Robert Kwasigroch und Bence Dárdai stehen vor der Bilderwand in der Akademie.
Akademie | 21. November 2023, 12:00 Uhr

Von den Bubis in die Bundesliga

Ein Besuch der Hertha BSC Fußball-Akademie auf dem Olympiagelände lädt zum Staunen ein. Das Flurstück, das Trainer- und Besprechungsräume mit den Zimmern unserer Internatsspieler verbindet, ist dabei eine Art Knotenpunkt. Eine Anlaufstelle mit großer blau-weißer Historie. Dort, eingerahmt an den Wänden, hängen Aufnahmen der Herthaner, die den Sprung aus unserem Ausbildungszentrum in den Profifußball geschafft haben. Platz finden Nationalspieler und internationale Ausnahmekicker, Gewinner der Fritz-Walter-Medaille, Defensivspezialisten, spielstarke Antreiber und Torjäger. Von B wie Brooks oder Boateng über D wie Dárdai bis S wie Salihović oder Samardžić – es stechen auf Anhieb Protagonisten ins Auge, die fest mit unserer Alten Dame verbunden sind. „Hertha BSC hat schon immer eine exzellente Nachwuchsarbeit ausgezeichnet. Es ist kein Geheimnis, dass wir diesen Weg, unseren Berliner Weg mit eigenen Talenten aus der Region, weiter mit Leidenschaft und Akribie fördern wollen. Die Bilder sollen eine zusätzliche Motivation darstellen“, erklärt Andreas „Zecke“ Neuendorf den Gedanken hinter der symbolträchtigen Fotowand.

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Es ist kein Geheimnis, dass wir diesen Weg, unseren Berliner Weg mit eigenen Talenten aus der Region, weiter mit Leidenschaft und Akribie fördern wollen.
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-Andreas „Zecke" Neuendorf, Direktor Akademie & Lizenzspielerbereich

Bence Dárdai bringt ein Bild mit einem Hammer an.
Mit Hammer und Nagel: Bence Dárdai brachte sein Bild höchstpersönlich an die Wand.

Ausbildung auf allen Ebenen

So schnell das Anbringen der eingerahmten Aufnahmen mit Hammer und Nagel erfolgt, so aufwendig, mühsam und oft unvorhersehbar ist der Weg dorthin. Nicht nur für die Talente, sondern auch für die Trainer und die Mitarbeitenden in der Akademie. Schließlich erhalten die Youngster eine individuelle Förderung, die weit über den Fußball hinausgeht. „Jedes Jahr kommen Jungs zu uns, die mit Talent gesegnet sind und den Traum haben, eines Tages im Olympiastadion zu spielen. Wir begleiten sie auf und neben dem Platz. Jedes Jahr platzen diese Träume aber leider auch. Das gehört zur Wahrheit dazu. Solche Gespräche zu führen, ist nie einfach, denn die Jungs sind oft schon als kleine Kinder zu Hertha gekommen. Natürlich besteht da eine besondere Verbindung“, sagt Zecke, der seit Jahresbeginn als Direktor Akademie & Lizenzspielerbereich fungiert. Schon zuvor hatte der Ex-Profi, der in den 90er- und 00er-Jahren an der Spree spielte, verschiedene U-Mannschaften gecoacht und als Co-Trainer bei unseren Profis gewirkt.

Blau-weißer Stallgeruch

Sein Name ist dadurch mindestens so eng mit unseren Spreeathenern verknüpft wie die Nachnamen Dárdai oder Boateng. Doch als Einzelkämpfer tritt Zecke natürlich nicht auf. Um die Talente von heute zu den Leitungsträgern von morgen zu formen, umfasst das Angebot nicht nur die sportliche Weiterentwicklung auf dem Rasen bzw. im athletischen Bereich, sondern auch mentale und schulische Aspekte. Ein Komplettpaket, in dem auch Ernährungsangebote oder bewegungspräventive Maßnahmen nicht fehlen. „Wir haben ein großes Team mit großer Expertise in den verschiedenen Fachbereichen. Wir wollen für alle da sein, sie sportlich, aber auch zwischenmenschlich fordern und fördern“, so der 48-Jährige, der jedoch betont: „Wenn alle Rädchen auf allen Ebenen ineinandergreifen, schaffen wir es, den jungen Spielern eine umfassende Ausbildung zu ermöglichen und sie näher an ihren Traum heranzuführen. Den letzten Schritt, an dem so viele Faktoren hängen, müssen sie häufig selbst gehen.“

