Fatih Talay nach einem Sieg in der vergangenen Saison.
Teams | 2. August 2022, 13:30 Uhr

"Ich haue mich in jedes Spiel rein, als wäre es mein letztes!"

Während der Ball in der Bundesliga am kommenden Wochenende zum ersten Mal wieder rollt, befindet sich die Blindenfußball-Saison bereits in der heißen Phase. Für unsere Profis steht am Samstag (06.08.22, 15:30 Uhr) das wichtige Derby beim 1. FC Union an, unsere Blinden-Fußballer bereiten sich aktuell hingegen auf ihr eigenes Highlight vor: Den Heimspieltag am 6. und 7. August am Nordufer – die Partien gegen SG Fortuna 95 Düsseldorf / PSV Köln und MTV Stuttgart übertragen wir live auf HerthaTV und YouTube. Auch Stürmer Fatih Talay, der bereits in der Premieren-Spielzeit einer der Anker unseres Teams war, freut sich ganz besonders auf die Partien vor eigenem Publikum. Der gebürtige Kreuzberger hat eine eingeschränkte Sehkraft und kam mit elf Jahren in einer Blindenschule in Steglitz erstmals mit diesem Sport in Kontakt. Über Startschwierigkeiten, die Entwicklung des Teams und seine persönlichen Ziele in dieser Saison hat der 27-Jährige mit herthabsc.com gesprochen.

herthabsc.com: Fatih, die Spielzeit ist bereits in vollem Gange, wie lautet das erste Zwischenfazit?
Fatih Talay: Den ersten Spieltag mussten wir aufgrund von sehr vielen Verletzten und Kranken absagen. Seitdem haben wir immer wieder Pech mit fehlenden Spielern gehabt, konnten das aber bislang sehr gut wegstecken.

herthabsc.com: Das Nachholspiel gegen den Vorjahresmeister St. Pauli ging zwar verloren, aber gegen den BSV 1958 Wien und gegen SF BG Blista Marburg habt ihr jeweils einen Dreier eingefahren. Wie schätzt du eure aktuelle Form ein?
Fatih Talay: Trotz der Verletzung unseres besten Spielers haben wir uns gegen das Top-Team der Liga mehr als gut geschlagen. Seitdem haben wir sieben Punkte in drei Spielen geholt – und das auch mehr als verdient, wie ich finde. Wir werden von Spiel zu Spiel besser.

herthabsc.com: Wie hat sich der Kader verändert? Gab es Zu- und Abgänge?
Fatih Talay: Mit Nico Rother haben wir einen sehr wichtigen Spieler verloren. Mit den zwei Top-Transfers von Recep Aydeniz und Ercan Beyracta konnten wir den Verlust aber sehr gut kompensieren. Beide haben schließlich im Juni das Finale der Europameisterschaft bestritten und besitzen große Qualitäten.

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Wir haben uns vorgenommen, besser dazustehen als in der Vorsaison. Wir wollen einfach das Maximum herausholen – die Qualität dafür haben wir.
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-Fatih Talay

herthabsc.com: Welches Ziel habt ihr euch für die laufende Spielzeit gesteckt?
Fatih Talay: Wir wollen Meister werden! (lacht) Spaß bei Seite: Wir haben uns vorgenommen, besser dazustehen als in der Vorsaison. Das wäre Platz vier und wenn wir Platz drei oder zwei erreichen können, greifen wir auch diese Positionen an. Wir wollen einfach das Maximum herausholen – die Qualität dafür haben wir.

herthabsc.com: Wie zufrieden bist du mit deiner persönlichen Entwicklung?
Fatih Talay: Ich hatte ein wenig mit Wehwehchen zu kämpfen, aber das macht mir nichts aus. Ich haue mich in jedes Spiel rein, als wäre es mein letztes. Ich hatte zwischenzeitlich fünf Jahre mit dem Fußball aufgehört, deswegen musste ich vergangene Saison leichte Anlaufschwierigkeiten bewältigen. Mittlerweile nähere ich mich Tag für Tag, Spiel für Spiel meiner Top-Form.

herthabsc.com: Spürt ihr Unterschiede zwischen den Spielorten? Bevorzugst du selbst eine der fünf Spielstätten in der Bundesliga?
Fatih Talay: Jeder Spielort ist anders. Alle Plätze haben einen anderen Belag und eine andere Größe, die im Rahmen der Vorgaben liegen müssen. Das Spielfeld muss in der Länge 38 bis 42 Meter und in der Breite 18 bis 22 Meter messen. Der Unterschied mag sich nicht so groß anhören, aber es ist eine deutliche Umstellung für alle Spieler, wenn der Platz auch nur einen Meter länger ist. Das verändert den Abstand zum Tor und somit alle Abläufe im Spiel. Deswegen spiele ich am liebsten zu Hause, da wir mit dem Platz vertraut sind.

herthabsc.com: Am Samstag und Sonntag findet der Spieltag in Berlin statt. Die Vorfreude auf die Partien am Nordufer dürfte also groß sein?
Fatih Talay: Sie ist riesig! Ich mag unsere Spielstätte sehr, denn wir kennen uns hier einfach am besten aus (lächelt). Das ist unser Wohnzimmer, daher wollen wir unbedingt gute Leistungen zeigen und im besten Fall zwei Siege einfahren. Hoffentlich kommen viele Herthanerinnen und Herthaner zu den Spielen und feuern uns an.

herthabsc.com: Du hast eine ganz besondere Beziehung zu eurem Trainer Yasin Talay. Der Nachname verrät es bereits, du spielst unter deinem älteren Bruder. Welchen Einfluss hat das auf dem Platz?
Fatih Talay: Mein Stammplatz ist deswegen längst nicht sicher. Im Gegenteil: Mein Bruder erwartet von mir vielleicht sogar noch mehr als von meinen Mitspielern und pusht mich enorm. Am Ende spielt immer derjenige, der es verdient. Nur weil wir Brüder sind, gibt es keine Extrawurst für mich. Trotzdem ist es sehr schön, diese Leidenschaft gemeinsam teilen und leben zu können. 

von Tolga Üzüm