Thomas E. Herrich im Interview in der Traumfabrik.
Club | 27. Mai 2024, 16:00 Uhr

„Dieser Verein ist wieder zusammen gewachsen“

Die Saison ist beendet. Zeit, um ein Resümee zu ziehen. Im Interview sprach Thomas E. Herrich über die bewegende Spielzeit mit ihren emotionalen Momenten, die sportliche und wirtschaftliche Entwicklung von Hertha BSC und Ziele für die Zukunft.

Tom, die Saison 2023/24 steht in den Geschichtsbüchern. Eine Saison, die vieles war, aber vor allem emotional. Eine Saison, die Höhen und Tiefen, Herausforderungen, unvergessliche Momente und tiefe Trauer prägen. Wie leicht fällt dir eine erste Einordnung?
Herrich: Das Abschneiden muss definitiv differenziert betrachtet werden. Es war eine Spielzeit, in die wir mit unfassbar schwierigen Rahmenbedingungen gestartet sind. Unsere Ausgangslage war herausfordernd – und das ist noch euphemistisch beschrieben. Nicht nur finanziell hatten wir Herausforderungen zu meistern, auch sportlich mussten und wollten wir nach dem Abstieg einen neuen Kader zusammenstellen. Uns war bewusst, dass der Saisonstart nicht leicht werden und unsere Mannschaft vermutlich erst am 1. September stehen würde. Deswegen waren wir nach den ersten Spieltagen zwar nicht beunruhigt, aber mit Blick auf die erfolgreichen Entwicklungen im Herbst und Winter umso glücklicher. Insgesamt war das ein Kraftakt des ganzen Vereins, das haben wir alle zusammen geschafft. Der Rückhalt der Fans hat dabei enorm geholfen. Der Beginn des neuen Jahres wurde natürlich durch Kay Bernsteins Tod überschattet. Das war für mich persönlich, aber auch für den ganzen Club ein Schock. Es hat sich aber auch in dieser Phase gezeigt, wie eng wir als Gemeinschaft zusammenstehen. Den sehr schwierigen Wochen im Januar folgte ein erneutes Aufbäumen. Wir haben positive wie negative Momente erlebt und wissen, welche Lehren wir aus unseren Fehlern ziehen müssen, um zuversichtlich in die neue Saison zu gehen.

In der letzten Heimpartie vor der Sommerpause hatten wir den 1. FC Kaiserslautern im Olympiastadion zu Gast. Der 33. Spieltag stand ganz im Zeichen der 90er-Jahre. Unsere Jungs spielten im Sondertrikot, das Stadionprogramm erinnerte an diese Epoche. Woher stammte diese Idee?
Herrich: Rückblickend betrachtet waren die späten 90er-Jahre so etwas wie die Geburtsstunde der modernen Hertha. Damals hat der Club sportlich wie wirtschaftlich durch den Aufstieg und die sensationelle Qualifikation für die UEFA Champions League die Weichen für die Zukunft gestellt. Diese Zeit war wirklich prägend und hat in Berlin eine regelrechte Fußballbegeisterung ausgelöst. Daran wollten wir erinnern. Damals sind viele Menschen aus Berlin und Brandenburg Fans geworden, die den Verein bis heute prägen – als Angestellte in der Geschäftsstelle oder organisiert in Fanclubs mit ihrem Engagement. Außerdem waren die Rückmeldungen der Fans eindeutig: „Schwarzer Beton“, das Sondertrikot, das wir beim Sieg in Gelsenkirchen getragen haben, kam überwältigend an. Daher haben wir dem Wunsch unserer Anhängerschaft entsprochen und einen absoluten Klassiker neu aufgelegt. Es war ein erfolgreicher Abschluss vor eigenem Publikum, auch wenn wir gerne Ende Mai noch einmal im Olympiastadion gespielt hätten.

