
Report aus Block B: Gelebte Inklusion bei Hertha BSC
Am Samstag (08.03.25) startet die zwölfte alljährliche CAFE-Aktionswoche #TotalAccess. Sie macht auf Inklusion im Alltag und im Sport aufmerksam, stellt eingeschränkte und behinderte Menschen in den Mittelpunkt und ermöglicht ihnen Teilhabe. Zeit also, auch mal ins Olympiastadion und auf die Inklusionsarbeit von Hertha BSC zu blicken.
Einer, der seit einiger Zeit dafür verantwortlich ist, ist Christoph Scholz, seines Zeichens Blindenreporter bei den Blau-Weißen. Der 39-Jährige stellt sich seit mittlerweile elf Jahren in den Dienst unseres Vereins, um dessen blinden und sehbehinderten Fans ein ebenso besonderes und nahbares Stadionerlebnis zu ermöglichen. Aber wie genau funktioniert das, was die Blindenreporter in Block B und auf der Pressetribüne des Olympiastadions tun?

Spieltag aus Blindenperspektive
Der Blindenreport ist ein Ehrenamt, das Scholz und seine Kollegen Tom, Anton, Christian, Miron und Roman an den Spieltagen voll einbindet. „Zusammen mit einigen Volunteers bringen wir das gesamte Programm über die Bühne. Das fängt bei der ganzen Technik an, die wir zum Laufen bringen müssen, geht weiter mit den Audiogeräten, die wir verteilen, bis hin zur großen Reportage, die wir dann anbieten“, erklärt Scholz den groben Ablauf. Und da sind die Vor- und Nacharbeit sowie der soziale Aspekt noch nicht mit einbezogen: „Nachdem wir alles Technische geklärt haben, heißt es nämlich erst einmal eins: Begrüßen!“, erzählt er. „Zu jedem Spiel kommen mindestens 20 Menschen, oft sind es bis zu 40 Fans, die sich von uns Unterstützung wünschen. Und die meisten davon kommen seit Jahren zu fast jedem Spiel und sind große Hertha-Fans. Wir sind also mit vielen bekannt und eng verbunden“, freut sich der Reporter.
Vor dem Spieltag leistet Scholz bereits einige Stunden Arbeit, um seine Hörerinnen und Hörer bestmöglich zu informieren: „Wir bereiten uns so professionell es geht auf das Spiel vor. Wir wollen auch klar beleuchten, wie der Gegner aktuell drauf ist, ob es Besonderheiten bei den Aufstellungen gibt. Und ganz wichtig: Wir gehen auch vorher nochmal die Spielernamen durch. Die wollen wir definitiv korrekt aussprechen“, erläutert der Berliner seine Vorarbeit auf das Spiel. „Am Ende der Vorbereitung habe ich immer einen Riesenberg an Zetteln mit Fakten. Wenn zehn Prozent davon wirklich zum Einsatz kommen, ist das viel.“ Beeindruckend ist, dass Scholz sich als Ehrenamtler wie ein professioneller und bezahlter Radio- oder TV-Reporter auf ein Spiel vorbereitet und viel Zeit investiert, um den Fans ein angemessenes Programm zu bieten.

