Aymen Barkok führt den Ball.
Profis | 10. Februar 2024, 16:59 Uhr

Mit Hacke und Herz

Hier mal die Sohle, da mal ein Absatzkick und immer wieder flinke, unerwartete Richtungsänderungen: Wenn Aymen Barkok auf dem Rasen steht, sprüht er gemeinhin vor Spielfreude. Der Mittelfeldspieler, der im Winter leihweise vom FSV Mainz 05 zu unserem Hauptstadtclub gewechselt ist, bildet den Kunstleder streichelnden Beweis dafür, dass sich überdurchschnittliche Körpergröße und feine Ballverarbeitung nicht ausschließen. „Mir ist bewusst, dass ich diese Skills im vorderen Drittel zeigen kann. Aber hinten muss ich seriöser spielen, die Zweikämpfe annehmen, umschalten, um so schnell wie möglich zum gegnerischen Tor zu kommen“, betont der 1,89-Meter-Mann, der sich vor allem im Zentrum wohlfühlt. Dort kann er das Geschehen nicht nur beeinflussen, sondern mit seinem Ideenreichtum in die richtige Richtung lenken. „Ich bin auch schon auf dem Flügel aufgelaufen und generell ziemlich flexibel. Weiter vorn kann ich mich auf jeden Fall am besten entfalten. Insgesamt muss ich die Mannschaft und ihre Abläufe noch besser kennenlernen. Dann bin ich guter Dinge, dass ich ihr mit Treffern und Vorlagen helfen kann“, unterstreicht der 25-Jährige.

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Ohne Vorbereitung ist es schwierig für einen Spieler in einer neuen Umgebung. Grundsätzlich muss er Leistung bringen, dass weiß er.
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-Pál Dárdai

Aymen Barkok posiert vor der blau-weißen Fahne.
Die Mama findet, dass ihm Blau-Weiß steht: Aymen Barkok.

Geduld gefragt: Neue Mitspieler, neue Liga

Pál Dárdai, der seinen Zugang bereits in unterschiedlichen Rollen von der Leine ließ, sagte bei dessen Verpflichtung: „Er bringt Torgefahr mit, hat einen sehr guten letzten und vorletzten Pass. Ich muss ihm eine Aufgabe und den Raum geben, damit er seine Kreativität ausleben kann.“ Obwohl die Zusammenarbeit zwischen Übungsleiter und Schützling erst einmal nur auf ein paar Monate begrenzt ist, bedarf es dafür gewisser Geduld. „Ohne Vorbereitung ist es schwierig für einen Spieler in einer neuen Umgebung. Ich bin nicht zufrieden, aber auch nicht unzufrieden. Grundsätzlich muss er Leistung bringen, dass weiß er“, resümiert der Chefcoach nach den ersten Auftritten. Sportdirektor Benjamin Weber fügt hinzu: „Aymen zeigt gute Ansätze. Ein paar Sachen sind aber noch verbesserungswürdig.“

Schnelle Fortschritte erhofft sich auch unsere Nummer 18, die sich nicht nur an neue Mitspieler, sondern ebenso an eine andere Spielklasse gewöhnen muss. „Es geht ein bisschen körperlicher zur Sache und oft um die zweiten Bälle. Ich muss meinen Spielstil noch etwas umstellen, kann aber natürlich auch laufen und kämpfen“, verrät Barkok, der direkt mit einer englischen Woche loslegte und unmittelbar nach dem plötzlichen Tod unseres Präsidenten Kay Bernstein ohnehin in einer äußerst schwierigen Phase zum Verein kam.

Die neuen Farben passen gut

Nach einem Jokereinsatz zum Start zählte er zuletzt drei Mal in Serie zur Startelf. Ingesamt 109 Mal lief der Offensivakteur für Mainz sowie Eintracht Frankfurt und Fortuna Düsseldorf schon – meist in Rot und Schwarz – im deutschen Oberhaus auf. An Blau und Weiß hat sich Barkok im Übrigen schnell gewöhnt: „Es fühlt sich gut an und ist mal etwas anderes. Außerdem hat meine Mama gesagt, dass mir die Farben stehen“, berichtet der stets gut gelaunte Spreeathener mit einem breiten Grinsen.

