Exil-Herthaner Francesco Trione posiert in unserem Auswärtstrikot.
Fans | 3. Juni 2023, 12:00 Uhr

Blau-weiße Liebe auf Papier

Wie wichtig Bücher für die Entwicklung eines Menschen im Kindesalter sind, ist hinlänglich bekannt. Sie fördern Lesekompetenz, Sprachkenntnis und Verständigungsfähigkeit. Zusätzlich vermitteln die gedruckten Worte wichtige Lektionen und Inhalte, die langfristig prägen. Das kann sogar so weit führen, dass ein junger Italiener ein Faible für unsere Alte Dame entwickelt. Aber der Reihe nach: Im Alter von zwölf Jahren bekam Francesco Trione, der im süditalienischen Pagani aufwuchs, von seiner Mutter ein Buch über die Geschichte Berlins geschenkt. Hals über Kopf verguckte sich der damalige Schüler anschließend in die deutsche Metropole. „Ich mag die Historie. Genau wie die Stärke der Bewohnerinnen und Bewohner, mit der sie es immer geschafft haben, sich von Schwierigkeiten zu erholen und neu anzufangen. Aber auch den kosmopolitischen und multikulturellen Geist“, erzählt der 39-Jährige im Gespräch mit herthabsc.com enthusiastisch.

Francesco Trione posiert mit seinem Ostkurven-Schal in Süditalien.

Der Weg zur Alten Dame

Die Faszination des sportbegeisterten jungen Mannes wuchs und wuchs in der Folge, bis sie sich fast logischerweise bis hin zum Fußball ausgebreitet hatte. Für Hertha BSC verspürte Trione direkt Sympathien. „Ich kann gar nicht so genau beschreiben, weshalb mich der Verein und seine Farben in ihren Bann gezogen haben. Es war ganz einfach Liebe auf den ersten Blick“, beschreibt der Paganesi seine Begeisterung für den Berliner Sport-Club. Die Leidenschaft brachte aber so einige Herausforderungen mit sich. Vor allem gestaltete sich die Beschaffung blau-weißer Informationen vor dem Internet-Zeitalter und rund 1.300 Kilometer Luftlinie vom Olympiastadion entfernt schwierig. Zusammenfassungen und Live-Übertragungen der Partien unserer Herthaner stellten ohne die heutigen Streamingdienste ebenso große Probleme dar. Daher musste der Exil-Herthaner andere Wege finden, um auf dem Laufenden zu bleiben. Die Lösung? Die gedruckte Presse. Woche für Woche durchforstete der junge Fußball-Enthusiast die Sportzeitungen nach den Ergebnissen unseres Clubs.

Endlich mittendrin

Ehe Trione die Stadt und den Verein, die er ins Herz geschlossen hatte, endlich hautnah erleben durfte, musste er eine Weile warten: 2002 war es für den gerade 18-Jährigen endlich so weit – und sein erster Besuch in unserer Hauptstadt sollte nicht der letzte bleiben. Nachdem der Blau-Weiße in den Folgejahren sein Studium in Politikwissenschaften absolviert hatte, nutzte er nahezu jede Gelegenheit, um an die Spree zu reisen und unsere Jungs aus der Ostkurve anzufeuern. In der Saison 2008/09, in der unsere Farben unter der Leitung von Lucien Favre kurzzeitig sogar vom Titel träumten, verpasste der Paganesi so gut wie kein Heimspiel. Besonders blieb dem Fan dabei der 2:1-Heimtriumph über den FC Bayern München dank eines Doppelpacks von Andriy Voronin in Erinnerung. Damals spielte Trione tatsächlich mit dem Gedanken, seine Heimat zumindest vorübergehend zu verlassen und nach Berlin zu ziehen. „Das hätte ich schon gerne gemacht. Aber vor allem meine Arbeit hat mich in Italien gehalten“, erklärt der Anhänger unseres Vereins.

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Ich kann gar nicht so genau beschreiben, weshalb mich der Verein und seine Farben in ihren Bann gezogen haben. Es war ganz einfach Liebe auf den ersten Blick!
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-Francesco Trione

Eine Liebe, die anhält

Inzwischen ist der Verwaltungsangestellte noch fester verwurzelt. Durch den Job fehlt dem Exil-Herthaner leider die Zeit für regelmäßige Trips nach Deutschland. Wie es um unsere Alten Dame steht, verfolgt der Paganesi aber weiterhin aus seiner Heimat. „Ich schaue die Spiele entweder in Bars oder verfolge sie im Internet. Leider gibt es in meiner Heimat keine anderen Herthanerinnen und Herthaner, ich bin da als Süditaliener eher die Ausnahme“, sagt der 39-Jährige. Dass Trione unseren Hauptstadtclub ligaunabhängig und bald auch wieder aus der Ostkurve supporten wird, ist für ihn selbstverständlich: „Es sind nicht die Ergebnisse, die einen wahren Fan verändern oder entfremden. Wie immer werde ich Hertha BSC unterstützen und Anfang August zum nächsten Mal nach Berlin kommen!“ Und wer weiß, vielleicht verschenkt der Blau-Weiße eines Tages selbst ein Buch, das langfristig prägt.

von Jan Ole Tabert