Haris Tabaković bejubelt sein Tor gegen den FCK.
Profis | 24. Mai 2024, 16:00 Uhr

Zielspieler

Am Anfang stand eine Unterschrift, dann eine Überschrift. „Ich habe richtig Bock auf Hertha“, erklärte Haris Tabaković in seinem ersten Interview als Herthaner. Jeder, der unsere Nummer 25 in den folgenden Wochen und Monaten erlebt hat, wird bestätigen können, dass das keine Phrase war. Der Angreifer kam schnell an der Spree an, spielte sich in der Sturmspitze fest – und ackerte, schoss und köpfte sich in seinem ersten Jahr nicht nur durch 25 Pflichtspieltore in 36 Einsätzen in die Herzen aller Herthanerinnen und Herthaner. „Mir werden viele Dinge in Erinnerung bleiben: Das erste Spiel, das erste Tor, der erste Tag in Berlin, der erste Tag in der neuen Wohnung. Aber der größte Moment war definitiv, erstmals im Olympiastadion vor den Fans aufzulaufen. Für mich, aus Österreich kommend, war es alles andere als selbstverständlich, vor 50.000 bis 60.000 Menschen zu spielen. Das war sehr emotional“, berichtet der Torjäger im Gespräch mit Redakteur Konstantin Keller.

Haris Tabaković blickt glücklich ins weite Rund des Olympiastadions.

Trotz verpasstem Aufstieg „ist etwas entstanden“

Emotional und ereignisreich war Tabakovićs Start in der neuen sportlichen Heimat. „Es war ein schwieriger Sommer, für den ganzen Club. Ich selbst bin erst spät dazugekommen, aber schon vorher gab es viele Wechsel, viele neue Spieler. Als Verein sind wir dann zusammengewachsen. Mannschaft, Fans – es ist eine Familie geworden, in der man sich gegenseitig immer pusht“, resümiert der 29-Jährige. Dabei wurde er zum Zielspieler – verfehlte aber vorerst das größte persönliche Ziel. „Hertha gehört für mich in die 1. Bundesliga. Dafür bin ich hergekommen, deshalb bin ich persönlich auch ein bisschen enttäuscht“, gibt der Mittelstürmer zu. Warum seiner Meinung nach kein höherer Tabellenplatz abfiel? „Es gab einige Spiele, in denen wir vorne lagen und noch unnötige Gegentore kassiert haben. Viel hat insgesamt gar nicht gefehlt, damit wir oben mitspielen können, aber genau diese Punkte hätten wir dafür holen müssen“, sagt der Mann, der im schweizerischen Grenchen das Licht der Welt erblickt hat. Fokus aufs Negative ist ohnehin nicht seine Sache. „Wir können nur als Team wachsen, vor allem auch im Hinblick auf die kommende Saison. Es ist schon etwas entstanden, das hat man gerade in Momenten von gemeinsamen Niederlagen deutlich gespürt.“

Haris Tabaković gedenkt Kay Bernstein beim Torjubel.
Emotionaler Moment: Haris Tabaković gedenkt nach seinem Tor gegen Düsseldorf Kay Bernstein.

Torjägerkanone als Anerkennung für die gesamte Mannschaft

Und natürlich auch in Momenten von gemeinsamen Erfolgen. Der Größte: Die Torjägerkanone, die sich unsere Nummer 25 gemeinsam mit Robert Glatzel vom Hamburger SV und Christos Tziolis von Fortuna Düsseldorf sicherte. „Das bedeutet mir sehr viel. Das ist Anerkennung für die Arbeit, die man als Spieler über eine gesamte Saison geleistet hat. Und nicht nur für mich, sondern eben auch für den Verein und die gesamte Mannschaft. Denn ohne die wäre ich nix“, unterstreicht Tabaković. „Jeder Spieler, der mich eingesetzt hat, jeder Spieler, der mir Assists gegeben hat, ist ein Teil dieser Trophäe. Trainerteam, Kollegen – ich habe die Unterstützung von allen gespürt, dass ich dieses Ding für den Club holen soll. Ein sehr, sehr schönes Gefühl.“ Welches Tor war dabei sein Favorit? „An das erste Tor im Pokal in Jena denke ich immer noch gerne zurück. Der schönste und emotionalste Treffer war aber definitiv der gegen Düsseldorf, mit dem linken Fuß“, verrät der Angreifer, der damals beim Torjubel unserem verstorbenen Präsidenten Kay Bernstein gedachte.

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Das ist eines der Ziele, auf die ich hingearbeitet habe, immer im Hinterkopf hatte. Für eines meiner Heimatländer aufzulaufen – das hat mir sehr viel bedeutet.
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-Haris Tabaković

Einen Cocktail zur EM

Emotional verlief auch Tabakovićs Länderspieldebüt für Bosnien und Herzegowina im November 2023 – nicht nur für ihn selbst. Schließlich liegen die Wurzeln seiner Familie am Balkan. „Meine Mama ist nicht so fußballbegeistert, der ist es nur wichtig, dass ich gesund bin“, sagt der Stürmer mit einem Lächeln. „Aber gerade für meinen Papa war es etwas ganz Besonderes, und für mich selbst natürlich auch. Das ist eines der Ziele, auf die ich hingearbeitet habe, immer im Hinterkopf hatte. Entsprechend schön war das Gefühl, als der Moment dann da war.“ Daran konnten auch die 1:4-Niederlage gegen Luxemburg und die in den Play-offs verpasste Europameisterschaft nichts ändern. „Die Resultate waren leider nicht so positiv, es ist eine schwierige Phase für das Team. Aber für eines meiner Heimatländer, bei mir sind es mit Bosnien und der Schweiz eben zwei, aufzulaufen – das hat mir sehr viel bedeutet.“ Und die EM wird der Mann aus Grenchen nun eben als Fan erleben. „Ich werde das Turnier definitiv verfolgen. Als fußballbegeisterter Mensch liebe ich das: Im Sommer draußen zu sein, vielleicht einen Cocktail trinken und dann mit Freunden die Spiele zu schauen – auf diese Zeit freue ich mich schon sehr“, verrät der Rechtsfuß.

