Thomas Letsch steht mit Leibchen in der Hand auf dem Trainingsplatz.
Profis | 20. Januar 2023, 10:41 Uhr

Kiek ma, wo dit hinjeht: Bochum

Nach einer ungewohnt langen Unterbrechung rollt an diesem Wochenende endlich wieder der Ball im deutschen Oberhaus. Die Vorfreude, nach 68 Tagen erneut um Punkte zu spielen, ist in der kompletten Bundesrepublik zu spüren – so auch im Ruhrpott. „Es fühlt sich an wie der erste Spieltag einer Saison. Eine gewisse Unsicherheit ist wohl bei allen Mannschaften da. Keiner ist im Pflichtspielrhythmus, jeder hat ein anderes Programm hinter sich", sagt Cheftrainer Thomas Letsch, hebt die eigene Motivation aber hervor: „Ich kann nur verraten: Es war eine gute Vorbereitung. Mein Gefühl sagt mir, dass wir bereit sind. Wichtig ist, am Samstag gut zu starten." Vor dem direkten Duell am 16. Spieltag hat herthabsc.com den VfL mal etwas genauer unter die Lupe genommen. 

Die sportliche Situation: An die ersten Spiele der laufenden Saison denken die Verantwortlichen des Aufsteigers von 2021 nur ungern zurück. Nach dem souveränen Klassenerhalt in der vergangenen Runde erwischten die Bochumer mit sechs Niederlagen einen klassischen Fehlstart. Doch dann gelang dem zweimaligen DFB-Pokalfinalisten die erfolgreiche Trendwende: Nach einem Trainerwechsel von Thomas Reiß über Interimscoach Heiko Butscher (ein Spiel, ein Unentschieden) zu Letsch sammelten die Blau-Weißen zwölf Zähler in den folgenden acht Begegnungen (vier Siege, vier Niederlagen). Mit dieser Ausbeute stellte der Traditionsverein den Anschluss an das rettende Ufer her. „Wir haben die positiven Erlebnisse mit in die Pause genommen. Es ist sicherlich ein Vorteil, dass wir zuerst zu Hause spielen. Die Stimmung wird erneut sehr gut sein, wir wollen das Feuer wieder entfachen“, erklärt Letsch vor dem Jahresauftakt gegen unsere Spreeathener.

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Auch wenn ich natürlich noch viele Verbindungen zum VfL habe, zählen am Samstag nur die drei Punkte mit Hertha für mich – und dafür werden wir alles geben!
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-Tjark Ernst

Die Bochumer im Fokus: Ein Erfolgsfaktor unter dem neuen Übungsleiter ist ohne Wenn und Aber die Heimstärke. Die Elf um Kapitän Anthony Losilla, der jüngst seinen Vertrag vorzeitig bis 2024 verlängert hat, gewann alle drei Heimspiele unter der Leitung des 54-jährigen Fußballlehrers – und das zum Teil gegen ambitionierte Gegner aus Frankfurt und Mönchengladbach. Vier aufeinanderfolgende Bundesliga-Siege vor eigenem Publikum feierte der viermalige Zweitliga-Meister seit 1997 nicht mehr. Um weitere Erfolge einzufahren, bedarf es einer Stabilisation der Defensive. Für dieses Vorhaben hat sich der Club aus dem Ruhrpott gleich doppelt verstärkt: Keven Schlotterbeck und Pierre Kunde wechselten im Winter an die Castroper Straße und sollen der Hintermannschaft, die bislang 36 Gegentreffer kassierte, mehr Sicherheit verleihen. „Pierre macht einen sehr guten Eindruck. Wichtig ist nun, dass er die Prinzipien unseres Spielstils verinnerlicht. Er ist auf einem guten Weg. Ich bin sehr, sehr zufrieden mit ihm“, lobt Coach Letsch den 27-Jährigen, der bereits Bundesliga-Erfahrung im Trikot des 1. FSV Mainz 05 sammelte und dabei auch 39 Mal unter Sandro Schwarz auflief.

Die Schnittstellen: Für Tjark Ernst stellt die Dienstreise nach Nordrhein-Westfalen eine ganz besondere Auswärtsfahrt dar. Vor seinem Wechsel im vergangenen Sommer an die Spree verbrachte der Schlussmann den Großteil seiner bisherigen Laufbahn beim VfL. „Aufgrund des Spielplans habe ich lange genug auf die Rückkehr nach Bochum warten müssen. Ich freue mich sehr auf das Wiedersehen gegen die alten Kollegen und das Wiedersehen mit vielen bekannten Gesichtern", beschreibt der deutsche Junioren-Nationalkeeper seine Gefühlslage. Trotz der emotionalen Nähe zum Kontrahenten macht der Torhüter keinen Hehl daraus, dass er den Dreier mit zurück nach Berlin nehmen möchte. „Auch wenn ich natürlich noch viele Verbindungen zum VfL habe, zählen am Samstag nur die drei Punkte mit Hertha für mich – und dafür werden wir alles geben!", verdeutlicht Ernst. Darüber hinaus schnürten unser U23-Coach Ante Čović und unser U19-Co-Trainer Oliver Schröder ihre Schuhe für die Bochumer. Auf der anderen Seite leitet der als "Zaubermaus“ bekannte Dariusz Wosz – der für beide Clubs die Fäden gezogen hat – die Fußballschule des Vereins für Leibesübungen. 

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Hertha hatte viele enge Spiele in dieser Saison, oft haben Kleinigkeiten den Unterschied gemacht. Die Berliner sind sehr gut besetzt und haben sicher das Ziel, in anderen Tabellenregionen unterwegs zu sein.
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-Thomas Letsch

Die besonderen Duelle: Nach zwölfjähriger Abstinenz ging es im September 2021 erstmals wieder tief in den Westen – und dieser Trip hatte sich für alle Blau-Weißen mehr als gelohnt! Ein Doppelschlag von Suat Serdar (37., 43.) und der Premierentreffer von Myziane Maolida (78.) bescherten unseren Herthanern die drei Zähler. „Bei meinen zwei Toren hatte ich auch ein wenig Glück, dennoch waren wir natürlich froh, dass wir mit der Führung in die Pause gegangen sind. Die zweite Hälfte war nicht gut von uns, dennoch mit einem Tor nach einem Schuss sehr effektiv“, kommentierte unsere Nummer 8 damals zufrieden. 

Die Meinung über unsere Elf: Trotz der langen fußballfreien Zeit formuliert Letsch relativ klare Vermutungen, was ihn und seine Mannschaft am Samstag erwarten wird. „Hertha hatte viele enge Spiele in dieser Saison, oft haben Kleinigkeiten den Unterschied gemacht. Die Berliner sind sehr gut besetzt und haben sicher das Ziel, in anderen Tabellenregionen unterwegs zu sein. Ich kann mir vorstellen, dass sie ihren Spielstil anpassen, da ihnen wichtige Offensivspieler fehlen“, so der Übungsleiter im Vorfeld des Kräftemessens auf der Pressekonferenz.

von Simon Jötten