Marius Gersbeck applaudiert vor der Ostkurve.
Profis | 22. März 2024, 19:35 Uhr

„Der Verein steht über allem“

Länderspielpause. Eine deutlich kleinere Gruppe als sonst ackert auf dem Schenckendorffplatz. Da fällt es umso mehr auf, wenn sich Marius Gersbeck in die Höhe schraubt, um mit dem Kopf an das Kunstleder zu gelangen. Die Teamkollegen honorieren die nicht gerade alltägliche Aktion des Torhüters, klopfen Sprüche und grinsen breit. „Die Einheiten sind anstrengender als gewöhnlich“, verrät der Schlussmann, „es entwickelt sich aber auch automatisch eine andere Stimmung. Da wir nicht auf das eine Ziel am Wochenende hinarbeiten, ist nicht diese unmittelbare Anspannung da.“ Dabei hätte der 28-Jährige nichts dagegen einzuwenden gehabt, wäre es ohne die Ligaunterbrechung weitergegangen.

„Brutales Jahr“

Weil Tjark Ernst angeschlagen passen musste, kam unsere Nummer 35 zuletzt zwei Mal hintereinander über die volle Distanz zum Einsatz. Bis zur kommenden Begegnung mit dem 1. FC Nürnberg (30.03.24, 20:30 Uhr, Tickets hier) dürfte der Platzhirsch allerdings wiedergenesen sein. „Natürlich würde ich gerne noch eine weitere Möglichkeit bekommen, um mich zu zeigen“, sagt Gersbeck, für den das jüngste Heimspiel gegen den FC Schalke 04 den vorläufigen Höhepunkt eines nach eigener Aussage „brutalen Jahres“ bedeutet hat. Auf die Rückkehr im vergangenen Sommer vom Karlsruher SC zu Hertha BSC, einen Vorfall im Trainingslager inklusive der daraus resultierenden Suspendierung sowie den Tod unseres Präsidenten Kay Bernstein folgte für den gebürtigen Berliner im Duell mit den Königsblauen der erste Heimsieg im Olympiastadion überhaupt unter eigener Mitwirkung. „Ich habe Erleichterung gespürt“, gibt der Blau-Weiße einen Einblick in sein Inneres.

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Es gibt kein besseres Gefühl, als nach einem erfolgreichen Spiel mit den eigenen Kindern im Olympiastadion auf der Tartanbahn zu stehen.
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-Marius Gersbeck

Marius Gersbeck spielt den Ball im Training mit dem Kopf.
Lufthoheit: Unsere Nummer 35 weiß auch im Kopfballspiel zu überzeugen.

Erleichterung und Freude. Nach dem Abpfiff drehte der Keeper an der Seite seiner Mitspieler eine Runde durch das noch immer prall gefüllte weite Rund, jubelte vor der Ostkurve und genoss den speziellen Moment mit seiner Familie. „Es gibt kein besseres Gefühl, als nach einem erfolgreichen Spiel mit den eigenen Kindern im Olympiastadion auf der Tartanbahn zu stehen“, erzählt Gersbeck mit leuchtenden Augen. Daraus, dass es für ihn nach wie vor etwas Besonderes ist, die Fahne auf der Brust zu tragen, macht der 1,87-Meter-Mann keinen Hehl. Zumal der Schlussmann für die Profis unserer Alten Dame bislang erst vier Pflichtspiele bestritt: Zwischen seinem Debüt in der Bundesliga beim BVB im Dezember 2013 und dem Pokalviertelfinale gegen Kaiserslautern im zurückliegenden Januar vergingen mehr als zehn Jahre – hinzu kommen die Vergleiche mit St. Pauli und S04.

Über Zwischenstationen zum Ziel

Gersbecks Karriere verlief nicht geradlinig und beinhaltete die eine oder andere Zwischenstation – über die Leihen zum Chemnitzer FC und den VfL Osnabrück sowie einer festen Anstellung bei unseren Freunden vom KSC gelangte er ans Ziel. „Es ist für mich extrem wichtig gewesen, etwas anderes zu sehen. Ich habe viele Erfahrungen gesammelt, die mir in meiner Entwicklung geholfen haben“, unterstreicht der Spreeathener, der jene Erfahrungen nun so gut wie nur möglich bei unserem Hauptstadtclub einbringen möchte: „Ich will der Mannschaft helfen – ob auf oder neben dem Platz. Der Verein steht über allem.“ Auch das ist der Berliner Weg. Zu den Aufgaben des einstigen Absolventen unserer Fußball-Akademie gehört es außerdem, die jüngeren Akteure mit Tipps und Ratschlägen zu unterstützen. Das betrifft vor allem die anderen Ballfänger, zu denen neben Ernst auch Robert Kwasigroch und Tim Goller zählen. „Alle Drei haben die Voraussetzungen, um in den ersten beiden Ligen zu spielen. Tjark hat bereits bewiesen, dass er es kann. Natürlich stellt jeder Einzelne gewisse Ansprüche – dadurch pushen wir uns gegenseitig. Nichtsdestotrotz verstehen wir uns sehr gut“, betont der Routinier mit Blick auf die von Andreas Menger angeleitete Gruppe.

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Ich bin glücklich und dankbar dafür, dass ich die Chance bekommen habe, meinen Traum leben zu können.
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-Marius Gersbeck

Marius Gersbeck unterhält sich mit Tjark Ernst.
Zugehört: Tjark Ernst spitzt im Gespräch mit Routinier Marius Gersbeck die Ohren.

Eine Eigenschaft, die Gersbeck auch an die Talente zu vermitteln versucht, ist die Demut. „Ich bin glücklich und dankbar dafür, dass ich die Chance bekommen habe, meinen Traum leben zu können“, unterstreicht der Familienvater, dem es dabei nicht nur auf sportliche, sondern auch zwischenmenschliche Dinge ankommt. „Mit den Verantwortlichen – bis zu seinem Tode allen voran Kay, aber auch Tom, Benny, Andy und Pál – haben mich die vergangenen Monate noch mehr zusammengeschweißt. Ich war sehr viel mit ihnen sowie meinen Mitspielern im Austausch“, berichtet der Herthaner, der erstmals 2004 zu unserem Hauptstadtclub gewechselt war und damit in diesem Jahr noch ein kleines Jubiläum begeht.

Abschließend fügt der frühere U-Auswahlspieler hinzu: „Nicht nur durch den Heimsieg gegen Schalke ist der Ansporn entstanden, genauso weiterzumachen. Es geht darum, die Euphorie rund um den Berliner Weg am Leben zu erhalten – sodass die Stadt hinter uns steht, die Leute gerne ins Stadion gehen und stolze Fans von Hertha BSC sind.“ Eben wie Marius Gersbeck selbst.

von Erik Schmidt