Du spielst auf das DFB-Pokalfinale an. Gegen die Roten Teufel mussten wir in dieser Saison drei Mal ran. Wie sehr schmerzt die Niederlage im Pokal-Viertelfinale noch, als unser Traum des Finales im eigenen Wohnzimmer zerplatzte?
Herrich: Das war ohne Frage eine ganz, ganz schmerzhafte Niederlage, die ohnehin zu einer schwierigen Zeit kam. Wir hatten den riesigen Wunsch, endlich dieses Finale zu erreichen. Wir waren nah dran, natürlich herrschte danach große Enttäuschung – ehrlicherweise kommt die bis heute punktuell durch. Leider waren wir an diesem Abend nicht gut genug. Dennoch hat die Pokalsaison uns wunderbare Momente beschert – die Siege gegen Mainz und das spektakuläre Kräftemessen mit dem HSV. Dieser Spielverlauf und das dramatische Elfmeterschießen waren Wahnsinn. Es lässt sich also auch daraus etwas Positives ableiten: Wir haben gesehen, was in diesem Wettbewerb möglich ist. Wir werden weiter gemeinsam daran arbeiten, dass dieser Traum in Erfüllung geht und haben nach wie vor die Ambition, das Endspiel zu erreichen. Aber natürlich wissen wir um die Schwere dieser Aufgabe.

Diese Partie – aber auch schon der Rückrundenauftakt gegen Düsseldorf zuvor – stand ganz im Gedenken an unseren völlig überraschend verstorbenen Präsidenten Kay Bernstein.
Herrich: Auch Monate danach ist es noch immer nicht begreifbar, dass Kay nicht mehr da ist. Wir waren alle geschockt von dieser unheimlich traurigen Nachricht. Er fehlt uns. Gleichzeitig hat sein Tod gezeigt, wie eng dieser Verein wieder zusammengewachsen ist. Das ist Kays herausragendes Vermächtnis und zeigt, wie großartig sein Wirken in seiner viel zu kurzen Amtszeit war. Die Anteilnahme war weit über unsere Hertha-Familie hinaus überwältigend, am Olympiastadion, in den Fanshops oder im digitalen Kondolenzbuch. Wir haben aus ganz Deutschland, sogar aus anderen europäischen Ländern, Beileidsbekundungen erhalten. Kay hat es verstanden, Hertha BSC seine Seele zurückzugeben. Wir gehen den Berliner Weg aber nicht in erster Linie weiter, weil wir es ihm schuldig sind, sondern weil wir alle davon überzeugt sind, dass es der richtige Weg für unseren Verein ist. Das werden wir mit aller Kraft tun, denn wir sind noch nicht am Ziel.

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Nach den Jahren, in denen wir als Big City Club bezeichnet wurden, tut dieser Realismus, diese Bodenständigkeit gut. Wir haben Fehler gemacht, aus denen wir gelernt haben und weiter lernen müssen.
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-Thomas E. Herrich

Thomas E. Herrich im Interview in der Traumfabrik.