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Ich bin optimistisch, dass wir wieder in die Erfolgsspur finden. Denn ich sehe die Jungs täglich auf dem Platz arbeiten.
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-Aymen Barkok

Alte Bekannte und sehr vertrauensvolle Gespräche

Die Eingewöhnung im neuen Team bereitet ebenfalls keine Probleme. Bei Düsseldorf hatte der Rechtsfuß in der Saison 2019/20 gemeinsam mit Nader Jindaoui für die U23 auf dem Feld gestanden. Marc Kempf kennt er aus dem Frankfurter Nachwuchs. Nun folgte das Wiedersehen bei unserer Alten Dame. „Die Mannschaft ist top, alle verstehen sich gut. Leider haben die Ergebnisse noch nicht gepasst, aber ich bin optimistisch, dass wir wieder in die Erfolgsspur finden. Denn ich sehe die Jungs täglich auf dem Platz arbeiten“, erzählt der Herthaner, den es eigentlich schon im vergangenen Sommer nach Berlin zog. Mainz legte damals jedoch noch ein Veto ein. „Ich bin mit Benny (Benjamin Weber, Anm. d. Red.) und Zecke (Andreas Neuendorf, Anm. d. Red.) die ganze Zeit in Kontakt geblieben. Beide sind super Typen. Wir hatten sehr vertrauensvolle Gespräche. Das war im Vergleich zu anderen Vereinen schon besonders“, begründet der Edeltechniker den mit etwas Verzögerung vollzogenen Wechsel. Über unseren Hauptstadtclub hatte er sich auch mit seinem Mainzer Ex-Teamkollegen Marco Richter unterhalten. „Natürlich habe ich es erstmal geheim gehalten“, so Barkok schmunzelnd, „aber als es so gut wie fix war, haben wir uns über Hertha ausgetauscht. Marco hat sich nur positiv geäußert.“

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Es ist ein großes Privileg, Profifußballer zu sein und viel Geld zu verdienen. Deswegen finde ich es es ganz wichtig, Menschen, die weniger besitzen oder in Not sind, zu helfen.
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-Aymen Barkok

Florian Niederlechner und Aymen Barkok beim Kopfballduell.
In der Hinrunde trat unsere Nummer 18 mit Mainz noch als Gegner im Olympiastadion an.

Zwei große Titel für den Frankfurter Bub

Vom Main und Rhein hat es den gebürtigen Frankfurter nun also an die Spree verschlagen. Auf den Gummiplätzen der Norweststadt hatte sich der Hesse einst das Einmaleins des Straßenfußballs angeeignet. Einige Elemente dieser Zeit lassen sich noch immer in seinem Spiel beobachten – sie liefern einen entscheidenden Grund, weshalb Barkok so gut nach Berlin, den Ort der unzähligen Käfige, passt. Ist es nicht auch dieses Wilde und Anarchische, wofür es sich lohnt, ins Stadion zu gehen und diesen Sport zu lieben? „Wir haben damals jeden Sonntag mit 30, 40 Leuten gespielt. Es war wie Essen, ich brauchte das einfach. Um bei den Großen mithalten zu können, musste ich auch die Ellenbogen ausfahren und einstecken. Ich bin oft mit offenen Knie nach Hause gekommen. Aber das gehörte einfach dazu“, erläutert der Blau-Weiße, der sich im Alter von 15 Jahren der Eintracht angeschlossen hatte. Zu Beginn der Saison 2016/17 lief das Talent unter Niko Kovač dann erstmals in der Bundesliga auf und erzielte beim Debüt prompt einen sehenswerten Treffer. In der Folge gewann das Eigengewächs mit seinem Stammverein sowohl den DFB-Pokal als auch die UEFA Europa League. „Die Titel bedeuten mir sehr viel. Es war so ziemlich die erfolgreichste Zeit überhaupt der Eintracht und ich war als Frankfurter Junge dabei“, erklärt der Ballkünstler, der nun mit der Fahne auf der Brust durchstarten will.

Lebensretter in der Heimat

Bei diesem Vorhaben kann der frühere deutsche U-Nationalspieler, der inzwischen das marokkanische Trikot trägt, auch auf seine internationale Erfahrung zurückgreifen. Für das nordafrikanische Land lief Barkok bislang 18 Mal auf und spielte dabei mit so prominenten Akteuren wie Achraf Hakimi oder Hakim Ziyech zusammen. „Es ist eine Herzensangelegenheit“, verdeutlicht unser Winterankömmling. Die Verbindung zur Heimat seiner Eltern spiegelte sich vergangenen Sommer auch in einer ganz besonderen Aktion wider. Da nämlich finanzierte der Auswahlakteur, der beim Afrika-Cup 2024 nicht zum Aufgebot der Löwen vom Atlas zählte, überlebenswichtige Operationen für zwei schwerkranke Kinder. „Es ist ein großes Privileg, Profifußballer zu sein und viel Geld zu verdienen. Deswegen finde ich es es ganz wichtig, Menschen, die weniger besitzen oder in Not sind, zu helfen“, betont Barkok, der anschließend höchstpersönlich im Krankenhaus vorbeischaute. „Dabei hat es mich einfach glücklich gemacht, die Freude in den Augen der Familien zu sehen. Im kommenden Sommer möchte ich das Ganze wiederholen“, strahlt der 25-Jährige. Unsere Fans können sich demzufolge über einen bodenständigen Typen freuen, der unserer Alten Dame nicht nur Hacke, sondern auch Herz verleiht.  

von Erik Schmidt