Marco Richter und Ishak Belfodil sitzen geknickt auf dem Rasen des Westfalenstadions.
Profis | 15. Mai 2022, 11:59 Uhr

Aufstehen!

Als der Schlusspfiff ertönte, sanken unsere Herthaner enttäuscht auf das Grün des Westfalenstadions. Die Jungs in den blau-weißen Trikots hatten gegen Borussia Dortmund alles in die Waagschale geworfen, lange geführt – und standen nach dem 1:2 (1:0) sowie dem gleichzeitigen Sieg des VfB Stuttgart nun doch mit leeren Händen dar. „Die Spieler waren in der Kabine natürlich enttäuscht, da hing der eine oder andere Kopf. Daher habe ich auch direkt ein paar Worte an die Mannschaft gerichtet, ihr klargemacht, dass sie ein gutes Spiel gezeigt hat“, verriet Felix Magath. Unserem erfahrenen Coach gefiel das Ergebnis selbstverständlich auch nicht, wohl aber der couragierte Auftritt seiner Schützlinge. „Wir haben beim Tabellenzweiten ein gutes Spiel gemacht und vor allem in der ersten Hälfte einen ebenbürtigen Auftritt abgeliefert“, unterstrich der 68-Jährige. „In der zweiten Halbzeit sind wir naturgemäß mehr unter Druck geraten, haben dem aber eigentlich standgehalten – doch zwei Gegentore waren nun einmal leider eines zu viel. So müssen wir in die Relegation.“

Keine Chance für Bürki: Ishak Belfodil schießt Hertha in Führung.
Keine Chance für Bürki: Ishak Belfodil schießt Hertha beim BVB in Führung.

Belfodil lässt unsere Berliner jubeln

In Dortmund sah es über weite Strecken nicht so aus, als müssten unsere Hauptstädter die Ligazugehörigkeit in dieser Extraschicht sichern. Unser Team agierte kompakt, zielstrebig und griffig, ließ wenig Abschlüsse des BVB zu und lauerte auf Nadelstiche übers Umschaltspiel. Nach einem solchen verhängte Referee Tobias Stieler nach VAR-Eingriff einen Elfmeter, den Ishak Belfodil zur Führung verwandelte (18.). Ein Treffer, der seine Wirkung nicht verfehlte. „Wir haben nicht nur leidenschaftlich verteidigt, das 1:0 hat uns geholfen, um weiter gut zu stehen“, verdeutlichte Fredi Bobic den einsetzenden Effekt. Unsere Herthaner ließen kaum gefährliche Abschlüsse der Schwarz-Gelben zu und brachten die Führung mit viel Passion in die Pause. „Die Mannschaft hat bei einer Spitzenmannschaft vor allem in der ersten Hälfte einen ebenbürtigen Auftritt abgeliefert“, fasste Magath das Geschehen treffend zusammen.

Déjà-Vu: VAR-Eingriff, Elfmeter, Tor

Nach dem Seitenwechsel bemühte sich der Ballspielverein um noch mehr Druck, Hertha hielt weiterhin gut dagegen. Und wenn unsere kompakte Defensive einmal nicht klären konnte, spielte Marcel Lotka wie im Eins gegen Eins gegen Marco Reus mit (51.). Machtlos war der Schlussmann bei einer Szene, die die aktuelle Krux unserer Alten Dame im wahrsten Sinne des Wortes auf den Punkt brachte: In Ping-Pong-Manier sprang der Ball von Santiago Ascacíbars angelegtem Arm an die Hand von Marvin Plattenhardt. Die unmittelbare Folge: VAR, Elfmeterpfiff, Ausgleich von Haaland - und das, obwohl Lotka, der sich im weiteren Verlauf der Partie noch eine leichte Gehirnerschütterung und einen Nasenbeinbruch zuzog, das Spielgerät fast noch mit dem Fuß abgelenkt hätte. „Das haben die Jungs überragend gemacht – bis dann der Elfmeter zum 1:1 aus dem Nichts gekommen ist. Danach war Dortmund angefixt. Bitter“, brachte Bobic die Situation aus blau-weißer Sicht auf den Punkt.

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Das haben die Jungs überragend gemacht – bis dann der Elfmeter zum 1:1 aus dem Nichts gekommen ist. Danach war Dortmund angefixt.
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-Fredi Bobic

Dortmunds Joker sticht - Jovetić verpasst das letzte Wort

Diese hatte nämlich noch weitreichendere Folgen: Die letzten Minuten in Dortmund und Stuttgart forderten das Hertha-Nervenkostüm zusätzlich. Kurz vor Schluss stach mit dem erst Sekunden zuvor eingewechselten Yousoufa Moukoko ein schwarz-gelber Joker. Der Angreifer nutzte eine der ganz wenigen Lücken in unserer Defensive zum 2:1 (84.). In der Schlussoffensive mit Prince Boateng und Comebacker Stevan Jovetić hätte unseren Farben um ein Haar das letzte Wort gehört. Doch es sollte nicht sein: Das Netz wackelte, der Torschrei unserer lautstarken Fans verstummte aber schnell wieder, denn das Kunstleder touchierte nur das Außennetz. Die letzte blau-weiße Chance an diesem Nachmittag. Weil gleichzeitig der Konkurrent aus Stuttgart einen späten Heimdreher einfuhr, rutschte unsere Alte Dame so doch noch auf den Relegationsrang 16. „Es ist sehr, sehr schwierig und am Ende lief es natürlich äußerst unglücklich. Aber so ist die Situation. Wir haben einen guten Job gemacht, dürfen uns nun aber nicht beschweren, sondern müssen die Köpfe hochbekommen“, gab ein geknickter Jovetić wenig später vor den Mikrofonen zu Protokoll.

„… dann bin ich zuversichtlich, dass wir Erstligist bleiben“

Dieses Aufstehen und der richtige Umgang mit den mentalen Herausforderungen werden in den beiden Entscheidungsspielen am Donnerstag (19.05.22) sowie am Montag (23.05.22, Anstoß jeweils um 20:30 Uhr, Tickets gibt’s hier) gegen den Hamburger SV gefragt sein. Unser erfahrener Trainer sah jedoch Indizien dafür, dass beides klappen kann. „Wenn man diese Partie gesehen hat, kann man nicht davon sprechen, dass wir Druck nicht gewachsen sind. Das Spiel hat mich im Hinblick auf die Entscheidungsspiele insofern eher beruhigt“, untermauerte Magath. Da der Gegner dort noch nicht feststand, nutzte der Fußballlehrer den Moment lieber, um alle Herthanerinnen und Herthaner noch einmal auf das große Ziel einzuschwören. „Wir haben unser Minimalziel, den direkten Abstieg zu vermeiden, erreicht. Nun haben wir zwei Mal die Gelegenheit zu zeigen, dass wir ein Bundesligist sind – so, wie wir es hier in Dortmund über weite Strecken getan haben“, sagte der Boss unserer Berliner. „Wenn uns das gelingt, bin ich zuversichtlich, dass wir Erstligist bleiben!“

Hier gibt es unseren Nachbericht in Leichter Sprache.

von Konstantin Keller