Der Berliner Weg, den unser Verein noch zu Bundesliga-Zeiten ausgerufen hat, unterstreicht nicht nur das Vorhaben, noch stärker auf eigene Talente zu setzen und demütig, nachhaltig und realistisch zu arbeiten.
Herrich: Die Talententwicklung ist nur eine der tragenden Säulen. Zum Berliner Weg gehört auch eine ökonomische Nachhaltigkeit, die wir mit unserer Restrukturierung und Sanierung mit aller Konsequenz beschreiten. Wir haben zu lange mehr ausgegeben, als wir eingenommen haben – das geht nicht. Dazu haben wir es versäumt, unsere Basis, unsere Mitglieder und Fans vertrauensvoll mitzunehmen. Die Glaubwürdigkeit ist uns abhandengekommen, als wir krampfhaft versucht haben, zu wachsen. Diese Fehlentwicklung haben wir erkannt und korrigiert. Gleichzeitig haben wir wieder Möglichkeiten geschaffen, uns nahbar auf Augenhöhe zu treffen und uns auf unserem Weg zu begleiten. Dazu gehören unsere Arbeitsgruppen, in denen wir uns mit Fanvertreterinnen und Fanvertretern zu Themen wie Tickets, Merchandise oder Soziales austauschen. Wir müssen den Leuten, die unseren Club seit Jahrzehnten lieben, zuhören. Wir wissen, welche Bedeutung unser Verein bei seinen Fans und Mitgliedern hat, daraus ziehen wir unser Verantwortungsbewusstsein für unser Handeln. Es ist unsere Aufgabe, offen für Ideen und Anregungen zu sein. Dieser Dialog ist unverzichtbar, kann gleichzeitig trotzdem bedeuten, dass wir am Ende auch Entscheidungen zum Wohle von Hertha BSC treffen, die nicht immer populär sind. Bedeutsam ist in solchen Fällen die Art und Weise, weshalb wir solche Beschlüsse getroffen haben und weshalb wir so handeln. Nach den Jahren, in denen wir als Big City Club bezeichnet wurden, tut dieser Realismus, diese Bodenständigkeit gut. Wir haben Fehler gemacht, aus denen wir gelernt haben und weiter lernen müssen.

Es ist ein knappes Jahr her, dass Hertha BSC den schmerzhaften Gang in die Zweitklassigkeit antreten musste. Es folgte eine Phase der Ungewissheit und des Neustarts. Nach einem gemeinsamen Kraftakt mit Partnern und Wegbegleitern hat der Club die Lizenz erhalten und anschließend einen Umbruch bewerkstelligt. Wie läuft dieser Prozess?
Herrich: Die Konsolidierung ist nach dieser Saison selbstverständlich nicht abgeschlossen, dieser Weg der Sanierung und Restrukturierung bleibt alternativlos. Was wir aber sagen können: Die Richtung, in die wir uns bewegen, stimmt definitiv. Erstmals seit mehreren Jahren steuern wir wieder auf ein positives Betriebsergebnis hin. Wir haben die Sach- und Personalkosten minimiert und in allen Bereichen Einsparungen vorgenommen. Möglich ist dieses positive Ergebnis auch, weil wir Rückhalt von unseren Sponsoren und Wegbegleitern erfahren. Hier gilt unser Dank allen voran unserem strategischen Partner 777. Dieser Zuspruch ist für unser Handeln, für den Berliner Weg, immens. Dennoch gibt es keinen Grund, sich darauf auszuruhen. Wir können und müssen uns in vielen Bereichen weiter verbessern.

Und mit Blick auf das Sportliche?
Herrich: Es ist uns gelungen, einen Kader zusammenzustellen, in dem die Mischung aus erfahrenen und talentierten Jungs stimmt. 13 Bubis aus unserer Akademie haben in der 2. Bundesliga gespielt, das ist eine absolute Hausnummer, die gleichzeitig Antrieb und Motivation ist. In dieser Saison stand endlich wieder ein Team auf dem Platz, das unser Trikot mit Stolz trägt und mit dem sich alle Herthanerinnen und Herthaner identifizieren können. Dafür gebührt unser Dank den sportlichen Verantwortlichen um Benjamin Weber, Zecke Neuendorf und Pál Dárdai.

