Michael Hartmann am Spielfeldrand.
Akademie | 2. Juni 2022, 17:31 Uhr

"Ich kann mich an keine negativen Augenblicke erinnern"

Die Beine baumelten vor sich hin, der Blick ging ins Leere: Der Abpfiff des Meisterschaftsfinale der A-Junioren war bereits einige Minuten vergangen, da saß Michael Hartmann auf der Massagebank im Kabinentrakt des Stadions auf dem Wurfplatz/Amateurstadions und realisierte so langsam, dass es soeben die abschließende Partie als Trainer für unseren Hauptstadtclub war. „Ich konnte mich bereits auf den Abschied vorbereiten. Dennoch war das letzte Spiel wirklich nicht einfach für mich, da habe ich eine innere Leere verspürt“, erklärt der Fußballlehrer mit einigen Tagen Abstand. Im vorerst finalen Interview mit herthabsc.com lässt der 47-Jährige seine erfolgreiche Amtszeit an der Spree Revue passieren und spricht über Titel, Talentförderung und Erinnerungen.

herthabsc.com: Hardy, das Finale um die A-Junioren-Meisterschaft 2022 ging am Sonntag denkbar knapp mit 1:2 gegen Borussia Dortmund verloren. Wie ordnest du die Niederlage mit ein paar Tagen Abstand ein?
Hartmann: Wir können grundsätzlich sehr stolz sein. Wir haben vor allem in der ersten halben Stunde sehr gut gespielt, uns hat aber das zweite Tor gefehlt. Anschließend haben wir den Gegner leider selbst etwas aufgebaut und am Ende hat auch vielleicht ein wenig das Quäntchen Glück gefehlt, das man in einem Finale braucht, um den Titel zu gewinnen.

herthabsc.com: Der Traum vom Triumph zum Abschluss ist somit leider geplatzt. Schmerzt das sehr im Nachhinein?
Hartmann: Nein, ich habe die Meisterschaft zwei Mal gewonnen, ein drittes Mal wäre natürlich noch schöner gewesen (schmunzelt), aber es geht mir in erster Linie um die Jungs. Für sie wäre der Titel etwas ganz Besonderes gewesen und ich hätte es mir zum Abschied insbesondere für die Mannschaft gewünscht.

herthabsc.com: Abschied ist das Stichwort. Nach insgesamt 20 Jahren – elf Jahre als Spieler, neun Jahre als Nachwuchstrainer – endet in diesen Tagen deine Amtszeit bei unserem Hauptstadtclub. Mit welchen Gefühlen verlässt du unseren Verein?
Hartmann: Es ist nicht ganz einfach, da bin ich ehrlich. Schlussendlich haben sich die Dinge aber bereits in den vergangenen Monaten in diese Richtung entwickelt. Daher konnte ich mich bereits darauf vorbereiten. Dennoch war das letzte Spiel wirklich nicht einfach für mich, da habe ich eine innere Leere verspürt.

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Für mich war es immer wichtig, den Jungs nicht nur sportlich etwas mitzugeben. Das hat, denke ich, ganz gut geklappt.
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-Michael Hartmann

herthabsc.com: Du hinterlässt als Trainer große Fußstapfen, hast den DFB-Pokal der Junioren sowie die A-Junioren-Meisterschaft gewonnen und in der UEFA Youth League für Aufsehen gesorgt. Was bleibt dir rein sportlich aus dieser Zeit besonders in Erinnerung?
Hartmann: Wir hatten grundsätzlich sehr viele schöne Momente. Ich durfte zahlreiche junge Spieler betreuen und weiterentwickeln, die ihren Weg im Profifußball oder aber auch außerhalb davon gegangen sind. Für mich war es immer wichtig, den Jungs nicht nur sportlich etwas mitzugeben. Das hat, denke ich, ganz gut geklappt.

