Dodi Lukébakio bejubelt seinen Treffer gegen den SC Freiburg.
Profis | 14. Oktober 2022, 16:44 Uhr

"Ich fühle mich frei im Kopf!"

Der Ball ruhte und Dodi Lukébakio stand bereit. Als mögliche kurze Anspielstation für Eckballschütze Marvin Plattenhardt war unsere Nummer 14 im Heimspiel gegen den SC Freiburg aus dem Zentrum herausgerückt und auf der rechten Seite frei. Doch unser Kapitän entschied sich für die lange Variante, die Breisgauer klärten und konterten. Anstatt mit dem nicht zustande gekommenen Zuspiel zu hadern, schaltete der Belgier allerdings sofort in den Rückwärtsgang und sprintete in die eigene Hälfte, um gegen Ritsu Dōan die Kugel zu erobern. Ein Symbolbild für die Entwicklung des 25-Jährigen, der sowohl mit Defensivarbeit als auch natürlich in der Offensive zu überzeugen weiß. „Ich habe dazugelernt, ich habe andere Ideen im Kopf und verspüre mehr Lust am Fußball. Das liegt vor allem daran, dass wir in dieser Saison eine gute Mannschaft beisammenhaben, die Jungs helfen mir auf dem Platz – und das verändert alles!“, begründet der Linksfuß sein derzeitiges Formhoch. Vor dem Gastspiel in Leipzig (15.10.22, 18:30 Uhr) hat sich herthabsc.com mit dem Flügelstürmer ausführlich ausgetauscht. Ein Gespräch über Kritik, Leistungssteigerung und Vertrauen.

herthabsc.com: Dodi, erinnerst du dich noch an die 67. Minute im Spiel gegen Freiburg?
Lukébakio: (überlegt) War das nicht das Tor von Suat? (überlegt erneut) Ah nein, stopp, das war mein Sprint zurück, um gegen Dōan zu verteidigen (lacht).

herthabsc.com: Völlig richtig – und dafür gab es Szenenapplaus vom Publikum …
Lukébakio: Ja, echt? Das habe ich gar nicht mitbekommen – ich war im Tunnel!

herthabsc.com: Was bedeuten dir als Offensivspieler solche Szenen?
Lukébakio: Solche Aktionen geben mir einen Push. In dieser Situation – nach einer eigenen Ecke – war es für die gesamte Mannschaft wichtig, dass wir den Ball erobert und den Konter unterbunden haben. Wenn es dafür noch einen Sonderapplaus gibt, motiviert mich das extra, das gibt Luft für weitere solcher Momente!

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Ich spüre viel Vertrauen von meinen Teamkollegen und vom Trainerteam. Ich weiß genau, was ich auf dem Platz zu tun habe.
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-Dodi Lukébakio

herthabsc.com: Aber auch mit dem Toreschießen klappt es bei dir aktuell sehr gut! Gegen Freiburg hast du bereits zum vierten Mal geknipst – doppelt so oft wie in der kompletten vergangenen Saison. Nimm uns mal mit: Welche Gründe gibt es für deine derzeitige Erfolgswelle?
Lukébakio: Ich spüre viel Vertrauen von meinen Teamkollegen und vom Trainerteam. Ich weiß genau, was ich auf dem Platz zu tun habe. Derzeit klappt davon sehr viel. Ich hoffe, dass das auch so bleibt. Wir sind auf einem guten Weg – und müssen uns nun endlich für diesen Aufwand mit einem Sieg belohnen!

herthabsc.com: Besonders erstaunlich ist diese Bilanz, wenn man bedenkt, dass ihr mit einer runderneuten offensiven Dreierreihe agiert. Wie gut funktioniert das Zusammenspiel mit Wilfried Kanga und Chidera Ejuke bereits?
Lukébakio: Für eine neuformierte Offensive klappt das Zusammenspiel bei uns schon sehr gut! Wir sind aber erst am Anfang, da ist noch Luft nach oben und das wird alles Stück für Stück besser. Wir haben eine gute Verbindung zueinander auf dem Rasen. Wir müssen uns mit weiteren Toren und Vorlagen belohnen. Aber auch mit Jove (Stevan Jovetić; Anm. d. Red.), Myziane (Myziane Maolida; Anm. d. Red.), Marco (Marco Richter; Anm. d. Red.) und allen anderen Offensivspielern läuft es sehr gut. Ich bin froh, mit ihnen zusammenspielen zu dürfen – wir haben gute Jungs da vorne.

herthabsc.com: Welchen Anteil an dieser funktionierenden Offensive hat auch Co-Trainer Vedad Ibišević, mit dem du sogar schon selbst gemeinsam auf Torejagd gegangen bist?
Lukébakio: Vedo macht sehr viel! Er spricht vor allem viel mit uns und pusht uns extrem. Dabei versucht er – wie das komplette Trainerteam – das Maximum aus uns herauszuholen. Das tut gut, ist aber auch wichtig für uns. Es kann sein, dass die Leute außerhalb der Kabine das nicht auf Anhieb sehen, aber Vedo spielt eine sehr wichtige Rolle für uns!