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Wenn alle Rädchen auf allen Ebenen ineinandergreifen, schaffen wir es, den jungen Spielern eine umfassende Ausbildung zu ermöglichen und sie näher an ihren Traum heranzuführen.
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-Andreas „Zecke" Neuendorf, Direktor Akademie & Lizenzspielerbereich

Robert Kwasigroch richtet sein Bild in der Akademie aus.
Ordnung muss sein – nicht nur zwischen den Pfosten: Robert Kwasigroch richtet sein Bild aus.

Die Wahrscheinlichkeit, dass diese vielschichtige, komplexe Förderung erfolgreich verläuft, kann nur dann steigen, wenn die Verantwortlichen die aktuellen Veränderungen im Kinder- und Jugendfußball eng verfolgen. Stichwort: DFB-Reform im Nachwuchsbereich. „Wir hinterfragen unsere Arbeit immer und immer wieder, hospitieren, sammeln neue Erkenntnisse und versuchen so, die Durchlässigkeit zwischen Junioren- und Männerbereich zu erhöhen“, betont Zecke. Dazu gehört ebenfalls eine Kooperation mit dem Karlsruher SC und ein intensiver Austausch zwischen den Verantwortlichen.

Lernen von erfahrenen Herthanern   

Im Sommer führte dieser Prozess zu Wechseln in der Akademie. Dabei legten die Entscheidungsträger wieder verstärkt ein Augenmerk auf eine besondere, eine blau-weiße Verbindung. „Es ist natürlich keine Voraussetzung, als Aktiver für Hertha gespielt zu haben, aber wir haben gezielt nach Verstärkungen geschaut, die den Verein kennen und leben. Ihre Erfahrungen sollen dazu beitragen, Identifikation mit unserem Club und unseren Werten zu vermitteln“, schildert Zecke. Diesen Umbau gestaltete unser Ex-Profi gemeinsam mit den stellvertretenden Akademie-Verantwortlichen Sasan Gouhari und André Henning. 

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Wir haben gezielt nach Verstärkungen geschaut, die den Verein kennen und leben. Ihre Erfahrungen sollen dazu beitragen, Identifikation mit unserem Club und unseren Werten zu vermitteln.
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-Andreas „Zecke" Neuendorf, Direktor Akademie & Lizenzspielerbereich

Dazu zählen Änis Ben-Hatira und Patrick Ebert. Zwei Berliner Jungs, frühere Akademiespieler und spätere Publikumslieblinge. Während Ben-Hatira als erfahrene Stütze den Kollegen in der U23 helfen soll, unterstützt Ebert die Juniorenteams beginnend ab der U15. Und wer kann jungen Spielern schon authentischer vermitteln, was es heißt, die blau-weiße Fahne auf der Brust zu tragen? Schließlich kommen da über 200 Bundesliga-Spiele zusammen. Weitere Protagonisten mit Stallgeruch: Ex-Profi Benjamin Köhler, der individuell mit den Nachwuchskräften arbeitet. Michél Dinzey, Aufstiegsspieler von 1997 und inzwischen Nachwuchsscout. Nicht zu vergessen U23-Coach Stephan Schmidt, der zwischen 2003 und 2005 seine Schuhe für unsere zweite Mannschaft schnürte, und sein Co Oliver Schröder (1998 bis 2006).

