Stephan Schmidt gibt von der Seitenlinie die Richtung vor.
Akademie | 16. Februar 2023, 14:13 Uhr

„Wir lassen uns nichts gefallen und spielen mit Herz!"

Stephan Schmidts erster Berührungspunkt mit unseren Blau-Weißen liegt lange zurück: Von 2003 bis 2005 absolvierte der 46-Jährige für unsere zweite Mannschaft 50 Spiele, bevor er nach seinem Karriereende Co-Trainer unserer U19 wurde. Dieses Amt hatte der gebürtige Berliner zwischen 2007 und 2009 inne. Anschließend ging es für unseren Übungsleiter durch ganz Deutschland, war er doch unter anderem Cheftrainer des SC Paderborn, von Energie Cottbus und den Würzburger Kickers. Knapp zwanzig Jahre nach seinem ersten Engagement bei unseren Hauptstädtern ist Schmidt nun seit vergangenem Sommer als Trainer der U17 zurück in unserer Akademie. herthabsc.com hat mit dem Coach über seine Beweggründe für die Rückkehr, typischen Berliner Fußball zu spielen und seine Schützlinge aus unserer B-Jugend geredet.

herthabsc.com: Hi Stephan, danke dass du dir Zeit für uns nimmst. Du bist im Sommer nach Berlin zurückgekehrt. Nimm uns mal mit: Was waren deine Gründe für deinen Wechsel?
Schmidt: Ich durfte in den vergangenen Jahren wertvolle Erfahrungen als Trainer sammeln. Jetzt ergab sich die Möglichkeit wieder zurückzukommen – und es gibt nichts Schöneres als Berliner Luft zu atmen! Ich bin froh, wieder in der Heimat zu sein und meine Erinnerungen von damals beeinflussen gleichzeitig die Zukunft. Als Spieler hatte ich das Glück mit der damaligen Zukunft von Hertha – unter anderem Prince Boateng, Ashkan Dejagah, Christian Müller und Patrick Ebert – in der U23 zu spielen. Das hat mich ein Stück weit geprägt, denn die Jungs zu begleiten war genau das, worin ich meine eigene Zukunft gesehen habe.

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Unsere Jugendarbeit genießt nicht nur national, sondern auch international einen hervorragenden Ruf – das habe ich vor allem in Gesprächen mit Menschen aus England und Spanien gemerkt.
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-Stephan Schmidt

Stephan Schmidt steht lächelnd mit verschränkten Armen an der Seitenlinie.
Stephan Schmidt hat an der Seitenlinie alles im Griff.

herthabsc.com: Wie gestaltete sich der Übergang von deiner Spieler- zur Trainerlaufbahn?
Schmidt: Ich hatte das Glück, dass der Verein mir nach meiner aktiven Karriere direkt den Job als Co-Trainer angeboten hat. Da habe ich sehr viel mitgenommen, bevor ich 2009 das Angebot von Felix Magath aus Wolfsburg bekommen habe, dort als Cheftrainer die U19 zu betreuen. Das war ein wichtiger weiterer Schritt und eine sehr spannende und abwechslungsreiche Zeit. Vor knapp zwei Wochen habe ich einen meiner Spieler von damals wieder in den Arm nehmen dürfen: Tolga Ciğerci. Wenn man sich nach so langer Zeit wiedersieht und trotzdem so eine freundschaftliche Beziehung hat, spiegelt das alles perfekt wider: Zum einen die schöne gemeinsame Zeit, zum anderen den Grund, warum ich Trainer geworden bin.

herthabsc.com: Da du viele Vergleichsmöglichkeiten hast: Was zeichnet unsere Akademie deiner Meinung nach besonders aus?
Schmidt: Wir haben das Plus, dass wir mit Berlin und Brandenburg ein enorm großes Einzugsgebiet haben und dadurch viele Talente für uns gewinnen können. Unsere Jugendarbeit genießt nicht nur national, sondern auch international einen hervorragenden Ruf – das habe ich vor allem in Gesprächen mit Menschen aus England und Spanien gemerkt. Dieses Standing haben wir uns hart erarbeitet und es basiert vor allem auf den vielen Spielern, die in unserer Akademie zum Profi gereift sind. Deswegen ist es unsere Herausforderung, diese Vision auch in Zukunft mit Leben zu füllen.

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Wir wollen die Berliner Mentalität auf den Platz bringen. Das bedeutet, dass wir uns nichts gefallen lassen, mit viel Herz spielen und zeigen, dass wir kicken können. Das ist mehr wert als jedes taktische System!
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-Stephan Schmidt

herthabsc.com: Inwiefern kann man eigentlich als Trainer in einer Akademie eine eigene Spielphilosophie entwickeln? Und wie würdest du deine beschreiben?
Schmidt: Es geht gar nicht um den Trainer Stephan Schmidt, sondern an erster Stelle um die Jungs. Wir versuchen unsere Spieler als Team bestmöglich zu unterstützen, ihnen Verantwortung zu übertragen und Vertrauen zu schenken, damit sie sich innerhalb der maximal gestellten Anforderungen bestmöglich entwickeln. Das ist unser klarer Auftrag und unsere Pflicht als Trainer, das steht im absoluten Vordergrund. Was die Spielphilosophie betrifft: Wir wollen die Berliner Mentalität auf den Platz bringen. Das bedeutet, dass wir uns nichts gefallen lassen, mit viel Herz spielen und zeigen, dass wir kicken können. Das ist mehr wert als jedes taktische System!