Dodi Lukébakio setzt zum Seitfallzieher an.

herthabsc.com: Ein Indiz für deinen positiven Aufschwung ist auch deine auffällige Spielfreude, besonders die Seitfallzieher – egal, ob im Training, bei den Spielen für uns und auch für die Nationalmannschaft – scheinen dir aktuell besonders zu gefallen. Zufall oder Absicht?
Lukébakio: (lacht) Das habt ihr gut beobachtet! Fallrück- oder Seitfallzieher mache ich schon lange sehr, sehr gerne. Bereits als kleines Kind habe ich die schon gerne angesetzt, ich liebe es! Es ist daher kein Zufall, ich trainiere es auch nicht bewusst, das kommt instinktiv und diese Aktionen sind einfach in mir drin.

herthabsc.com: Seit deiner Rückkehr im Sommer nach Berlin hast du dich Schritt für Schritt zurückgekämpft und standest seitdem in allen zehn Pflichtspielen auf dem Feld. Sicherlich auch ein Verdienst von Sandro Schwarz? Was macht er anders als deine bisherigen Übungsleiter?
Lukébakio: Als ich nach Berlin zurückgekommen bin, habe ich lange mit Sandro gesprochen. Er gibt mir ein gutes Gefühl und viel Vertrauen. Der Coach sagt mir ganz ehrlich, was er von mir erwartet. Seine Rolle ist sehr wichtig für mich, es könnte kaum besser laufen mit ihm. Er hat einen großen Anteil daran, dass ich aktuell so glücklich bin und mich frei auf dem Platz fühle.

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Ich wurde zurecht kritisiert, aber die Leute müssen auch verstehen, warum ich kritisiert wurde. Ich bin mit dem Preisschild von 20 Millionen Euro hierhergekommen. Daran wurde ich gemessen.
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-Dodi Lukébakio

herthabsc.com: Kommen wir nochmal zur Einstiegsfrage zurück: In der Vergangenheit wurdest du für dein Defensivverhalten kritisiert, in der aktuellen Saison arbeitest du regelmäßig im Eiltempo nach hinten und bist dir auch für eine Grätsche nicht zu schade. Wodurch hast du den Spaß an der Rückwärtsbewegung gefunden?
Lukébakio: Das ist eine gute Frage, da muss ich aber auch etwas ausholen: Ich wurde zurecht kritisiert, aber die Leute müssen auch verstehen, warum ich kritisiert wurde. Als ich im Sommer 2019 zu Hertha gewechselt war, bin ich mit dem Preisschild von 20 Millionen Euro hierhergekommen. Daran wurde ich gemessen. Zudem war sehr viel neu für mich. Allgemein war es auch keine einfache Phase für den Club. So hat es am Anfang für mich nicht hundertprozentig gepasst, obwohl ich ja trotzdem Topscorer unseres Teams war. Doch ich habe dazugelernt, ich habe andere Ideen im Kopf und verspüre mehr Lust am Fußball. Das liegt vor allem daran, dass wir in dieser Saison eine gute Mannschaft beisammenhaben, die Jungs helfen mir auf dem Platz – und das verändert alles! So probiere ich mein Bestes für das Team zu geben – auch in der Rückwärtsbewegung. Hier spielt auch der Trainer eine wichtige Rolle: Ich fühle mich frei im Kopf, bin klar und weiß genau, was ich möchte. Mittlerweile geht das alles viel leichter und führt dazu, dass viele Leute denken, dass ich ein neuer Dodi bin. Man kann das durch meine Erfahrungen im vergangenen Jahr und auch zuvor schon sagen. Ich möchte vor allem aber betonen, dass wir es alle nur gemeinsam schaffen können – und das funktioniert in der aktuellen Saison bisher sehr gut!

herthabsc.com: Wow, klare Worte, vielen Dank dafür, Dodi! Auch am Samstag (15.10.22, 18:30 Uhr) soll es bei RasenBallsport Leipzig gut für euch laufen. Was für eine Partie erwartest du und welche Dinge machen dir Mut, damit wir auch im sechsten Spiel in Serie ungeschlagen bleiben?
Lukébakio: Das wird ein schwieriges Spiel. Wie jeder weiß, sind die Leipziger eine Topmannschaft! Dennoch wollen wir dort natürlich etwas mitnehmen. Das klappt aber nur mit der nötigen Portion an Mentalität und mit einem klaren Plan!

von Simon Jötten