„Das ist gelebte Inklusion“
Wenn der Spielbeginn naht, kribbelt es wie bei den Fans auch bei dem hauptberuflichen Gymnasiallehrer. Als Hertha-Fan habe er natürlich eine blau-weiße Brille auf. „Dennoch wollen wir versuchen, einigermaßen neutral zu kommentieren. Wir hinterfragen auch mal eine Schiedsrichterentscheidung, aber wir steigern uns jetzt nicht in Tiraden rein“, erzählt Scholz augenzwinkernd. „Eine knappe Viertelstunde vor Anpfiff beginnen wir mit unserer Reportage. Wir beschreiben alles so detailliert wie möglich. Es muss schließlich ein genaues Bild für unsere Hörerinnen und Hörer im Kopf entstehen, um das Geschehen im gesamten Stadion auch zu verstehen“, sagt Scholz und beschreibt damit den Kern seiner Arbeit. „Wir müssen alles im Blick haben. Was passiert auf dem Feld? Wo genau ist der Ball? Genauso müssen wir aber auch erklären, was auf den Tribünen und in der Kurve geschieht. Wie sieht die Choreografie aus? Wie voll ist der Gästeblock? Wird Pyrotechnik gezündet?“, zählt Scholz wichtige Fragen auf.
Insbesondere Pyrotechnik sei ein großes Thema, was so schnell es geht, besprochen werden müsse: „Wenn wir nicht mitteilen würden, dass gerade Pyrotechnik gezündet wird, kann es schnell zu einer Panik kommen, wenn unkommentiert plötzlich ein verbrannter Geruch entsteht“, begründet Scholz den detaillierten Kommentar. „Das ist auch der Unterschied zwischen einem Blinden- und einem Radiokommentar. Ein Radiokommentator kann gegenüber seinen Hörerinnen und Hörern viel mehr visuelles Verständnis vom Spiel voraussetzen und muss nicht jede Situation bis ins tiefste Detail beschreiben. Ein TV-Kommentator kann sogar eine ganze Weile schweigen“, erklärt Scholz. „Wir können eigentlich gar nicht still sein. Das machen wir nur bei Schweigeminuten, wenn Fabian von Wachsmann die Aufstellung durchgibt oder wenn Frank Zanders ‚Nur nach Hause‘ erklingt. Da singen wir dann manchmal über unsere Audiogeräte mit den Fans inbrünstig mit“, erzählt Scholz lachend. Um sich gegenseitig zu ergänzen und im fünf Minutentakt abwechseln zu können, sind die Kommentatoren immer zu zweit im Einsatz.
„Wenn der Wunsch besteht und sich die Fans uns gegenüber äußern, gehen wir auch gerne nachträglich während des Spiels nochmal auf einzelne Szenen ein. Unsere konkrete Aufgabe ist es aber genau zu erklären, wo gerade der Ball ist. Und manchmal wünschen sich die Leute eben auch eine kleine taktische Erklärung“, erläutert er. „Das müssen und wollen wir auch ermöglichen! Genau wie uneingeschränkte Menschen wollen auch blinde oder sehbehinderte Fußballfans solche Erlebnisse erfahren und sich an den folgenden Tagen mit ihren Freunden über das Spiel unterhalten. Das ist gelebte Inklusion!“, erläutert Scholz. „Im Prinzip kann man unsere Frequenzen im gesamten Stadion empfangen. Die meisten zuhörenden Fans sitzen aber tatsächlich bei uns in Block B.“ Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, das Spiel online über das inklusive Spieltagsradio zum Beispiel am Smartphone zu verfolgen.

Der Weg zur Blindenreportage
Erstmals bot Bayer 04 Leverkusen die Blindenreportage 1999 an. Mittlerweile gibt es diesen Service bei jedem Verein der Bundesliga und 2. Bundesliga. „Im Sinne der Inklusion wird das mittlerweile von der DFL gefordert“, berichtet Scholz. „Wir bekommen regelmäßig Schulungen. Beim Aufbau der Abteilung haben wir insbesondere mit den Kollegen aus Leverkusen kooperiert“, erzählt die blau-weiße Stimme. Mittlerweile ist daraus ein ganzes Netzwerk zwischen den Reportern der verschiedenen Vereine entstanden.
Und wie wird man Blindenreporter? Christoph Scholz beschreibt seinen Start so, als wäre er in den Job „reingerutscht“: „Bei einem Heimspiel hatte ich mich direkt bei den Blindenreportern vorgestellt. Zunächst bin ich einige Monate als Besucher dabei gewesen, um zu lernen. Als ein Platz im Team frei wurde, habe ich die Chance genutzt“, erinnert sich Scholz. Mittlerweile sind die Strukturen professioneller. Es gibt Workshops, Schulungen und ausführliche Auswertungen der eigenen Arbeit.
Für die Blindenstimme ist der Job nicht nur ein Ehrenamt, für ihn ist es auch in gewisser Weise eine Frage der Ehre. „Vor ein paar Jahren durfte ich für unseren Ur-Herthaner Walter Frankenstein, der ebenfalls vor Ort war, ein Spiel kommentieren. Das hat großen Spaß gemacht und mich sehr geehrt. Und allgemein ist es fantastisch wie viel Dankbarkeit einem da entgegenkommt.“