Ulrich Thierbach steht vor dem Mannschaftsbus.
Profis | 8. Januar 2025, 19:00 Uhr

Dank Uli: Die Berliner sind da!

Der Silvesterabend verlief für Ulrich Thierbach unspektakulär. Der Busfahrer unserer Profis, der am Vormittag in unserer Hauptstadt aufgebrochen war, bezog nach der Ankunft mit dem blau-weißen Mannschaftsbus im französischen Marly sein Hotelzimmer. Es folgte ein kleiner Snack, ehe es für den 63-Jährigen auch schon ins Bett ging. Schließlich setzte der Herthaner seine Tour am Neujahrstag bereits um 05:30 Uhr fort. In den Morgenstunden durchquerte die von allen Teamangehörigen nur Uli genannte Fachkraft im Fahrbetrieb das verschlafene Paris. „Ich war fast alleine auf der Straße, was ich dort auch schon ganz anders erlebt habe“, berichtet Thierbach schmunzelnd im Gespräch mit Redakteur Erik Schmidt. Das finale Ziel des Berliners: Benalup-Casas Viejas in der spanischen Provinz Cádiz, wo unsere Jungs seit dem 4. Januar ihr Wintertrainingslager abhalten.

Der Stauraum des Mannschaftsbusses.

3.000 Kilometer unter Berücksichtigung der Lenk- und Ruhezeiten

Bereits einen Tag früher als die Mannschaft erreichte das von Uli gesteuerte Gefährt das vorübergehende Quartier. Zwei weitere nächtliche Zwischenstopps hatte der Busfahrer dazu eingelegt. Rund 3.000 Kilometer betrug die Gesamtstrecke. „Die Stationen habe ich mir im Voraus ausgeguckt. Mein Ziel war es, an den ersten drei Tagen jeweils etwa 800 Kilometer zu schaffen. Das ist gut aufgegangen“, erklärt Thierbach, der dabei die gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten beachten musste. Diese gestatten maximal neun Stunden pro Tag am Steuer, wobei es spätestens nach der Hälfte einer 45-minütigen Pause bedarf. Selbst eine herausfordernde Streckenführung auf der Zielgeraden brachte Uli nicht aus der Ruhe. „Alles in allem lief die Fahrt problemlos. Es gibt immer mal wieder Situationen, in denen man etwas zaubern muss. Das Wichtigste dabei: Gelassen bleiben! Hektik wäre der größte Fehler“, betont der Blau-Weiße, der zwar keine Passagiere, dafür aber jedoch unzählige Koffer und Kisten voller Klamotten und Utensilien an Bord hatte.

Die Rückscheibe des Mannschaftsbusses.

Über Frankreich und Italien zu unserer Alten Dame

Reisen wie diese bedeuten für Thierbach nichts Besonderes. Bereits seit 40 Jahren fährt der gelernte Motorenschlosser für Dieselmaschinen mit Bussen quer durch Europa – besonders in Frankreich und Italien lernte er in dieser Zeit unzählige Straßen kennen. Zu Beginn von Corona landete Uli dann bei unserer Alten Dame. Das aufwendige Hygienekonzept während der Pandemie verlangte, dass sich die Spieler auf zwei unterschiedliche Fahrzeuge verteilen. Zunächst unterstützte Thierbach also Stephan Behrendt ab Sommer 2020. Kurz darauf beerbte er den Ex-Kollegen, der sich in die Pension verabschiedet hatte. Nach Camps in Österreich und England begleitete der 63-Jährige unsere Jungs nun erstmals auf die iberische Halbinsel. Im Vorjahr waren das blau-weiße Vehikel und sein Lotse an der Spree geblieben.

Mit einem nagelneuen Modell in den Ruhestand

Seit vergangenen Sommer fahren unsere Herthaner aber ohnehin mit einem nagelneuen Modell durch die Gegend. Dieses setzte die Bus Verkehr Berlin KG – Thierbachs Arbeitgeber – erstmals zur UEFA EURO 2024 ein. Uli kümmerte sich bei diesem Turnier höchstpersönlich um den Transport der in unserer Hauptstadt residierenden österreichischen Auswahl. „Rund um das Olympiastadion kenne ich mich ja ganz gut aus“, sagt Thierbach mit einem Augenzwinkern. „Ich habe es aber nur gemacht, weil es keine Überschneidungen mit Hertha gab“, so der etwas andere Kilometerfresser weiter. Umso schneller lernte Uli sein Arbeitsgerät, dessen Kraftstoffverbrauch kaum mehr als 20 Liter auf 100 Kilometer beträgt und damit im Vergleich zum Vorgänger bei fast der Hälfte liegt, kennen. Obendrein erfüllt der 480 PS starke Bus die Abgasnorm Euro 6. Noch bis zum Sommer wird Thierbach unsere Jungs, die er nach ihrer Landung vom Flughafen in Málaga abgeholt hatte, mit diesem Fahrzeug von A nach B bringen. Danach sieht der Terminkalender lediglich Ausflüge mit dem privaten Wohnmobil vor. „Eigentlich hätte ich schon am 31. Dezember in Rente gehen können. Ich habe der Mannschaft aber versprochen, dass ich diese Saison noch zu Ende mache“, erzählt Uli, der hinzufügt: „Ab dem Herbst will ich dann mit meiner Frau immer mal wieder in die Wärme abhauen.“ Eventuell zieht es den Berliner auch nochmal nach Benalup-Casas Viejas, wo er momentan in der freien Zeit gerne die Sonne genießt. Da sich der Trainingsplatz auf dem Hotelgelände befindet und fußläufig erreichbar ist, ruht der Motor des Busses meist.

Ulrich Thierbach sitzt im Mannschaftsbus am Lenkrad.

Wie die Symphoniker so die Fußballer

Was Thierbach im Ruhestand am meisten vermissen wird? Das Zusammensein mit den Menschen! „Die Kommunikation hat mir an meinem Job immer besonderen Spaß gemacht. Man lernt viele unterschiedliche Charaktere kennen. Das war so, als ich noch die Berliner Symphoniker gefahren habe und ist nun bei unseren Jungs nicht anders“, sagt Uli, der am Samstag die Rückfahrt nach Deutschland antreten wird. Mit der Ankunft rechnet der Busfahrer am Dienstag. Zeitig genug, um das Fahrzeug für das Auswärtsspiel am folgenden Sonntag (19.01.25, 13:30 Uhr) beim SC Paderborn zu präparieren. Denn ganz egal, ob Ostwestfalen oder Andalusien – auch dank Uli wird es dann wie in großen Lettern auf dem Gefährt stehend wieder heißen: Die Berliner sind da!

von Erik Schmidt