Plea, Netz und Farke im Gespräch.
Profis | 19. August 2022, 10:07 Uhr

Kiek ma, wo dit hinjeht: Mönchengladbach

In den vergangenen Jahren war Borussia Mönchengladbach europäischer Stammgast. Zu einem Höhepunkt gehörte sicher das Erreichen der K.o.-Phase in der UEFA Champions League 2021. Ganz nebenbei mauserte sich der Club vom Niederrhein so zu einem der angesehensten Vereine der Bundesliga. Eng verbunden war diese Erfolgsgeschichte mit dem Namen Max Eberl. Doch der für den Sport verantwortliche Geschäftsführer zog sich zu Jahresbeginn zurück. Für ihn übernahm Roland Virkus, langjähriger starker Mann im Nachwuchs des Vereins. Eine seiner ersten Amtshandlungen: Im Sommer installierte er in Daniel Farke einen neuen Trainer. Mit dem 45-Jährigen möchte die Fohlenelf nach den Plätzen 10 und 8 dem eigenen Selbstverständnis entsprechend wieder weiter oben angreifen. Dieser Aufgabe hat sich der Coach verschrieben. „Borussia hat eine unfassbare Tradition. Ich hoffe, gemeinsam mit meinem Trainerteam ein Stück neue Geschichte zu schreiben, unsere Werte zu verteidigen und unsere Spielidee auf den Platz zu bringen.“ In der Gegnervorschau nehmen wir unseren Kontrahenten am 3. Spieltag (19.08.22, 20:30 Uhr) unter die Lupe.

Die sportliche Situation: Der Start in die neue Saison lässt sich bisher als ordentlich bezeichnen. Die Fohlenelf ist noch ungeschlagen. Im DFB-Pokal setzte sich der VfL souverän mit 9:1 gegen den Oberligisten SV Oberachern durch. In der Liga eroberten die Schwarz-Weiß-Grünen nach dem Auftaktsieg gegen Hoffenheim (3:1) einen Punkt auf Schalke (2:2). Nur ein Elfmeter in der Nachspielzeit stand dem Dreier im Weg. Farke ist auf jeden Fall mit der bisherigen Entwicklung und der Mentalität seiner Schützlinge zufrieden, hat aber auch eine zentrale Aufgabe ausfindig gemacht. „Ich möchte meiner Mannschaft Siegermentalität einimpfen. Nach dem 0:1 hat das ganze Stadion auf Schalke emotional gebrodelt. Dass wir dann ruhig geblieben sind und uns den Gegner Minute für Minute mehr zurechtgelegt haben, sind Zeichen für eine solche Siegermentalität. Auch beim Auftakt gegen Hoffenheim haben wir einen Rückstand gedreht“, lobt der ehemalige Angreifer aus der Oberliga, der vermehrt auf eigenen Ballbesitz Wert legt. Mit einer Zielvorgabe hält er sich bewusst zurück. „Wir hatten herausfordernde 24 Monate. Unsere finanzielle Situation ist so, dass wir auch nicht auf Rosen gebettet sind wie andere. Wir können das einschätzen, wollen aber trotzdem eine ordentliche Saison spielen."

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Wir hatten herausfordernde 24 Monate. Unsere finanzielle Situation ist so, dass wir auch nicht auf Rosen gebettet sind wie andere. Wir können das einschätzen, wollen aber trotzdem eine ordentliche Saison spielen.
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-Daniel Farke

Die Borussen im Fokus: Am beschaulichen Niederrhein – der im vergangenen Jahrzehnt oft als Musterbeispiel für Kontinuität stand – hoffen sie, mit dem neuen Chef an der Seitenlinie eine langfristige Lösung auf der Trainerbank gefunden zu haben. Bei Adi Hütter und Marco Rose blieb das dem fünfmaligen deutschen Meister verwehrt. Dort, wo Identifikation und Stolz auf die eigenen Farben wichtig ist, kommt jemand wie Farke gut an. „Borussia lebt von Fan-Nähe, damit kann der Club eine enorme Wucht entfachen“, betont der ehemalige Fußballlehrer von Norwich City. Das Herz der eigenen Anhängerschaft dürfte zuletzt ohnehin höher geschlagen haben. In Alassane Pléa und Jonas Hofmann verlängerten zwei umworbene Leistungsträger ihr Arbeitspapier. „Alassane geht in seine mittlerweile fünfte Saison bei uns. Allein die Tatsache, dass er in den zurückliegenden vier Spielzeiten unser insgesamt bester Bundesliga-Torschütze war, zeigt seinen Stellenwert in unserer Mannschaft“, kommentierte Virkus mit Blick auf den einmaligen französischen Auswahlspieler sowie in Bezug auf dessen Kollegen: „Jonas hat hier eine beeindruckende Entwicklung genommen - erst zum Stammspieler und Führungsspieler bei uns, und mittlerweile auch zu einer festen Größe in der deutschen Nationalmannschaft.“

