Wilfried Kanga feiert vor der Ostkurve.
Profis | 27. Oktober 2022, 11:00 Uhr

„Das waren pure Emotionen“

Als sein Schuss die Linie passierte, gab es für Wilfried Kanga kein Halten mehr. Unsere Nummer 18 rannte weiter, übersprang ebenso mühelos die Werbebande hinter dem Tor, wie er zuvor die Schalker Defensive abgeschüttelt hatte – und feierte einen ganz besonderen Moment direkt vor unserer Ostkurve: Den 2:1-Siegtreffer, sein erstes Pflichtspieltor im blau-weißen Trikot. „Ich bin einfach weitergelaufen und habe meinen Gefühlen freien Lauf gelassen. Das waren pure Emotionen, die aus mir herausgebrochen sind“, berichtet der Angreifer, der die Augenblicke mit den Teamkollegen im Gespräch mit herthabsc.com als „Lohn für unseren Zusammenhalt“ bezeichnet. Viel Zeit zum Genießen bleibt dem 1,89-Meter-Mann allerdings nicht, schließlich sind Kanga & Co. bereits am Freitagabend (28.10.22, 20:30 Uhr) in Bremen erneut gefordert. Mit welchen Ansätzen unsere Alte Dame beim SV Werder punkten kann, wie sehr sein Telefon am vergangenen Sonntag glühte und wie groß seine Berliner Heimatgefühle bereits sind, verrät der 24-Jährige im Interview.

herthabsc.com: Willy, zum Einstieg: Wie viele Nachrichten hattest du, als du am Sonntagabend nach dem Schalke-Spiel auf dein Handy geschaut hast?
Kanga: Puh, gezählt habe ich nicht… (lächelt). Aber es war enorm, ich habe extrem viele Glückwünsche und auch unterstützende Worte erhalten. Das hat mich unheimlich gefreut und einen schönen Moment abgerundet.

herthabsc.com: Apropos: Kannst du uns mit etwas Abstand noch einmal erzählen, was dir nach deinem Siegtreffer durch den Kopf gegangen ist? Du bist nach deinem Lauf aufs Tor ansatzlos weiter in Richtung Ostkurve gerannt…
Kanga: … ehrlich gesagt habe ich in diesem Moment gar nicht so viel nachgedacht (lacht). Wenn man nach längerer Zeit so ein Tor, vor allem so ein wichtiges Tor und dann auch noch zu Hause schießt – dann setzt das so viel in einem frei. Ich bin einfach weitergelaufen und habe meinen Gefühlen freien Lauf gelassen, das waren pure Emotionen, die aus mir herausgebrochen sind!

herthabsc.com: Deine Teamkollegen haben sich sehr für dich gefreut, viele haben betont, wie sehr sie dir das Erfolgserlebnis und die Belohnung für deinen Einsatz gönnen. Wie sehr spürst du diesen Rückhalt auch in der täglichen Arbeit mit der Mannschaft und dem Trainerteam?
Kanga: Der Staff, der Coach, die Mitspieler – sie alle haben immer hinter mir gestanden, mich immer angetrieben und immer an mich geglaubt. Das hat es mir leichter gemacht, auch weiterhin in mich selbst und meine Fähigkeiten zu vertrauen. So bin ich drangeblieben und habe einfach immer weiter geackert. Ich wusste, dass es dann irgendwann laufen würde, und genau so kam es. Das habe ich aber auch der Gruppe zu verdanken, die mir den Rückhalt dafür geboten und mich jeden Tag gestärkt hat. Das Tor war der Lohn für unseren Zusammenhalt – und ich möchte der Mannschaft mit weiteren Treffern helfen! Dafür heißt es konzentriert bleiben, hart arbeiten und gleichzeitig immer an die eigenen Fähigkeiten glauben – das ist wichtig, vor allem für uns Angreifer! Mit einem gewissen Selbstbewusstsein und dem nötigen Fleiß kommen dann die Chancen dazu. Davon bin ich überzeugt.