Haris Tabaković singt bei der Aufnahme zu "La Ola für Hertha"
„Blau-weiß sind nicht nur Farben…“ Tabaković glänzte bei „La Ola für Hertha“ auch am Mikrofon.

Debüt vor dem Mikrofon

Für Sommervibes sorgte er zuvor bereits selbst – gemeinsam mit Márton Dárdai, Marius Gersbeck und Fabian Reese nahm Tabaković vor dem 90er-Spieltag gegen Kaiserslautern den blau-weißen Hit „La Ola für Hertha“ neu auf. „Ich habe anschließend einige Nachrichten bekommen“, lacht der 1,94-Meter-Mann. „Dass die Reaktionen so positiv ausfallen, habe ich gar nicht erwartet, das freut mich umso mehr. Das ist auch ein Verdienst der Leute im Club, die diese Ideen haben. Man spürt, dass die Fans so einfach Spaß an ihrem Verein haben. Es ist wichtig, dieses Gefühl bei den Fans auszulösen: Ich identifiziere mich mit diesem Club, gehe gerne ins Stadion, kaufe gerne die Sondertrikots, die Retrojacken. Das ist wichtig für den Verein und eine 1A-Arbeit von allen, die daran beteiligt sind.“ Und was läuft beim Angreifer, wenn er nicht gerade selbst vor dem Mikrofon steht? „Ich höre gerne Hip-Hop und Deutschrap, bei sonnigem Wetter wie aktuell auch gerne mal Deephouse. Luciano ist einer meiner Lieblingskünstler, sonst bin ich offen, scrolle und höre mich gerne einfach durch Playlists.“ Auch der eine oder andere Mitspieler hat gute Tipps parat. „Musik ist nicht zwangsläufig ein Thema in der Kabine – aber klar, bei einigen Jungs fühle ich es ein wenig mehr, wenn sie den DJ spielen. Linus Gechter oder Matte Winkler zum Beispiel. Bei Marius Gersbeck weniger“, lacht der Angreifer, um schmunzelnd nachzuschieben: „Er macht gerne Schlager an, das ist nicht so ganz mein Ding.“

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Ich genieße das Leben hier total. Berlin hat einfach eigenes Flair, ist extrem offen und man sieht alles Mögliche, das finde ich cool.
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-Haris Tabaković

Berlin? „Gefühlt hast du alles“

Voll sein Ding hingegen: Berlin! „Ich genieße das Leben hier total und habe schon einige Kieze gefunden, die ich sehr mag. Gerade Mitte gefällt mir sehr, Prenzlauer Berg ist auch schön und ich bin natürlich auch gerne mal in Charlottenburg unterwegs, weil es eben auf dem Weg zur Arbeit liegt“, berichtet der ehemalige Wiener, der auch die deutsche Hauptstadt für sich entdeckt hat. „Ich suche mir bei schönem Wetter gerne ein Café, sitze draußen und höre einen Podcast. Das genieße ich und es ist mir sehr wichtig, nach langen Arbeitstagen ein privates Leben zu haben, das ich mit meiner Frau und Freunden genießen kann“, betont Tabaković. Was ihm an der Spreemetropole besonders gut gefällt? „Die Stadt hat einfach ihr eigenes Flair, ist extrem offen und man sieht alles Mögliche, das finde ich cool. Gefühlt hast du alles: Alle Restaurants, alle Cafés, alles, was du unternehmen möchtest – es ist hier und du kannst es mit deiner Familie, mit deinen Freunden erleben. Es ist immer wieder cool, Berlin gemeinsam zu erkunden – spazieren zu gehen, ins Museum oder gerade jetzt im Sommer auch mal die Seen.“ Dabei schwingt sich unser Stürmer neuerdings auch gerne einmal in den Fahrradsattel.

Der Ehrgeiz bleibt

„Meine Frau hat eines zum Geburtstag bekommen, da war ich fast ein wenig eifersüchtig und habe mit Kuchen (Athletiktrainer Henrik Kuchno, Anm. d. Red.) gesprochen – der hat mir ein paar Tipps gegeben und ich habe mir jetzt auch eins besorgt“, berichtet der Offensivspieler. Abseits des Aufsteigens auf den neuen Drahtesel bleibt der Torschützenkönig ehrgeizig. Welche Verbesserungen wünscht er sich zur kommenden Saison von unserem Team? „Wir müssen insgesamt konsequenter sein. Konsequenter gemeinsam verteidigen, konsequenter gemeinsam angreifen. Wir haben als Mannschaft schon Schritte nach vorne gemacht und sind zusammengewachsen, was nicht einfach ist. Aber wir müssen es schaffen, den Plan, den wir haben, von der 1. bis zur 90. Minute umzusetzen“, unterstreicht der Knipser. Dass er kein Mann für halbe Sachen ist, spürt man im Gespräch zu jeder Sekunde. „Darum geht es doch für jeden Fußballer: Zu gewinnen, und nicht einfach nur dabei zu sein“, sagt der Hüne. Haris Tabaković – nicht nur im gegnerischen Strafraum ein echter Zielspieler.

von Konstantin Keller