Florian Niederlechner sitzt im Auswärtstrikot mit dem Rücken zur Kamera.
Profis | 18. Januar 2023, 10:52 Uhr

"Sandro Schwarz hat mich sofort gehabt!"

Florian Niederlechner war sichtlich beeindruckt von dem, was er zuvor in einem rund zehnminütigen virtuellen Rundgang zu sehen bekam: Die 130-jährige blau-weiße Vereinsgeschichte – mit all ihren Höhen und Tiefen. „Gerade als es in den Spielertunnel ging, habe ich Gänsehaut bekommen. Nun weiß ich wirklich, was es bedeutet, für Hertha BSC spielen zu dürfen“, sagt unser Winter-Neuzugang mit strahlenden Augen in unserer Traumfabrik. Diese positive Ausstrahlung vermittelte der Mittelstürmer zuvor schon bei seinem ersten Interview mit herthabsc.com. „Ich möchte so schnell wie möglich loslegen und kann es kaum erwarten, Gas zu geben. Darauf freue ich mich unheimlich!“, untermauert unsere Nummer 7 ihren Tatendrang – und weiß, dass es dabei zunächst zu Kommunikationsproblemen kommen kann. „Ich muss mich ein bisschen mit der Sprache zusammenreißen. Ur-Bayrisch und Berlinerisch sind dann doch schon etwas unterschiedlich“, schmunzelt der 32-Jährige, der über seine Wechselgründe, seinen etwas unytpischen Werdegang, den Kontakt zu Maik Franz und die Leidenschaft zum Schafkopf spricht. 

herthabsc.com: Flo, herzlich willkommen in Berlin! Bereits Anfang des Jahres war klar, dass du dich unserer Alten Dame anschließen wirst, nun haben beide Seiten den ursprünglich für Sommer anvisierten Transfer vorgezogen. Nimm uns mal mit: Wie hast du die Entwicklungen in den vergangenen Tagen wahrgenommen?
Niederlechner: Servus, ich freue mich sehr, dass ich jetzt bei Hertha bin. (atmet durch) Die vergangenen Wochen und Tage waren nicht so einfach für mich, da ich innerhalb der Bundesliga zu einem Konkurrenten gewechselt bin, der in derselben Tabellenkonstellation wie der abgebende Verein ist. Diese Konstellation war speziell. Das habe ich ehrlich gesagt auch etwas unterschätzt. Denn der FC Augsburg ist in meinem Herzen drin und ich habe zwei Kinder, die in der Stadt geboren sind. Es war dann so, dass die Verantwortlichen des FCA auf mich zugekommen sind, um mit mir ein längeres Gespräch zu führen. Ich habe gefragt, ob ich nicht jetzt schon im Winter wechseln darf. Dabei waren wir uns einig, dass es für alle Beteiligten die beste Lösung ist, den Transfer vorzuziehen. Ich möchte so schnell wie möglich loslegen und kann es kaum erwarten, hier Gas zu geben. Darauf freue ich mich unheimlich, muss mich aber ein bisschen mit der Sprache zusammenreißen (lacht). Ur-Bayrisch und Berlinerisch sind dann doch schon etwas unterschiedlich (schmunzelt).

herthabsc.com: Welche Argumente waren in den Verhandlungen mit unseren Verantwortlichen schlussendlich ausschlaggebend für deinen Wechsel in die Hauptstadt?
Niederlechner: Das wichtigste Gespräch war ganz klar mit Sandro Schwarz: Er hat mich sofort gehabt! Nach dem Telefonat habe ich meinem Berater direkt gesagt, dass ich sehr gerne zu Hertha wechseln möchte. Ich hatte echt Glück, dass ich eine gute Hinrunde absolviert und viel Spielzeit bekommen habe, aber nach dem Austausch mit Sandro war mir klar, dass ich nur nach Berlin möchte.

