Linus Gechter zieht einen Sprint im Heimtrikot an.
Profis | 11. April 2024, 17:30 Uhr

„Ich tue alles dafür, dass das so bleibt“

Man vergisst gerne, dass Linus Gechter gerade einmal 20 Jahre alt ist. Der Verteidiger debütierte in der Spielzeit 2021/22 blutjung bei unseren Profis und hat sich im Kader festgebissen – trotz einiger gesundheitlicher Probleme. Genau die haben unsere Nummer 44 aber auch geprägt. „Ich habe lange nicht mehr sechs Partien am Stück gemacht so wie zuletzt, es kamen immer Rückschläge. Aber mich da immer wieder durchzukämpfen, hat mich stärker gemacht“, sagt Gechter. „Ich bin sehr froh, spielen zu dürfen und das Vertrauen zu bekommen. Ich genieße es, gesund zu sein und tue alles dafür, dass das so bleibt!“ Im Interview mit herthabsc.com spricht der Herthaner über prägende Trainer, sein erstes Tor im Olympiastadion und blickt auf das Heimspiel gegen Hansa Rostock (12.04.24, 18:30 Uhr).

herthabsc.com: Linus, lass uns zum Einstieg erst einmal ein bisschen in der Zeit zurückreisen. Woran denkst du, wenn du das Datum 12. September 2021 hörst?
Gechter: Das genaue Datum hätte ich jetzt nicht mehr im Kopf gehabt, aber ihr spielt bestimmt auf mein Debüt an, oder?

herthabsc.com: Genau! Du kamst in Bochum in der Halbzeit in die Partie. Hertha führte 2:0, aber es war klar, dass das Spiel noch nicht durch war. Was ging dir durch den Kopf, als das Trainerteam dir sagte: „Du gehst rein!“?
Gechter: Ich habe durch die Verletzung von Jordan Torunarigha schon gerochen, dass meine Chance kommen könnte, mich anschließend die ganze Halbzeit mit Kuchen (Athletiktrainer Henrik Kuchno, Anm. d. Red.) warmgemacht. Es geht einem alles durch den Kopf: „Konzentriert vorbereiten, gleich spielst du“. Und dann kommt der Moment, in dem du auf den Platz gehst – und gar nicht mehr nachdenkst, nichts anderes als sonst auch machst. Es sind eben nur 20.000 Zuschauer da, statt 500 (schmunzelt). Aber das muss man ausblenden und einfach Fußball spielen.

Linus Gechter bei seinem Debüt in Bochum.
Einfach Fußball gespielt: Linus Gechter beim geglückten Profidebüt im Spätsommer 2021.

herthabsc.com: Pál Dárdai war damals schon Trainer. Hat er dir in diesem Moment irgendwas Bestimmtes mitgegeben?
Gechter: Er sagte mir einfach nur, dass ich es genauso wie im Training, wie immer machen soll. Das hat zum Glück auch geklappt!

herthabsc.com: Nach Oliver Reiß ist er derjenige, der dich im oberen Nachwuchs- und Profibereich am häufigsten im Hertha-Trikot trainiert hat. Was bedeuten beide für deine Laufbahn?
Gechter: Pál hatte riesigen Einfluss auf meine Karriere. Er hat mir früh viel Vertrauen geschenkt und mich oft reingeworfen. Er sagt es selbst: Unter ihm funktioniere ich immer (lacht). Da fühlt man sich als Spieler einfach wohl, gerade für die Jungen ist er oft auch eine Art Vaterfigur, er gibt uns Chancen und das Gefühl, dass wir hier gut aufgehoben sind. Olli ist auch ein sehr guter Trainer, der einem sehr früh sehr viel über Taktik beibringt. Sein Training beinhaltet viele lange Passformen und andere Dinge, die man so eigentlich nur von Pep Guardiola kennt – ich würde ihn fast als den Pep von Herthas Jugend bezeichnen (grinst). Unter ihm zu spielen, habe ich sehr gemocht. Er bemerkt so viele Kleinigkeiten, die einem als Spieler selbst nicht unbedingt auffallen. Ein Beispiel: Nach meiner ersten Reise zur Nationalmannschaft habe ich zwei Mal wieder unter ihm trainiert. Er sagte zu mir: Ich habe das Gefühl, dass du ein Prozent weniger Gas gibst, ein Prozent zu sehr zufrieden bist. Das hat in mir direkt eine ganz andere Motivation ausgelost. Er bemerkt jedes Detail, weiß, wie er die Spieler anzupacken hat – und dann klappen die Dinge auch.