herthabsc.com: In welchen Punkten unterscheidet sich die Arbeit eines Profi-Trainers von der eines Nachwuchscoaches und konntest du deine Erfahrungen in beiden Bereichen einbringen?
Schmidt: Unser Einstieg als Trainerteam bei der U17 im vergangenen Sommer hat das eindrucksvoll gezeigt. Einige Leistungsträger waren verletzt und dann kamen die beiden wichtigsten Begriffe ins Spiel, die es im Ausbildungsbereich gibt: Zeit und Geduld. Genau die ist im Profi-Bereich deutlich knapper. In erster Linie geht es um Ergebnisse, die Trainer sind abhängiger vom Tagesgeschäft. Davon machen wir uns im Jugendbereich freier und bewerten nicht nur das Resultat vom Wochenende, sondern in erster Linie unsere Entwicklung und wachsende Kontinuität.

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Ich bin insgesamt dankbar dafür, ein Trainer- und Funktionsteam zu haben, in dem jeder und jede alles investiert und das auf jeder Position.
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-Stephan Schmidt

Stephan Schmidt umarmt Mittelfeldspieler Julius Gottschalk an der Seitenlinie.
Stephan Schmidt herzt seinen Mittelfeldspieler Julius Gottschalk.

herthabsc.com: Du sprichst es bereits an: Zu Beginn der Saison hattet ihr mit einigen Problemen zu kämpfen – nach acht Spieltagen standen acht Punkte zu Buche. Worauf führst du die Startschwierigkeiten zurück?
Schmidt: Wenn tragende Figuren unserer Mannschaft fehlen, dann heißt es vor allem, die Kernbotschaften – Zeit und Geduld – mit Leben zu füllen. Somit haben andere Spieler aus unserer Mannschaft deutlich mehr Minuten bekommen und wir haben jüngere Akteure eingebaut, die vor allem aus der U16 gekommen sind. Dadurch haben wir mit einer blutjungen Mannschaft in der B-Junioren-Bundesliga Nord/Nordost wertvolle Erfahrungen gesammelt und waren mit der Art und Weise, wie wir diese Partien bestritten haben, sehr zufrieden. Es ist völlig normal, dass dieser Prozess angedauert hat, bis sich das in den Ergebnissen widergespiegelte.

herthabsc.com: Warst du da nicht nur als Trainer, sondern auch als Psychologe gefragt?
Schmidt: Ich bin insgesamt dankbar dafür, ein Trainer- und Funktionsteam zu haben, in dem jeder und jede alles investiert und das auf jeder Position. Ob unsere Betreuer, unser Co- und Athletiktrainer und die anderen im Funktionsteam – alle versprühen eine positive Energie und unterstützen unsere Jungs bestmöglich. Es ist entscheidend, dass wir unabhängig vom Ergebnis am Wochenende Spaß und Begeisterung reinbringen. Die Spieler müssen spüren, dass wir ihnen vertrauen und vor allem, dass sie auch Fehler machen dürfen. Beim gesamten Team hast du deutlich gespürt, dass sie es besser machen wollen. Lockerheit und Überzeugung sind dabei die besten Ratgeber. Es zeigt unseren kompletten Entwicklungsprozess, sowohl individuell als auch als Mannschaft, dass unsere Formkurve dann so steil angestiegen ist.

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Es gibt einen Hauptgrund für diesen erfolgreichen Weg und das Zauberwort heißt: Stabilität. Wir haben uns die nötige Zeit dafür genommen und sind von Woche zu Woche konstanter geworden.
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-Stephan Schmidt

herthabsc.com: Seitdem läuft es hervorragend: Zum Jahresabschluss gab es sieben Pflichtspielsiege in Folge. Was war ausschlaggebend für den Erfolg?
Schmidt: Einige Partien, die wir erfolgreich gestaltet haben, hätten wir auch noch höher gewinnen können. Es gibt einen Hauptgrund für diesen erfolgreichen Weg und das Zauberwort heißt: Stabilität. Wir haben uns die nötige Zeit dafür genommen und sind von Woche zu Woche konstanter geworden. Das spiegelte sich mehr als deutlich in unseren Spielen wider. Bis zum Sommer wollen wir weitere Schritte in unserer Entwicklung gehen.

herthabsc.com: Nun geht es am Samstag (18.02.23, 13:00 Uhr) zum Chemnitzer FC. Worauf kommt es beim Pflichtspielstart 2023 für euch an und was sind deine Ziele für die restliche Spielzeit?
Schmidt: Es geht gegen einen sehr heimstarken Gegner, der schon viele Spitzenmannschaften geschlagen hat, deswegen bewegen wir uns am Wochenende auf Augenhöhe – nicht nur tabellarisch. Mir gefällt diese Herausforderung, weil uns Chemnitz physisch und mental an unsere Grenzen bringen wird. Generell freue mich sehr, dass es wieder losgeht! Die Vorbereitung war ganz schön lang und wir alle lieben den Wettkampf. Wir haben nur noch drei Spiele in der regulären Saison – und in denen wollen wir ans absolute Leistungsmaximum kommen!

von Nicolaus Seiler