Exil-Herthaner Maximilien Lambart posiert in unserem Auswärtstrikot.
Fans | 27. Dezember 2022, 14:00 Uhr

Blau-weiße Blicke aus der Normandie

Die klassische, romantische Fußballfan-Sozialisation kennen wir alle: Ein Familienmitglied nimmt das Kind an die Hand, kauft ihm den ersten Schal, das erste Trikot und vor allem die erste Eintrittskarte zu einem Heimspiel seines zukünftigen Clubs. Es ist ein schöner, traditioneller Weg zum Herzensverein – doch beileibe nicht der einzige! Maximilien Lambart kann ein Lied davon singen. Der Franzose fand inmitten einer weltweiten Krise Ablenkung und Freude, als er nach dem coronabedingten Re-Start im Frühjahr 2020 die Bundesliga-Begegnungen schaute. Während der Ball weltweit vielerorts aus Sicherheitsgründen noch ruhen musste, gewann unser Hauptstadtclub in dieser Zeit einen neuen Fan. „Das alles begann, als die deutsche Liga nach der Covid-Unterbrechung als erste wieder Spiele austragen durfte. Mir hat der Fußball gefehlt, also habe ich mir die Bundesliga einmal genauer angesehen“, erinnert sich Lambart im Gespräch mit herthabsc.com.

Ein Landsmann als Liebling

Das umfangreiche Hygienekonzept machte die Geisterspiele überhaupt erst möglich, die der Anhänger in der Normandie aufmerksam verfolgte. „Das erste Spiel, das ich gesehen habe, war der 3:0-Sieg bei der TSG Hoffenheim im Mai 2020. Ich war von der Leistung direkt begeistert. Ein weiterer Pluspunkt waren die Landsleute im Team, insbesondere Lucas Tousart, den ich sehr schätze. Seitdem verpasse ich kein Spiel mehr und halte dem Club die Treue – in guten wie in schlechten Zeiten“, berichtet der 27-Jährige. Unser Mittelfeldakteur ist dabei Lambarts Lieblingsspieler – wenngleich er auch unserem Kapitän gerne bei der Arbeit zusieht. „Bei Tousart gefällt mir, dass er sehr intelligent spielt. Er trifft bei all seinen Bewegungen regelmäßig richtige Entscheidungen, das ist interessant. Marvin Plattenhardt mag ich auch sehr“, erzählt der Herthaner.

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Das erste Spiel, das ich gesehen habe, war der 3:0-Sieg in Hoffenheim im Mai 2020. Ich war direkt begeistert.
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-Maximilien Lambart

Erst Hochzeit, dann Hertha

Die Nummer 21 spielte auch eine prägende Rolle bei Lambarts Lieblingsmoment mit unserer Alten Dame: Die dramatische Rettung beim Relegations-Rückspiel in Hamburg, „Das war definitiv mein emotionales Highlight. In solchen Momenten zeigt sich die wahre Charakterstärke einer Mannschaft und die Spieler haben wirklich alles gegeben“, resümiert der Lehrer.

Live im Stadion konnte er unsere Alte Dame bisher leider noch nicht erleben – der Weg aus der Nähe von Rouen ist weit, der Terminkalender eng getaktet. „Es ist kompliziert, von der Normandie aus direkt nach Deutschland zu kommen. Ich möchte in der Zukunft gerne einmal ein Spiel unserer Mannschaft besuchen, aber vorher steht noch ein besonderes Ereignis für mich an. Im Oktober 2023 werde ich heiraten, das verlangt derzeit meine ganze Aufmerksamkeit und kostet viel Geld“, lacht der Franzose.

Vorerst schnuppert der Exil-Herthaner seine Stadionluft damit weiterhin ganz im Sinne der klassischen Fan-Sozialisation vor allem beim lokalen US Quevilly Rouen Métropole, der in der Ligue 2 spielt. Die blau-weißen Blicke aus der Normandie werden jedoch bleiben. Und eines scheint sicher, wenn man Maximilien Lambart aufmerksam zuhört: Die Stadionpremiere in Spreeathen ist aufgeschoben – aber nicht aufgehoben.

von Konstantin Keller