herthabsc.com: Gab es noch einen anderen Trainer, der dich besonders geprägt hat?
Gechter: Rejhan Hasanović! Er hat mich so lange angemeckert, bis ich auf dem Platz endlich angefangen habe, meinen Mund aufzumachen. Seitdem rede ich auf dem Feld, das hat er mir eingehämmert – ein echter Mentalitätstrainer!

herthabsc.com: Apropos Mentalität: Du hast in deiner Karriere schon früh gelernt, dich nach Rückschlägen zurückzukämpfen. Inwiefern hat dich das geprägt? Als Spieler, wie auch als Mensch?
Gechter: Ich habe dadurch gelernt, es sehr wertzuschätzen, gesund zu sein und spielen zu können. Ich habe lange nicht mehr sechs Partien am Stück machen können so wie zuletzt, es kamen immer Rückschläge. Aber mich da immer wieder durchzukämpfen, hat mich stärker gemacht. Außerdem nimmst du auch dabei Erfahrungen mit, lernst für die weitere Karriere und eignest dir bei jeder Verletzung Sachen an, die du anders machen musst. Ich wärme mich zum Beispiel inzwischen vor jedem Training ganz anders auf und habe eine Routine entwickelt, die mir hilft. Menschlich bin ich durch die Erfahrungen auch geduldiger geworden, habe gelernt, mir selbst nicht zu viel Druck zu machen. Ich bin noch jung, habe hoffentlich noch Zeit in meiner Karriere. Dass Rückschläge dazu gehören, muss man akzeptieren. Auf keinen Fall darf man über Schmerzen und Warnsignale vom Körper hinweg gehen, das hat Pál mir auch beigebracht.

herthabsc.com: Erfahrungen in der 2. Bundesliga hattest du schon vor dieser Saison gemacht. In der vergangenen Rückrunde hast du auf Leihbasis für Eintracht Braunschweig gespielt. Was waren deine wichtigsten Erlebnisse in diesem halben Jahr?
Gechter: Ich habe mich dort menschlich weiterentwickelt. Am Anfang habe ich gespielt, dann war ich wegen Verletzungen leider immer wieder raus und konnte gegen Ende nur trainieren. Ich habe zum ersten Mal alleine gewohnt, aber dort auch viele gute Freunde gefunden, viel gelacht und gute Zeiten erlebt. Das hat die fußballerisch schwierigen Momente ausgeglichen. Dadurch habe ich aber gelernt, dass es völlig normal ist, wenn es phasenweise einmal nicht läuft. Vorher ging bei mir alles so schnell: Ich durfte mit 17 schon Bundesliga spielen, kam immer wieder zum Einsatz. Das war erst so krass, dann aber schnell normal – und dann kam mal so ein Dämpfer. Dabei ist es nicht ungewöhnlich, auf der Position des Innenverteidigers erst später regelmäßig zu spielen. Ich bin dankbar, schon so viel erlebt und diese Erfahrungen gesammelt zu haben, dankbar für jede Minute und jeden Einsatz.

[>]
Ich bin dankbar, schon so viel erlebt und diese Erfahrungen gesammelt zu haben, dankbar für jede Minute und jeden Einsatz.
[<]

-Linus Gechter

herthabsc.com: Lass uns mal über deine Rückennummer sprechen. Wie kam es zur 44? Wie wichtig ist sie dir inzwischen, welche Bedeutung hat sie?
Gechter: Die Nummer 44 steht für mich für Berlin! Ich komme nicht direkt aus Neukölln, aber ich verbinde einfach mein Berlin  – Schöneberg, Tempelhof, Kreuzberg, Neukölln – mit dieser Nummer und will sie daher gerne noch lange behalten.

herthabsc.com: Schauen wir auf die aktuelle Saison! Du hast dich nach deiner Rückkehr aus Niedersachsen ins Team zurückgearbeitet. Wie beurteilst du den bisherigen Verlauf der Spielzeit für dich persönlich?
Gechter: Es gab ein paar Rückschläge, aber ich habe mich immer wieder zurückgearbeitet und bin sehr froh, aktuell spielen zu dürfen und das Vertrauen zu bekommen. Ich genieße es, gesund zu sein und tue alles dafür, dass das so bleibt. Nichts geht über die Gesundheit, das habe ich gelernt. So möchte ich dem Team möglichst gut dabei helfen, gemeinsam das zu schaffen, was wir uns vornehmen.

herthabsc.com: Du hast in dieser Saison bereits mit vielen verschiedenen Kollegen in der Innenverteidigung gespielt. Was macht für dich ein gutes Zusammenspiel aus?
Gechter: Dass man sich auch neben dem Platz versteht. Das habe ich bisher immer geschafft, auch im jetzigen Team. Ob Toni, Kempfi oder Márton, ich mache mit allen Späße und glaube, dass das wichtig ist. Wenn du abseits vom Feld kein Wort wechselst, klappt es auch auf dem Platz nicht. Ansonsten ist eine gute Absprache wichtig – und klare Aufgabenverteilung.