Bildergalerie: Die Verpflichtung von Florian Niederlechner in Bildern

herthabsc.com: Aus unserem aktuellen Kader hast du mit Marco Richter, Suat Serdar und Marc Kempf zusammengespielt. Standest du mit den Jungs im Austausch? Gibt es darüber hinaus Schnittmengen zu unserem Verein?
Niederlechner: Mit Marco war ich sehr, sehr oft in Kontakt, auch weil seine Eltern gut mit meiner Familie befreundet sind. Ich verstehe mich unfassbar gut mit ihm und habe schon viele Tipps von ihm bekommen. Er freut sich extrem, dass ich nun bei Hertha bin. Auch Suat hat mir geschrieben, obwohl ich mit ihm nur eine kurze Zeit in Mainz zusammengespielt habe. Mit Marc war ich dreieinhalb Jahre in Freiburg, dort habe ich viel mit ihm unternommen. Von daher freue ich mich sehr auf die drei, aber natürlich auch auf alle anderen, die ich nun kennenlernen darf. Darüber hinaus habe ich tatsächlich mit Maik Franz gesprochen. Ich habe ihn im Winterurlaub getroffen. (schmunzelt) Dabei habe ich ihm gesagt, dass ich aktuell mit Hertha in Kontakt stehe und es sein kann, dass ich nach Berlin gehe. Daraufhin hat er sehr von dem Verein geschwärmt und mir versichert, dass ich mich beim Club und in der Stadt sehr wohlfühlen werde. 

herthabsc.com: Schauen wir mal auf deinen Werdegang: Vom Industriekaufmann über die Landesliga in die Bundesliga. Sagen wir mal so: Es gibt gewöhnlichere Karrierewege. War die Bundesliga jederzeit noch dein Traum? Denn du hast selbst einmal gesagt, dass du voraussichtlich nicht den Sprung zum Profi geschafft hättest, wenn du in einem Nachwuchsleistungszentrum gewesen wärst.
Niederlechner: Ich war damals noch als 19-Jähriger in der Landesliga und habe gleichzeitig eine Ausbildung zum Industriekaufmann gemacht. In der Zeit hätten mich viele ausgelacht, wenn ich damals von Bundesliga gesprochen hätte. Ich hatte eine coole Zeit und auch viel Spaß in dem Job. Aber als mir dann die SpVgg Unterhaching einen Profivertrag angeboten hat, wollte ich das unbedingt machen. Damals in der 3. Liga hätte ich niemals damit gerechnet, dass ich irgendwann in der 2. Bundesliga spielen werde und genauso war es, als ich dann dort angekommen bin. Mittlerweile spiele ich meine achte Bundesliga-Saison – das ist Wahnsinn! Wenn ich sehe, wo ich vor zehn Jahren war und wo ich nun bin, ist das schon ein cooler Film.

herthabsc.com: Inzwischen hast du knapp 200 Bundesliga-Spiele auf dem Buckel und dabei 65 Scorerpunkte verbucht. Deine Qualitäten vor dem gegnerischen Gehäuse sind schon lange kein Geheimnis mehr. Wie charakterisierst du deine Spielweise?
Niederlechner: Erstmal spreche ich wenig überraschend nicht gerne über mich (schmunzelt). So ehrlich kann ich sein: Ich bin ein Spieler, der physisch alles für seinen Verein raushaut. Die Hertha-Fans werden schnell merken, dass da vorne einer rumläuft, der sich für seinen Club zerreißt. Wenn es dann auch mit Toren und Vorlagen klappt, ist es für mich als Stürmer noch schöner.

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Ich hatte damals in Mainz schon einen guten Draht zu Sandro Schwarz. Er spielt eine große Rolle, warum ich nun bei Hertha bin.
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-Florian Niederlechner

herthabsc.com: Beim Blick auf deine Statistiken ist uns zudem auch ein kurioser Fakt aufgefallen, mit dem du es in die Geschichtsbücher der Bundesliga geschafft hast. Du wirst sicherlich wissen, wovon wir sprechen ... 
Niederlechner: ... das musste ja kommen (schmunzelt). Ich weiß natürlich, worauf ihr abzielen möchtet: Ich habe mir die schnellste gelbe Karte abgeholt. Diese Frage taucht fast in jedem Interview mit mir auf. Es ist ja ganz klar, dass ich auch mal einen Bundesliga-Rekord aufstellen wollte, dann ist es das geworden (lacht). Spaß bei Seite: Das war für meinen Ex-Verein Mainz 05 und ging relativ schnell, als der Ellenbogen im Gesicht des Gegners war, natürlich unabsichtlich. Es ist nun mal so passiert, ob ich darüber glücklich bin, weiß ich nicht – wenigstens wird darüber gesprochen (grinst).

