Bo Svensson erteilt Dominik Kohr während des Spiels eine Anweisung.
Profis | 15. September 2022, 15:04 Uhr

Kiek ma, wo dit hinjeht: Mainz

Die Liste der Trainer mit den meisten Einsätzen in der Bundesliga an der Seitenline des 1. FSV Mainz 05 besteht aus prominenten Namen: Auf Thomas Tuchel (170) folgen Jürgen Klopp (102), Martin Schmidt (81) und Sandro Schwarz (78). Anschließend ist schon Bo Svensson (59) an der Reihe. Der Däne hat die Rheinhessen im Januar 2021 auf dem 17. Tabellenplatz des deutschen Oberhauses übernommen und sie längst zurück in ruhiges Fahrwasser gelenkt. Während vor zwei Jahren mit Rang 12 zum Abschluss der Klassenerhalt souverän gelang, verpasste der selbsternannte Karnevalsverein in der zurückliegenden Spielzeit als Achter nur knapp die Qualifikation für den Europapokal. „Viele Kollegen sagen oft, ein Trainer braucht Erfahrung für die Bundesliga. Das macht für mich aber nur einen ganz kleinen Prozentsatz am Gesamtpaket aus. Die Basis für alles – und da lachen immer alle – ist für mich eine überdurchschnittliche Intelligenz“, beschreibt Christian Heidel, Vorstand Sport beim 1. FSV, was aus seiner Sicht ein guter Übungsleiter mitbringen muss. Vor dem anstehenden Auftritt unserer Spreeathener in der rheinland-pfälzischen Hauptstadt hat sich herthabsc.com genauer mit dem Gastgeber beschäftigt.

Die sportliche Situation: Am zurückliegenden Wochenende schrammte die Svensson-Elf bei der 1:4-Niederlage in Sinsheim an einem neuen Vereinsrekord vorbei: Im Falle eines konträren Ausgangs wäre es saisonübergreifend nämlich der fünfte Dreier auf gegnerischem Platz in Folge gewesen. Dabei belegten die Gutenbergstädter 2021/22 die 17. Position in der Auswärtstabelle. „Es ist eine Kopfsache. In der vergangenen Runde war es oft so, als hätten wir Angst vor dem Gegner oder den Fans. Jetzt bestreiten wir die Spiele, als wären es Heimspiele“, versucht Mittelfeldspieler Dominik Kohr dieses Phänomen zu erklären. Drei Siege – und damit so viele wie im gesamten Vorjahr – haben die Mainzer schon in der Fremde eingefahren. Auch wenn es zu Hause – mit einem Zähler aus zwei Partien – noch nicht ganz so rund läuft, stehen Kapitän Silvan Widmer und seine Kollegen derzeit auf einem ordentlichen 6. Platz im Gesamtranking der Bundesliga.

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Es ist eine Kopfsache. In der vergangenen Runde war es oft, als hätten wir Angst vor dem Gegner oder den Fans. Jetzt bestreiten wir die Spiele, als wären es Heimspiele.
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-Dominik Kohr

Die Mainzer im Fokus: Die Rheinhessen müssen gegen unsere Herthaner gleich auf zwei Leistungsträger verzichten. Während Verteidiger Alexander Hack aufgrund einer Rotsperre fehlt, steht Jonathan Burkardt ebenfalls nicht zur Verfügung. Der Angreifer zog sich im Duell mit der TSG Hoffenheim eine Fleischwunde zu. „Seine Auswechslung gab einen Bruch, die Statik war verschoben“, sagt Sportdirektor Schmidt mit Blick auf den 22-Jährigen, der es in der vergangenen Spielzeit auf elf Treffer und drei Vorlagen gebracht hatte. Sturmpartner des deutschen U21-Nationalspielers ist Karim Onisiwo. Der Österreicher hat in der laufenden Saison mit drei Toren bereits seine Qualitäten unter Beweis gestellt. Dabei zeichnen den 30-Jährigen aber nicht nur Treffer aus. „Er ist eine Maschine und ein unglaublicher Team-Player. Ich habe ihm zuletzt oft gesagt, dass er sich zu wenig belohnt hat, für seine Leistungen und sein Kämpferherz. Umso mehr freue ich mich für ihn, dass er so toll in die neue Saison gestartet ist“, verrät Widmer.