herthabsc.com: In der Defensivzentrale herrscht bei uns großer Konkurrenzkampf. Mit Toni Leistner und Marc Kempf hast du dabei auch zwei sehr erfahrene Kollegen, die du schon angesprochen hast. Wie profitierst du von der gemeinsamen Arbeit und dem Wettbewerb um die zwei Plätze?
Gechter: Ich kann mir von beiden viel abgucken, egal ob im Training oder wenn ich mal im Spiel draußen sitze. Das war übrigens bei Dedryck Boyata seinerzeit auch so, von dem habe ich mir auch viel abgeschaut. Bei Toni und Kempfi ist es so, dass wir viel miteinander sprechen, auch über Dinge abseits vom Fußball. Gerade Toni ist ein echter Kapitän, steht uns jungen Spielern immer als Ansprechpartner zur Verfügung und kümmert sich um alles. Da kann man viel lernen, und irgendwann möchte ich das auch mal so machen!

Linus Gechter hat erzielt sein erstes Tor im Olympiastadion.
Was jetzt? Linus Gechter hat soeben sein erstes Tor im Olympiastadion erzielt.

herthabsc.com: Gegen Elversberg gelang dir dein erstes Tor im Berliner Olympiastadion. Was für ein Gefühl war das, im weiten Rund zu treffen?
Gechter: Ich bin nicht unbedingt der Typ, der groß jubelt. In dem Moment ging es so schnell. Ich habe auch den Lärm im Stadion gar nicht realisiert, wollte am liebsten direkt weiterspielen – keine Ahnung, wie das Jungs wie Haris immer machen, ich hatte in dem Moment keinen besonderen Jubel auf Lager (schmunzelt). Im Nachgang war es einfach ein schönes Gefühl. Tore schießen ist nicht meine Hauptaufgabe, aber das nehme ich natürlich gerne mit und hatte gerade zuletzt auch schon Chancen aufs nächste. Darauf arbeite ich hin!

herthabsc.com: Treffer als Stichwort: Ihr habt sieben Punkte aus den vergangenen drei Spielen geholt, die hart erkämpft waren – nicht nur aufgrund von acht Gegentoren. Wie blickst du als Verteidiger auf diese Begegnungen? Ärgern dich diese Rückschläge sehr oder geht es dir am Ende vor allem ums Ergebnis?
Gechter: Erst einmal ist der Sieg des Teams wichtig. Trotzdem müssen wir uns im Nachgang anschauen, was nicht so gut lief. Márton und ich haben zum Beispiel zuletzt auch viel über das Paderborn-Spiel gesprochen. Aber: Wir verteidigen als Team zusammen, so wie wir zusammen angreifen, und müssen einfach weiter daran arbeiten. Die Null hinten muss für uns als Mannschaft immer das wichtigste Ziel sein!

herthabsc.com: Kurz und bündig: Was hast du dir für die restliche Spielzeit mit Hertha vorgenommen?
Gechter: Gesund bleiben, viele Minuten sammeln und noch viele Punkte holen!

Linus Gechter im Olympiastadion.
Linus Gechter blickt mit Vorfreude aufs Saisonfinale und das Duell mit Rostock.

herthabsc.com: Lass uns zum Abschluss nochmal nach vorne schauen. Als nächstes steht nun das Kräftemessen mit Hansa Rostock auf dem Programm. Was für ein Duell erwartest du?
Gechter: Auf jeden Fall wird es eine krasse Kulisse, weil auch Rostock viele Fans mitbringt. Das ist geil, in letzter Zeit hatten wir schon einige Spiele, wo das der Fall war, und unsere Fans sind eben auch krass. Darauf können wir uns freuen.

herthabsc.com: Die Analyse im Detail folgt natürlich noch, wir fragen aber trotzdem schon einmal: Wie könnt ihr den Gegner knacken?
Gechter: Wir werden Rostock auch noch einmal genauer analysieren, aber was ich schon sagen kann: Sportlich wird ab jetzt jedes Spiel hart, wir müssen so kämpfen wie in den letzten 20 Minuten in Paderborn, als wir die Partie unbedingt noch drehen wollten. So müssen wir von Anfang an und über 90 Minuten reingehen, konzentriert sein und so die drei Punkte holen!

herthabsc.com: Was muss in den kommenden Wochen und Monaten passieren, damit du insgesamt zufrieden auf diese Spielzeit zurückblickst?
Gechter: Dafür müssen wir jedes Spiel gewinnen – dann war es ein geiles Jahr! (lacht)

von Konstantin Keller