Lucas Tousart, Suat Serdar, Dodi Lukébakio und Oliver Christensen stehen geknickt vor der Ostkurve.
Profis | 23. April 2023, 11:30 Uhr

Kopfsachen

Wer weiß, wie die 90 Minuten zwischen Werder Bremen und unseren Blau-Weißen verlaufen wären, wenn die Herthaner sich bereits nach drei Minuten für ihren aktiven und aggressiven Beginn belohnt hätten. Doch nachdem Jiří Pavlenka gegen Dodi Lukébakio stark pariert hatte und auch die nachfolgenden Ecken kein Tor brachten, nutzten die Gäste von der Weser wenige Augenblicke später ihre erste Möglichkeit durch Marvin Ducksch (6.). „Zu Beginn hatten wir zwei Chancen, im Gegenzug hat Werder das Tor gemacht. Das war direkt der schwierigste Moment, nach dem alles etwas zusammengebrochen ist“, analysierte Pál Dárdai, der sich im Vorfeld für sein Comeback auf unserer Bank nach 511 Tagen noch sehnlichst eine Führung für sein Team gewünscht hatte. Auch Gästecoach Ole Werner betonte auf der anschließenden Pressekonferenz die Wichtigkeit dieses frühen ersten Treffers, der die Gäste beflügelte und bei unseren Jungs eine „mentale Blockade“ auslöste, wie Coach Dárdai es beschrieb. „Ich glaube nicht, dass wir weniger gelaufen sind oder deutlich in den Zweikämpfen unterlegen waren. Das große Problem liegt in der Birne. Die Mannschaft ist verunsichert, dieses Spiel wurde in den Köpfen entschieden“, unterstrich der Ungar, dessen Team mit 54 Prozent in der Tat insgesamt mehr direkte Duelle gewann.

Zu viele Fehler – Steigerung in Durchgang zwei

Die Verunsicherung konnten unsere Berliner im ersten Durchgang dennoch nicht überwinden. So blieb der SVW die dominante Elf und baute die eigene Führung durch einen Kopfball von Ducksch aus (27.). Die Norddeutschen hätten im ersten Durchgang sogar noch eine höhere Führung herausspielen können. Unseren Spreeathenern gelang bis auf einen zu hoch angesetzten Abschluss von Jubilar Tolga Ciğerci (33.), der sein 50. Bundesliga-Spiel mit der Fahne auf der Brust bestritt, offensiv nicht viel. Auch nach dem Seitenwechsel verbesserte sich das Bild aus blau-weißer Sicht zunächst kaum. „Wir kassieren zu viele Tore und müssen versuchen, endlich die Null zu halten“, brachte Prince Boateng die Problematik auf den Punkt. Unser Trainer machte „sehr viele individuelle Fehler“, bei seinem Team aus, Grün-Weiß durch Ducksch (51.) und Mitchell Weiser (63.) den Deckel auf die Begegnung. „Da müssen wir vieles korrigieren, aber nach der deutlichen Führung hat sich in der zweiten Hälfte vom Willen und vom Charakter her einiges bei uns bewegt“, so Dárdai, der anschließend tatsächlich ein Aufbäumen seiner Elf beobachten konnte.

Prince Boateng mit einem Schussversuch gegen den SV Werder Bremen.
„Wir brauchen die Fans – ich weiß, dass es schwer ist, es tut weh“, sagte Prince Boateng.

Verständnis für den enttäuschten Anhang

Jessic Ngankam (68.) und Lukébakio per Strafstoß (79.) verkürzten den Rückstand, die Heimniederlage war für unsere Hauptstädter aber nicht mehr zu verhindern. „Ich bin selbst sehr sauer auf mich und das Team. Wir haben nicht bewiesen, wie heiß wir waren. Das müssen wir uns ankreiden lassen. Aber dennoch: Wir sind noch nicht abgestiegen und glauben an uns“, fasste Marco Richter seine Gefühlslage anschließend zusammen. Sauer waren auch die Anhängerinnen und Anhänger, für deren enttäuschte Reaktionen Prince Verständnis hatte. „Wir brauchen die Fans – ich weiß, dass es schwer ist. Ich bin selbst einer, es tut sehr weh.“ Der Routinier sah jedoch vor der kommenden anspruchsvollen Aufgabe beim FC Bayern München (30.04.23, 15:30 Uhr) mögliche Ansatzpunkte. „Es gilt an das anzuknüpfen, was wir nach der Pause besser als vorher gemacht haben. Man muss Pál auch ein bisschen Zeit geben, er wird seine Schlüsse ziehen und positiv bleiben.“

Zusammen die Köpfe freibekommen

Coach Dárdai, der sein Team noch auf dem Rasen des Olympiastadions kurz um sich versammelt hatte, betonte ebenfalls die Bedeutung der eigenen mentalen Stabilität. „Wir müssen es hinkriegen, zusammen etwas zu schaffen und die Köpfe freibekommen. Dafür gibt es genug Methoden“, sagte der Ungar. Unserer Clubikone hatte auch an diesem enttäuschenden Nachmittag positive Punkte für die gemeinsame Mission ausgemacht: „Dass wir auch Tore geschossen haben, dass wir Schnelligkeit gezeigt haben und dass einige Spieler wieder fit werden“, zählte Dárdai diese auf, und spielte damit unter anderem auf das Comeback von Chidera Ejuke an. „Er ist ein wichtiger Spieler, den wir weiter aufbauen werden, sodass er uns im kommenden Heimspiel helfen kann.“

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Es geht nicht um irgendetwas – es geht ums Überleben.
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-Pál Dárdai

Mit Disziplin und Bereitschaft gemeinsam in den Schlussspurt

Unser Übungsleiter betonte abschließend noch einmal die Bedeutung des Rückhalts der Anhängerinnen und Anhänger. „Wir haben Top-Fans, die gut mitmachen und die wir brauchen!“ Mit ihnen, mit euch im Rücken reist unser Team nun in Richtung Süden, ehe das erste von zwei Heim-Finals gegen den VfB Stuttgart (06.05.23, 15:30 Uhr, Tickets hier) ansteht. Unser Coach stellte eine zentrale Botschaft heraus: Wir Herthaner stehen im Kampf um den Klassenerhalt zusammen. „Es geht nicht um irgendetwas – es geht ums Überleben. Ich muss das mit der Dárdai-Hartnäckigkeit vorleben, und mit Disziplin und Bereitschaft werden wir es schaffen, davon bin ich fest überzeugt!“

Unseren Nachbericht gibt es auch in Leichter Sprache.

von Konstantin Keller