Dazu passt – sozusagen als Unterbau – das Abschneiden unserer U-Teams.
Herrich: Die Nachwuchsförderung ist ein komplexes Thema und besteht aus vielen Mosaiksteinchen, denn es geht um weit mehr als Fußball. Wir haben den jungen Menschen gegenüber eine Verantwortung, möchten sie auch in ihrer Persönlichkeitsentwicklung fordern und fördern. Dazu zählen u.a. Bildungsreisen, unsere U15 war beispielsweise im April in der Gedenkstätte in Auschwitz. Es ist essenziell, den jungen Talenten eine ideale schulische Ausbildung zu ermöglichen. Das machen wir gemeinsam mit der Sportschule im Olympiapark – Poelchau-Schule. Darüber hinaus möchten wir ihnen auch in den Bereichen Ernährung oder mentale Gesundheit die bestmögliche Betreuung zukommen lassen. Natürlich sind wir glücklich, wenn beispielsweise die U19 und die U15 ihre Staffeln gewinnen oder die U17 eine exzellente Rückserie spielt, aber es geht nicht nur um Punkte und Plätze. Gerade in diesem Bereich müssen wir individuell fördern, um weiter so eine hohe Durchlässigkeit zu erreichen. Die U23 ist da ein Beispiel: Der Blick auf die Tabelle macht nicht so viel Freude, aber wir wissen auch, dass sich viele Jungs in der Regionalliga für Höheres empfohlen haben und in Zukunft weiter werden. Schon in der nun zu Ende gegangenen Saison haben einige Talente aus der U19 erste Erfahrungen im Herrenbereich gesammelt.

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Ich möchte irgendwann auf meine aktive Zeit in diesem Verein zurückblicken und guten Gewissens sagen können: Wir haben den Grundstein dafür gelegt, dass Hertha BSC auf allen Ebenen nachhaltig gesund ist.
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-Thomas E. Herrich

Ein Faustpfand bleibt noch zu nennen: unsere Fans. Ein herausragender Mitgliederzuwachs, ein Plus an verkauften Dauerkarten und Trikots. Dazu ein Zuschauerschnitt von über 50.000, der sich auf Bundesliga-Niveau bewegt und weltweit unter den Top 30 ist. Hättest du mit dieser starken Unterstützung gerechnet?
Herrich: Damit rechnen durften wir nach den Enttäuschungen der Vorjahre nicht unbedingt. Aber wenn ich ehrlich bin, hatte ich ein wenig darauf gehofft, denn unsere Fans haben ein feines Gespür und dieser Abstieg fühlte sich anders an als die ersten beiden, die ich miterleben musste. Klar ist: Wir können uns gar nicht oft genug bedanken für diesen fantastischen Zuspruch. Dass wir einen Zuschauerschnitt haben, der besser ist als zu manchen Zeiten in der 1. Liga, ist sensationell. Wer diese Saison ins Olympiastadion gekommen ist, wird bestätigen, dass die Atmosphäre sehr oft für Gänsehaut gesorgt hat. Wenn ich da beispielsweise an die Partien gegen Karlsruhe, Gelsenkirchen, Nürnberg oder Rostock denke. Aber ich hatte auch mit Blick auf die Auswärtsblöcke nicht immer das Gefühl, dass wir 17 Auswärtsspiele hatten. Besonders bemerkenswert: Auch nach Rückschlägen standen die Fans immer hinter unseren Jungs. Das war wirklich beeindruckend.

Länger als bei unseren Männern läuft die Saison bei den 1. Frauen. Anfang Juni geht die erste Spielzeit unseres Teams in der Regionalliga Nordost zu Ende. Mit welchen Gefühlen blickst du auf die vergangenen Monate, in denen unsere Fußballerinnen für viel Freude gesorgt haben?
Herrich: Ich spreche für den ganzen Verein, wenn ich sage, wie glücklich und froh wir über unsere Mädchen- und Frauenabteilung sind. Das Team um Sofian Chahed leistet wirklich tolle Arbeit! Das gilt auch für Trainer Manuel Meister, dessen Vertrag wir erst verlängert haben. Mit ihren blutjungen Spielerinnen ist die Saison unserer 1. Frauen schon jetzt historisch – egal wie die letzte Begegnung ausgehen wird. Wie die Männer haben auch sie für viele bewegende Momente gesorgt: die Saisoneröffnung gegen den Karlsruher SC, das erste Tor gegen den 1. FC Union oder den Sieg gegen den FC Viktoria Berlin als Beispiele. Auch hier möchte ich mich herzlich bei unseren Fans bedanken, die sich nicht nur bei der Mitgliederversammlung 2022 für die Implementierung des Frauenfußballs im Verein ausgesprochen haben, sondern unsere Farben mit Begeisterung leidenschaftlich präsentieren. Zu Hause und auswärts, digital mit einem Fan-Podcast oder mit weiteren Aktionen. Über 1.300 lautstarke Fans im Gästeblock an der Försterei in der ersten Saison sind aller Ehren wert.