Außerdem Ante Čović, Profi zwischen 1996 und 2000 bzw. U23-Akteur von 2003 bis 2010, langjähriger Übungsleiter und seit 2023 für die blau-weiße U16 zuständig. Schon in den Vorjahren vermittelten Ex-Herthaner wie Michael Hartmann oder Malik Fathi die Inhalte. Urgesteine wie Nello di Martino (Torwarttrainer der U19) und Andreas Thom (Individualtrainer) geben ihr Wissen seit vielen Jahren an die Jungspunde weiter. George Boateng, nicht nur gewachsen auf Beton, sondern enger Begleiter unseres Clubs, fungiert als kommunikatives Bindeglied zwischen Trainern und Spielern, aber auch Eltern und Beratern unserer Bubis.

Team hinter dem Team

Verstärkt im Hintergrund, aber deshalb nicht weniger wichtig bei der Talententwicklung agieren insgesamt knapp 90 Mitarbeitende. Zwei, die schon zum festen Inventar gehören, sind Regina Machnick und Monika Höhne. Beides Vollblut-Herthanerinnen und seit Jahrzehnten im Verein (Machnik seit 2004, Höhne seit 1974), organisieren sie nichts weniger als den gesamten Spielbetrieb aller U-Mannschaften von der U9 bis zur U23 plus Ü-Mannschaften. Eine Mammutaufgabe. „Monika und Regina gehören untrennbar zur Akademie, kennen auf dem Gelände jeden Grashalm, aber auch jeden Nachwuchsspieler. Wir sind froh, von ihrem Erfahrungsschatz zu profitieren. Hier könnten wir aber noch viele weitere Namen nennen, wenn ich an unsere Coaches, die Torwart- oder Athletiktrainer, Teamleiter oder Staff-Mitglieder denke. Alle gemeinsam dienen dem Nachwuchs und geben alles, um sie näher an ihr Ziel zu bringen“, beschreibt Zecke den Stellenwert des Teams hinter dem Team.

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Alle gemeinsam dienen dem Nachwuchs und geben alles, um sie näher an ihr Ziel zu bringen.
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-Andreas „Zecke" Neuendorf, Direktor Akademie & Lizenzspielerbereich

Auch Benjamin Köhlers Bild hängt in der Akademie in einem Rahmen.
Der erste Profi von allen Akademie-Absolventen: Benjamin Köhler gab sein Debüt im November 2000.

Die Anzahl der Bilder ist inzwischen auf 94 gestiegen. Der erste, dem der Weg aus der Akademie in den Profibereich gelang, war bereits erwähnter Benjamin Köhler. Im Frühjahr haben sich beispielsweise Veit Stange oder Ibrahim Maza verewigt, Robert Kwasigroch, Bence Dárdai und Pascal Klemens kamen nun neu dazu. Doch dabei wird es nicht bleiben, wie Benjamin Weber bekräftigt: „Es ist unser Ziel, Jahr für Jahr Spieler in den Profikader zu bringen, die dort nicht nur die Plätze auffüllen, sondern im Idealfall Leistungsträger und Identifikationspersonen werden“, sagt unser Sportdirektor, der aber auch weiß, welche Folgen das unter Umständen haben kann. „Das kann in Fällen wie bei Maximilian Mittelstädt oder Jessic Ngankam bedeuten, dass wir Jungs irgendwann aus unterschiedlichen – sportlichen oder finanziellen – Gründen abgeben müssen, auch wenn wir gerne mit ihnen weitergearbeitet hätten. Das ist ein Teil des Berliner Wegs.“ Doch selbst dann geht das Konzept auf, schließlich bieten Abgänge auch immer neuen Talenten die Chance, sich ihren Platz im Profibereich zu sichern und andererseits fließen Teile der Transfererlöse wieder in die Entwicklung des Nachwuchses. Und damit zu neuen Bildern im Flur, zu neuen Vorbildern und der nächsten Generation blau-weißer Bubis.

von Florian Waldkötter