielfalt gefördert und Diskriminierung im Stadion und im Verein abgebaut werden können. Die Erfahrungen und Ergebnisse münden im weiteren Projektverlauf in einem Leitfaden, der von zusätzlichen Standorten sowie für die UEFA EURO 2024 für die eigene Arbeit genutzt werden kann.
herthabsc.com: Wo können sich der Amateur- sowie der Profifußball gegenseitig unterstützen und stärken?
Tschitschke: Die Vorbildfunktion der Profivereine kann Amateurvereine stärken, aber auch die Aktionen, die von kleineren Vereinen durchgeführt werden, sind sehr wichtig – davon können professionelle Vereine ebenfalls profitieren. Die Armbinden im Aktionsmonat wurden sowohl von den Amateuren als auch von den Profis getragen: Das zeigt, dass es sich nicht um zwei verschiedene Welten handelt.
Gießler: Wir haben in den Interviews mit den queeren Fans gemerkt, dass sie über Ausgrenzungserfahrungen als Fußballspielerinnen und Fußballspieler berichten können, aber auch über die Erfahrungen als Fans im Stadion. Das kann man nicht trennen, deswegen ist es umso bedeutender, dass sich Profivereine wie Hertha BSC an solchen Aktionsmonaten beteiligen. Das ist auch für die Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Rängen ein wichtiges Zeichen.
herthabsc.com: Was würden Sie sich in Zukunft von den Verbänden, Vereinen und auch den Spielerinnen und Spielern wünschen?
Tschitschke: Eine schwierige Frage, aber ich persönlich als Trainerin und Ansprechperson beim BFV würde mir insbesondere im Amateurbereich auf dem Spielfeld mehr Toleranz und mehr Gemeinschaft wünschen. Dass die Spielerinnen und Spieler mehr miteinander Fußball spielen und nicht nur gegeneinander.
Gießler: Viele Vereine leisten mittlerweile tolle Öffentlichkeitsarbeit und die Regenbogenflagge gehört ja fast schon zum guten Ton (lacht). Es droht aber eine gewisse Sinnentleerung. Denn man muss sich hinterfragen: Werden die Maßnahmen auch wirklich umgesetzt und wird das gelebt, was man mit dieser Symbolik nach außen trägt? Da gibt es auf jeden Fall Verbesserungspotenzial hinsichtlich der Verankerung in den Strukturen.