Prof. Thomas Sakschewski steht vor dem blau-weißen Welcomeboard an der Geschäftsstelle.
Engagement | 24. April 2023, 17:00 Uhr

„Nachhaltigkeit soll Spaß machen“

Stadion statt Hörsaal, rundes Kunstleder statt schwerer Fachliteratur – beim Heimspiel unserer Herthaner gegen den SV Werder Bremen war eine Seminargruppe der Berliner Hochschule für Technik (BHT) zu Gast. Während des Sommersemesters kooperiert unser Hauptstadtclub mit der Bildungseinrichtung. Die Studierenden des Studiengangs 'Theater- und Veranstaltungstechnik und –management' beschäftigen sich in diesem Rahmen mit Großveranstaltungen im Profifußball. Bereits im Vorfeld stand eine Exkursion in unsere Geschäftsstelle inklusive eines Austausches mit der blau-weißen Nachhaltigkeitsabteilung sowie einer Führung durch das Olympiastadion auf dem Plan. Rund um das Duell mit den Hanseaten sammelten die Frauen und Männer, die sich speziell Themen wie Catering, Abfallmanagement und Mobilität widmen, nun Einblicke in die Abläufe am Spieltag. Ziel der Studierenden ist es, einen wissenschaftlich fundierten Input sowie Konzepte für die Weiterentwicklung von Nachhaltigkeit am Spieltag zu liefern. „Es geht nicht darum, ein schlechtes Gewissen zu vermitteln – Nachhaltigkeit soll Spaß machen“, erklärte Prof. Thomas Sakschewski. Im Interview sprach der Experte für Veranstaltungsmanagement über Potenziale, Perspektiven und den nächsten Schritt.

herthabsc.com: Herr Professor Sakschewski, bei einem Heimspiel kommen bis zu 75.000 Menschen im Olympiastadion zusammen: Welche Bereiche gibt es dabei, die für nachhaltiges Veranstaltungsmanagement relevant sind? 
Prof. Thomas Sakschewski: Wir müssen uns vor allem den so genannten Modal Split anschauen, also analysieren, welche Verkehrsmittel zum Einsatz kommen. Die Besucherinnen und Besucher kennen das Stadion. Sie wissen, wie sie am besten dort hinkommen. Sie wissen vielleicht auch, wo sie mit ihrem Auto parken können. Wir müssen also prüfen, wieviele Personen S- und U-Bahn nutzen, und ob sie die nur für die eine Station brauchen oder die gesamte Anreise mit dem ÖPNV machen. Außerdem gilt es, die Anfahrt mit dem Fahrrad attraktiver zu gestalten. Ist ein blau-weißer Fahrradcorso auf der Heerstraße realistisch? Neben der An- und Abreise schauen wir uns aber auch die Energie- und Essensversorgung sowie die Mülltrennung genauer an. 

herthabsc.com: Seit kurzem läuft das gemeinsame Forschungsprojekt der Berliner Hochschule für Technik (BHT) und Hertha BSC, das die Heimspiele aus einer nachhaltigen Perspektive untersucht. Wie sieht die Zusammenarbeit konkret aus?
Prof. Thomas Sakschewski: Das Projekt ist als Lehrforschungsprojekt in das Seminar 'Veranstaltungslogistik und -nachhaltigkeit' integriert. Dabei entwickeln die Studierenden für Handlungsfelder wie Soziales, Mobilität oder Energie Maßnahmen, die durch geeignete Indikatoren gemessen werden können. Die Überprüfung und Messung erfolgt dann durch Studien vor Ort, wie Befragungen, Beobachtungen oder Zählungen. Hertha BSC stellt den Handlungsrahmen, begleitet und unterstützt die Studierenden bei der Umsetzung. 

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Hertha BSC stellt den Handlungsrahmen, begleitet und unterstützt die Studierenden bei der Umsetzung. Es geht nicht darum, ein schlechtes Gewissen zu vermitteln – Nachhaltigkeit soll Spaß machen. 
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-Prof. Thomas Sakschewski

Die Seminargruppe der BHT steht vor dem Olympistadion.
Die Seminargruppe der BHT war beim Heimspiel gegen den SV Werder Bremen zu Besuch im Olympiastadion.

herthabsc.com: Wie lassen sich Ihrer Meinung nach Anreize für ein nachhaltiges Verhalten der Fans rund um einen Spieltag schaffen?
Prof. Thomas Sakschewski: Wir haben bei Untersuchungen von Seeed-Konzerten festgestellt, dass Erklärungen viel helfen. Wenn man weiß, dass ein Zigarettenstummel bis zu 1.000 Liter Grundwasser kontaminieren kann, dann fällt einem das unbedachte Wegschnippen der Kippe nicht mehr so leicht. Aber es geht nicht darum, ein schlechtes Gewissen zu vermitteln – Nachhaltigkeit soll Spaß machen. Im Rahmen des zurückliegenden Forschungsprojekts hatten die Studierenden sehr gute Ideen zum spielerischen Umgang mit der Thematik. Bei 'Wastification' begrüßen beispielsweise Audio- und Lichtsignale jeden Treffer in einen Mülleimer. Vielleicht können wir da in den kommenden Wochen Prototypen umsetzen. Und ehrlich gesagt, obwohl ich sehr gerne Fleisch esse, ziehe ich einen Grünkernburger den meisten Fleischvarianten vor.

herthabsc.com: Welche Gründe gibt es Ihres Erachtens für Hertha BSC, Heimspiele im Olympiastadion nachhaltiger zu gestalten?
Prof. Thomas Sakschewski: Erstens glaube ich, dass es mittelfristig nicht nur um Heim- sondern auch um Gastspiele gehen muss. Zweitens bleibt Hertha BSC und allen anderen Fußballvereinen gar nichts anderes übrig, als den nächsten Schritt zu gehen. Fußball findet nicht außerhalb der Gesellschaft statt, sondern mittendrin. Soll Fußball auch in Zukunft auf Rasenflächen gespielt werden und nicht als kommerzielles Mega-Event für ein ausgesuchtes Publikum in einer Wüste, dann muss Nachhaltigkeit gelebte Praxis der Ligen, der Sponsoren, der Vereine, der Arenen und Stadien, der Spieler und der Fans sein. 

von Hertha BSC