herthabsc.com: Du sprichst die Entwicklung an: Neben den messbaren Erfolgen hast du in deinen Jahren zahlreiche Spieler gefördert. Hand aufs Herz: Ist dir der erfolgreiche Weg der Jungs oder ein Titelgewinn wichtiger?
Hartmann: Titel sollten im Nachwuchs zweitrangig sein. Es geht vielmehr darum, eine Durchlässigkeit zu den Profis zu schaffen - und das ist uns in den vergangenen Jahren ganz gut gelungen. Aber wenn man die Möglichkeit hat, mit der Mannschaft um Pokale mitzuspielen, dann hat das auch einen positiven Effekt auf die Entwicklung. Natürlich kommt mir da ein Arne Maier in den Sinn, den ich drei Jahre betreut habe oder auch ein Palko Dárdai, der einen etwas anderen Weg geht. Das Schöne ist, wenn die Spieler einen in Erinnerung behalten und man sich auch später noch austauschen kann.

herthabsc.com: Wenn wir über Entwicklung sprechen, kommen wir automatisch auf HardysVision. Welchen Stellenwert hatte dieses Projekt für dich?
Hartmann: Das war das erste Projekt, das wir nach meiner Rückkehr aus Rostock angegangen sind. Für mich war das ein Stück weit Neuland, da ich auch die jüngsten Jahrgänge gesichtet und trainiert habe. Auch nachdem ich die U19 übernommen habe, habe ich das Projekt weiter betreut und mit den Eltern alles organisiert. Der 2006er-Jahrgang war der erste, den wir begleitet haben – diese Spieler sind nun in der U17, also hätte sich der Kreis beinahe geschlossen (lächelt).

Michael Hartmann verlässt den Rasen im Stadion auf dem Wurfplatz.

herthabsc.com: In neun Jahren als Trainer mit vielen Reisen, Turnieren und Erlebnissen abseits des Platzes bist du einer Menge Menschen begegnet. Welche Personen und spezielle Momente bleiben dir da besonders in Erinnerung?
Hartmann: Da fallen mir direkt drei Personen ein: Unser ehemaliger Akademie-Leiter Benjamin Weber sowie André Henning und Frank Vogel, die über meine neun Jahre fast komplett mit dabei waren. Aber auch ein Hans-Peter Jakob, der im Nachwuchs tätig war. Wir haben in der Zeit viel erlebt – über Youth League, was für Hertha BSC ein Novum war, oder die Amerika-Reisen, Sindelfingen und auch die Hallenturniere. Bei allem haben wir viel Unterstützung bekommen und hatten eine Menge Spaß, ohne den Fokus für das Wesentliche aus den Augen zu verlieren. Es waren sehr viele tolle Momente dabei und ich kann mich ehrlich gesagt an keine negativen Augenblicke erinnern. Das waren ganz besondere neun Jahre, in denen wir viel richtig gemacht haben.

herthabsc.com: Da gibt es doch bestimmt die ein oder andere Anekdote zu erzählen.
Hartmann: Die Reise nach Qəbələ kommt mir da sofort in den Sinn. Allein die Busfahrt in Aserbaidschan inklusive Unfall im Kreisverkehr oder den Kühen vor Ort, die einfach in die Stadt gelaufen sind - das war schon einmalig. Aber auch Kalifornien war eine neue Erfahrung, wo wir den Jungs versucht haben, über den sportlichen Erfolg hinaus Werte mitzugeben. Da waren viele Dinge dabei, die unheimlich spannend waren und auch viel Spaß gemacht haben.

herthabsc.com: Beim FC Bayern München wartet zwar eine neue Herausforderung auf dich, du bleibst unserem Verein aber weiterhin verbunden und wirst das Geschehen sicherlich auch aus der Ferne verfolgen?
Hartmann: Ich werde weiterhin einen Blick auf Hertha BSC werfen und das wird immer so sein, denn ich war so lange im Verein. Nichtsdestotrotz freue ich mich auf die neue Herausforderung in München. Vielleicht sieht man sich irgendwann in einem Meisterschaftsfinale und wer weiß, vielleicht gibt es irgendwann auch wieder die Möglichkeit für eine Rückkehr nach Berlin. Im Fußball sollte man niemals nie sagen.

von Simon Jötten, Tolga Üzüm