Die Schnittstellen: Die Fraktion der ehemaligen Mainzer im blau-weißen Lager ist seit dem Sommer deutlich größer. Im Trainerteam besitzen neben Chef Schwarz auch Assistenztrainer Analyse Daniel Fischer und 'Co' Tamás Bódog eine Vergangenheit in der Heimat der Mainzelmännchen. Letztgenannter war bei dem Aufsteiger von 2009 zunächst selbst als Profi aktiv, in der Folge fungierte der Ungar als Co-Trainer in der Reserve sowie als Scout. „Ich freue mich auf das Wiedersehen. Es ist schön, nach Hause zu kommen und alte Freunde und Bekannte zu treffen. Es wird emotional, aber auch interessant für mich“, so der 51-Jährige. Aus dem Profi-Kader unserer Alten Dame trugen schon Suat Serdar und Jean-Paul Boëtius das rot-weiße Trikot, der Niederländer sogar noch bis vergangenen Mai. „Wir freuen uns darauf, Djanga wieder zu sehen. Wir kennen seine Qualitäten bestens – sowohl mit als auch gegen den Ball. Er war ein wichtiger Spieler auf dem Platz und in der Kabine“, erklärt Svensson. Zudem liefen einst auch Malik Fathi und Sami Allagui für den 1. FSV auf. Beide Ex-Profis sind mittlerweile in unserer Fußball-Akademie als U15-Trainer bzw. als Hospitant in der Spielanalyse tätig.

Lucas Tousart zieht ab.
Damals Kontrahenten, mittlerweile Kollegen: Lucas Tousart und Jean-Paul Boëtius.

Die besonderen Duelle: In Rheinland-Pfalz taten sich unsere Blau-Weißen in der Vergangenheit regelmäßig schwer. Zählbares gab es dort zuletzt beim 1:1-Remis am 29. Spieltag der Saison 2020/21. Damals gelang Lucas Tousart sein Premierentreffer mit der Fahne auf der Brust. „Über mein erstes Tor bin ich natürlich sehr froh, groß feiern konnte ich es aber nicht, da mir nach dieser Szene doch sehr der Rücken schmerzte. Ich freue mich einfach, dem Team geholfen zu haben“, erklärte der Franzose im Anschluss an das erste Duell nach einer Team-Quarantäne. Der bislang letzte Sieg in Mainz gelang derweil im Frühjahr 2015 – Jens Hegeler und Roy Beerens hatten dabei ein 2:0 herausgeschossen. Es wird also langsam Zeit für ein weiteres Erfolgserlebnis.

Die Meinung über unsere Elf: Obwohl die Eindrücke vom jüngsten Aufeinandertreffen im Mai noch frisch sein dürften, weiß Bo Svensson, dass sie nicht mehr viel taugen. „Hertha verfügt inzwischen über eine ganz andere Mannschaft als am Ende der zurückliegenden Saison. Das lässt sich allein an der Offensivreihe erkennen, denn Wilfried Kanga, Dodi Lukébakio und Chidera Ejuke waren zuletzt noch nicht da. Sie verfügen über viel Tempo und individuelle Qualität im Eins-gegen-Eins“, weiß der frühere Verteidiger. „Insgesamt gibt es viele Veränderungen – im Team und mit Sandro als Trainer. Die Berliner besitzen eine gute Struktur. Jeder Spieler scheint seine Aufgabe zu kennen“, so der Fußballlehrer. Über das bevorstehende Treffen mit seinem ehemaligen Kollegen sagt der 43-Jährige: „Ich kenne Sandro seit langer Zeit, wir kommen gut miteinander klar. Es wird bestimmt ein besonderes Spiel für ihn. Ich hoffe, dass er von den Fans gut empfangen wird, denn er ist ein besonderer Mensch und hat die Anerkennung verdient.“

von Erik Schmidt