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Das Tor habe ich der Gruppe zu verdanken, die mir Rückhalt geboten und mich gestärkt hat. Jetzt möchte ich der Mannschaft mit weiteren Treffern helfen!
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-Wilfried Kanga

herthabsc.com: Blicken wir mal auf deine ersten Wochen hier bei uns. Wie heimisch fühlst du dich schon im Verein, im Team und in der Stadt?
Kanga: Gott sei Dank schon sehr! Dass meine Familie, meine Kinder bei mir sind und wir uns zusammen in unserem Apartment wohlfühlen – das ist wichtig und das hilft mir enorm. In der Mannschaft fühle ich mich auch wohl. Wir haben hier klasse Arbeitsbedingungen und eine sehr gute Atmosphäre, machen auch mal zusammen Witze, arbeiten aber gleichzeitig extrem konzentriert. Das müssen wir genauso beibehalten, gerade diese Geschlossenheit als Gruppe.

herthabsc.com: Berlin ist nicht völlig neu für dich, du hast uns im Sommer erzählt, dass du ja schon einmal hier warst – hast du in deinen ersten Wochen schon neue Lieblingsplätze in Spreeathen gefunden?
Kanga: Einen bestimmten noch nicht, aber ich versuche, mit meiner Frau und unseren Kids möglichst viel zu entdecken und uns in der Stadt umzuschauen. Es gefällt uns hier allgemein sehr gut, da es so viel zu sehen, aber auch ruhige Ecken gibt. Diese Vielfalt, diese vielen Möglichkeiten sind großartig! Außerdem finde ich die Menschen, denen ich bis jetzt in Berlin begegnet bin, sympathisch. Wir sind glücklich hier!

Stevan Jovetić beglückwünscht Willy Kanga zu seinem Siegtor gegen Schalke.
"Mehr Räume, mehr Varianten": Kanga schätzt die Unterstützung einer zweiten Spitze.

herthabsc.com: Apropos Lieblingsplatz: Zuletzt hast du auf dem Rasen mit Stevan Jovetić eine Doppelspitze gebildet, nachdem du zu Saisonbeginn eher alleine im Sturmzentrum agiert hast. Welche Rolle gefällt dir besser, und kannst du uns erklären wie sich dein Spiel verändert, wenn ein Kollege direkt neben dir stürmt?
Kanga: (überlegt kurz) Eine Präferenz ist vielleicht zu viel gesagt – am Ende liegt es an mir, das umzusetzen, was sich der Trainer und das Team von mir wünschen. Aber ein zweiter Angreifer neben mir bedeutet im Zentrum natürlich mehr Räume, da sich die gegnerische Defensive dann dort nicht nur auf mich konzentrieren darf und wir kürzere Abstände für unser Passspiel haben. Außerdem können wir dann ein bisschen rotieren, einer von uns lässt sich auch mal fallen und so haben wir im Spielverlauf insgesamt mehr Varianten, um die Abwehr zu beschäftigen – ich mag das!

herthabsc.com: Blicken wir zum Abschluss noch einmal auf die kommende Aufgabe. Bereits am Freitag geht es in Bremen weiter. Wie beeinflusst die kurze Arbeitswoche eure Vorbereitung auf Werder?
Kanga: Die Trainingsinhalte ändern sich nicht unbedingt, aber natürlich kommt es für uns dann noch mehr als sonst darauf an, die Vorbereitungszeit optimal zu nutzen. Wir müssen ranklotzen und fleißig arbeiten, um am Freitagabend gut eingestellt und auf den Punkt da zu sein!

herthabsc.com: Bremen ist auswärts stark, tut sich zu Hause aber noch etwas schwer. Wie müsst ihr in der Hansestadt auftreten, um Punkte mit nach Berlin zu nehmen?
Kanga: Von Anfang an müssen wir unseren Gegnerspielern im Nacken sitzen, ihnen bildlich gesprochen an die Gurgel gehen und Werder so auf dem Feld unter Druck setzen. Wir dürfen den Bremern keine Zeit geben, im Spiel anzukommen, dann ist dort wieder etwas für uns drin!

von Konstantin Keller