Wie ist es mit Blick auf die wirtschaftliche Konsolidierung gegenwärtig um unsere Alte Dame bestellt? Müssen sich die Blau-Weißen wie 2023 um die Lizenz sorgen?
Herrich: Der eingeschlagene Kurs, der bereits in diesem Jahr – und damit deutlich früher als geplant – zu einem positiven Betriebsergebnis führt, trägt auch hier Früchte. Wir werden in diesem Jahr nicht dieselbe Zitterpartie erleben.

Du hast im März deinen Vertrag verlängert, bist im April 60 Jahre alt geworden. Nächste Saison feierst du 20-jähriges berufliches Jubiläum, hast erfolgreiche und weniger erfolgreiche Zeiten mitgemacht. Was macht Hertha BSC für dich aus?
Herrich: Ich bin dem Verein ja sogar noch länger verbunden. In diesem Jahr feiere ich wie etwa 1.000 weitere Mitglieder mein 25-jähriges Vereinsjubiläum. Hertha BSC bedeutet in erster Linie Leidenschaft. Man kann diesen Job nicht ausüben, wenn man nicht hinter dem Club steht, wenn man nicht weiß, was dieser Verein so vielen Menschen bedeutet. Und diese Menschen, für die der Club mehr als ein Hobby ist, machen Hertha BSC aus.

Welche persönlichen Ziele hast du dir für die nächsten Jahre gesetzt?
Herrich: Ich möchte irgendwann auf meine aktive Zeit in diesem Verein zurückblicken und guten Gewissens sagen können: Wir haben den Grundstein dafür gelegt, dass Hertha BSC auf allen Ebenen nachhaltig gesund ist. Nur auf diesem Fundament kann Erfolg entstehen. Nachkommende Generationen sollen spüren, dass dieser Verein ihnen mehr Kraft gibt, als er ihnen nimmt. Es ist mein persönliches Ziel, diesen Weg zu ebnen.

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Wir möchten mit der gleichen Energie, die uns in dieser Saison ausgezeichnet hat, gemeinsam positive Momente kreieren. Und natürlich sind wir alle ambitioniert genug, dass wir sportlich noch mehr erreichen möchten.
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-Thomas E. Herrich

Ein übergeordnetes Ziel für die Zukunft ist eine eigene Spielstätte für unsere Blau-Weißen. Kannst du hier von neuen Entwicklungen berichten?
Herrich: Der Traum eines eigenen Stadions ist bei uns im Verein mittlerweile über Jahrzehnte gewachsen. Wir sind der Überzeugung, dass wir, so beeindruckend das Olympiastadion auch ist, eine eigene Heimat benötigen. Das Bild von unseren Fans, die direkt am Spielfeldrand und nicht durch eine Laufbahn getrennt, eine Einheit mit unserer Mannschaft bilden, treibt uns an. Auch für die nachhaltige finanzielle Sanierung unseres Vereins ist ein eigenes Stadion ein wichtiger Baustein. Gleichzeitig tut uns auch hier eine gewisse Demut gut. Wir sind nicht sonderlich erfolgreich damit gefahren, zu laut Forderungen zu stellen oder Standorte außerhalb Berlins zu nennen, ohne dabei unsere Basis und letztlich auch die Stadtgesellschaft mitzunehmen. Wir sind diesbezüglich auf einem sehr guten vertrauensvollen Weg. Die Expertenkommission, die wegen Kays Tod pausiert hat, hat ihre Arbeit wieder aufgenommen. Die politische Willensbildung in der Stadt ist unserem Projekt gegenüber positiv eingestellt. Das Miteinander mit den Fans, nicht zuletzt durch die Initiative „Blau-Weißes Stadion“, ist auch hier deutlich besser geworden. Trotzdem sind wir gut beraten, seriös zu arbeiten, zu wirtschaften und keine lauten Versprechungen und Ankündigungen von uns zu geben. Das Thema wird mich und unseren Verein noch weiter beschäftigen.