herthabsc.com: Apropos Mainz: Als du beim FSV gespielt hast, war ein gewisser Sandro Schwarz Trainer der U23. Bestand damals schon Kontakt?
Niederlechner: Die Profis und die Amateure waren damals im gleichen Zentrum untergebracht, da sind wir uns schon sehr oft über den Weg gelaufen. Ich hatte einige Berührungspunkte mit der zweiten Mannschaft und dort habe ich oft mit Sandro gesprochen. Wir hatten damals schon einen guten Draht zueinander. Er spielt eine große Rolle, warum ich nun bei Hertha bin.

herthabsc.com: Auffällig ist zudem, dass du deine bisherige Laufbahn weitestgehend in Süddeutschland verbracht hast. Nun folgt der Schritt nach Berlin. Wie intensiv hast du dich schon mit der Hauptstadt beschäftigt?
Niederlechner: Als ich gemerkt habe, dass der Transfer bereits im Winter zustande kommen kann, habe ich schon mal nach einer Wohnung in Berlin geschaut. Ich bin ein großer Familienmensch, sie ist das Wichtigste für mich. Ich habe zwei kleine Kinder und eine super Frau und möchte, dass sie so schnell wie möglich nachkommen. Von daher drücke ich bei der Wohnungssuche ordentlich aufs Tempo. Marco Richter hat mir auch schon die eine oder andere Ecke empfohlen. Ich freue mich sehr, die Stadt zu erkunden und glaube, dass ich mit meinen Kids relativ schnell den Zoo besuchen werde. Ich hoffe, dass die Zeit in Berlin wundervoll wird und werde alles dafür geben, dass beide Seiten Spaß haben.

Florian Niederlechner sitzt in der Traumfabrik und blickt auf den Monitor.

herthabsc.com: Die Frage darf natürlich nicht fehlen: Welche Ziele hast du dir mit unseren Blau-Weißen gesetzt? 
Niederlechner: Persönlich möchte ich so viel spielen wie möglich und zahlreiche Scorerpunkte sammeln. Aber ich bin da auch ganz ehrlich: Ich bin 32 Jahre alt und werde sicherlich kein Nationalspieler mehr – deshalb ist es für mich am wichtigsten, dass wir als Mannschaft erfolgreich sind. Kurzfristig wollen wir den Klassenerhalt vorzeitig fix machen. Dafür werde ich alles tun, auch wenn ich mir leider im letzten Testspiel mit Augsburg eine kleinere Verletzung zugezogen habe. Deswegen kommt das Spiel am Samstag in Bochum auch noch zu früh für mich.

herthabsc.com: Da wünschen wir natürlich die bestmögliche Genesung! Gestatte uns zum Abschluss noch eine private Frage: Wie verbringst du abseits des Fußballs deine Zeit? Stichwort Schafkopf.
Niederlechner: Am liebste verbringe ich Zeit mit meinen Kindern. Außerdem werde ich hier in Berlin sicherlich ganz oft zum Eishockey gehen, da ich ein großer Fan dieser Sportart bin. Schafkopf habt ihr ja schon angesprochen, aber ich glaube nicht, dass wir hier bei Hertha eine große Runde zusammenbekommen. Ich weiß nicht, wie viele Jungs hier überhaupt die bayrischen Karten lesen können (lacht). Am Montag war ich beispielsweise auf einem großen Turnier von Sky-Moderator Michael Leopold eingeladen, aber in diesen Tagen gab es nun wesentlich wichtigere Dinge. Ich freue mich auf eine schöne Zeit!

von Simon Jötten