
"Wir sind immer weiter gewachsen"
Fußball ist bekanntlich die schönste Nebensache der Welt. Nicht mehr und nicht weniger. Denn abseits von Abstiegskampf und Derby gibt es noch wichtigere – viel, viel wichtigere – Dinge auf der Erde. Das macht aktuell vor allem die Situation in der Ukraine deutlich. Aufgrund der russischen Invasion traten von dort aus seit Ende Februar bereits unzählige Menschen die Flucht an und ließen damit nicht nur ihr gesamtes bisheriges Leben hinter sich, sondern starteten auch eine Reise ins Ungewisse. Und genau an dieser Stelle kommt irgendwie auch wieder der Fußball ins Spiel, wie das Beispiel einiger engagierter Herthanerinnen und Herthaner zeigt.
Mitglieder der aktiven Fanszene, die sonst regelmäßig auf den Autobahnen Deutschlands zu den Auswärtsspielen unserer Alten Dame unterwegs sind, waren nun Teil einer ganz besonderen Aktion: Sie errichteten innerhalb kürzester Zeit ein selbstorganisiertes Hilfsnetzwerk für Betroffene des Krieges. Die Blau-Weißen transportierten dringend benötigte Güter an die polnisch-ukrainische Grenze und brachten zudem rund 150 Geflüchtete mit nach Berlin, wo deren Weg auf der Suche nach Schutz und Sicherheit meist noch nicht beendet war.
Die Abläufe wurden schnell professioneller
„Ich habe das Ganze mit losgetreten“, erzählt Niklas, einer der Initiatoren, der als Unternehmer in der Personenbeförderung tätig ist. Als ein Kunde ihn darum bat, Familienangehörige aus Polen abzuholen, musste er nicht lange überlegen: „Ein Fahrzeug stand zur Verfügung, ich bin dann direkt losgefahren.“ Platz fanden im 9-Sitzer schließlich zwei Erwachsene und drei Kinder, die sich lediglich einen Koffer teilten. „Der Bedarf vor Ort war einfach riesig“, so der Helfer, der auch seinen Bekannten davon berichtete. „Wir haben dann überlegt, wie wir unterstützen können, uns einen Überblick verschafft, Kontakte abgeklappert und viel Recherche betrieben“, erklärt Christian, der zu den weiteren Verantwortlichen zählt. Schnell wurden die Abläufe immer professioneller – hin ging es mit wichtigen Ressourcen, zurück mit hilfsbedürftigen Menschen. „Wir haben zehntausende Kilometer geschrubbt, teilweise unseren Urlaub dafür investiert“, sagt Niklas. Das Kernteam bestand aus acht Leuten, eingebracht haben sich noch viele mehr – so auch Freundinnen und Freunde, Kollegen und Kolleginnen. „Wir sind immer weiter gewachsen, auch über den Hertha-Kosmos hinaus, das war Gold wert und total beeindruckend zu sehen“, verraten die beiden Mitschaffenden.
[>]Wir haben zehntausende Kilometer geschrubbt, teilweise unseren Urlaub dafür investiert.[<]
Finanzielle Unterstützung gab es nicht nur von unserem Hauptstadtclub, sondern auch aus dem Klein- und Mittelstand. „Dieses Dazutun war entscheidend für den Erfolg der Aktion. Viele Hertha BSC nahe stehende Unternehmen wie die Allround Autovermietung, J+J Struktur, die Werbefabrik Berlin und auch aufstrebenden Start-Ups wie allmyhomes und cleverklagen.de haben sich beteiligt“, berichtet Niklas. So gelangen pro Woche zahlreiche Fahrten bis Przemyśl. Die Eindrücke, die es auf der rund elfstündigen Strecke zu verarbeiten galt, waren „extrem“, offenbart Christian. „Doch man musste einfach funktionieren, immerhin ging es um eine wichtige Aufgabe, der wir uns aus Überzeugung angenommen hatten“, unterstreicht der Anhänger unserer Spreeathener. Ihren kompletten Namen wollten die beiden Helfer übrigens bewusst nicht preisgeben, soll doch die Sache an sich im Vordergrund stehen. „Aber auch wir kommen irgendwann an Grenzen“, gibt Niklas zu, „das Ganze auf Dauer so durchzuziehen ist nicht nur finanziell schwierig.“ Deswegen fand vor wenigen Tagen die abschließende Tour statt. Was unsere Fans in den vier vorangegangenen Wochen geleistet haben, kann jedoch nicht hoch genug eingeschätzt werden!