Am Sonntag stieg die erste von zwei Mitgliederversammlungen, im November steht eine Präsidiumswahl an. Wie erlebst du die Zusammenarbeit mit den Gremien gegenwärtig?
Herrich: Die Mitglieder haben vor zwei Jahren für einen Kurswechsel gestimmt und damit den Grundstein für unsere Arbeit seitdem gelegt. Das zeigt nochmal die herausragende Bedeutung der Mitgliederversammlung, dem höchsten Organ unseres Vereins. Das Miteinander mit den Gremien erlebe ich aktuell als herausragend. Die Geschlossenheit, die ich dort wahrnehme, ist großartig. Wir haben eine sehr gute Arbeitsatmosphäre und einen regelmäßigen, vertrauensvollen und qualitativ hochwertigen Austausch. Außerdem hat das Präsidium, angeschoben durch den Personalausschuss noch unter der damaligen Leitung von Kay Bernstein, mit Ralf Huschen einen exzellenten Finanz-Fachmann als zweiten Geschäftsführer gewinnen können. Das ist ein Schritt im Rahmen der weiteren finanziellen Gesundung, der auch zeigt, dass wir uns weiter professionalisieren und weiterentwickeln.

Gestatte uns eine Frage fernab unserer Alten Dame. In diesem Sommer findet die Europameisterschaft in Deutschland statt. Auch im Olympiastadion steigen Spiele. Verfolgst du das Turnier intensiv? Und vor allem: Wer wird Europameister?
Herrich: Ich bin fußballbegeistert, natürlich lässt mich eine Europameisterschaft im eigenen Land nicht kalt. Noch dazu sind sechs Spiele in Berlin auch eine großartige Gelegenheit, unsere Sportmetropole positiv darzustellen. Was unsere Nationalmannschaft angeht: Ich erlebe aktuell nach Jahren, in denen Verband und Team viel Spott aushalten mussten, eine gewisse Lust der Leute, das DFB-Team wieder zu mögen und gemeinsam einen erfolgreichen Sommer zu erleben. Wenn sich diese Stimmung durchsetzt, traue ich dem jungen Team auch den großen Wurf zu.

Lass uns zum Abschluss des Gesprächs einen Ausblick auf die neue Saison wagen. Was dürfen Hertha-Fans für 2024/25 erwarten?
Herrich: Sie dürfen erwarten, dass hier Menschen ihren Verein leiten, die um die Bedeutung von Hertha BSC wissen und die Lehren aus den Fehlern der Vergangenheit verinnerlicht haben. Wir möchten mit der gleichen Energie, die uns in dieser Saison ausgezeichnet hat, gemeinsam positive Momente kreieren. Und natürlich sind wir alle ambitioniert genug, dass wir sportlich noch mehr erreichen möchten. Wir gehen in jedes Spiel mit dem absoluten Willen, die drei Punkte zu holen. Und am Ende möchten wir uns in die Augen schauen und sagen, dass wir auf allen Ebenen sehr nah an das Maximum des Erreichbaren gelangt sind.

Beim abschließenden Heimspiel gegen Kaiserslautern, das ganz im Zeichen der 90er-Jahre stand, feierte auch unser legendäres Stadionmagazin „Wir Herthaner“ sein Comeback. Auch dieser Text erschien dort zuerst. Die Mehrzahl der gedruckten Exemplare ging bereits über die Ladentheken – doch wir haben noch eine geringe Stückzahl an Heften auf Lager, die ihr in allen Fanshops erstehen könnt. „Wir Herthaner“ kostet, passend zum Spieltagsaufhänger, 4 DM – also 2 Euro in heutiger Währung.

von Florian Waldkötter