Die Schnittstellen: Beim dreimaligen DFB-Pokalsieger steht in Luca Netz ein ehemaliger Herthaner im Aufgebot. Im Sommer 2021 wechselte unser Eigengewächs von der Spree in den Westen des Landes. Nachdem der Linksverteidiger den Heimauftakt verletzungsbedingt verpasst hatte, ist er umso motivierter. „Ich freue mich natürlich riesig, nach so langer Zeit wieder vor dieser Kulisse spielen zu dürfen“, bekräftigt der 19-Jährige. Und das ausgerechnet gegen seinen Jugendclub, den der Junioren-Nationalspieler nicht aus den Augen verliert. „Hertha ist im DFB-Pokal unglücklich ausgeschieden und auch die ersten beiden Saisonspiele hätten besser laufen können. Nichtsdestotrotz sind viele gute Spieler in der Mannschaft.“ Netz und seine Kollegen sind also gewarnt, werden aber versuchen, „gut in die Zweikämpfe zu kommen und die Räume eng zu halten“. Hans Meyer, Präsidiumsmitglied bei unserem nächsten Gegner, hat eine bestens bekannte Vergangenheit als Trainer unserer Hauptstädter. Thomas Broich, Leiter Methodik, spielte 2004 bis 2006 beim Traditionsverein. 

Abdrehen zum Jubel: Davie Selke nach dem Tor zum 3:0 im Februar 2019.
Abdrehen zum Jubel: Davie Selke nach dem Tor zum 3:0 im Februar 2019.

Die besonderen Duelle: Sechs Kräftemessen bei den Fohlen entschied unsere Alte Dame in der Bundesliga-Historie für sich – das bislang letzte Mal vor etwas mehr als drei Jahren. Im Februar 2019 schossen Salomon Kalou, Ondrej Duda und Davie Selke den ebenso klaren wie verdienten Sieg unserer Elf heraus. Unser damaliger und jetziger Angreifer, der seinerzeit auch den zweiten Treffer von Duda vorbereitet hatte, sagte damals: „Dass wir bei den heimstarken Borussen mit 3:0 gewinnen werden, hatten wir natürlich gehofft, aber so nicht erwartet. Jeder konnte aber unser Potenzial sehen.“ Wiederholung am Freitag? Erwünscht!

Die Meinung über unsere Elf: Auf dem Weg zum zweiten Erfolg im eigenen Stadion rechnet Fußballlehrer Farke mit starker Gegenwehr. „Ich erwarte ein sehr kompliziertes Spiel. Hertha BSC ist ein Verein mit großem Potenzial. Fredi Bobic ist ein sehr erfahrener Manager, der jetzt dabei ist, Hertha seinen Stempel aufzudrücken, Sandro Schwarz ist ein hervorragender Trainer. Man kann schon jetzt seine Handschrift und klare Abläufe erkennen“, sagt der ehemalige Übungsleiter von Dortmunds U23. Insgesamt traut er unserer Alten Dame einiges zu. „Ich bin überzeugt, dass die Mannschaft in dieser Zusammensetzung in dieser Saison viele Punkte einfahren wird. Wir sind voller Respekt vor dem Gegner.“ An der eigenen Zielsetzung ändern diese Worte jedoch nichts. „Auch wir haben viel Qualität und einen guten Start hingelegt. Wir wollen am Freitagabend unseren Lauf an ungeschlagenen Spielen fortsetzen. Dafür müssen wir in allen Bereichen an unser Maximum herankommen und eine Top-Leistung abliefern.“

von Florian Waldkötter