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Engagement | 16. Mai 2025, 16:30 Uhr

Aus der eigenen Geschichte lernen: Zwangsarbeiter und Hertha BSC

Wenn tausende Herthanerinnen und Herthaner während des Zweiten Weltkriegs zur Plumpe am Gesundbrunnen strömten, um ihre Mannschaft anzufeuern, war die Chance groß, dass sie auf dem Weg zum Stadion an einem Zwangsarbeitslager vorbeikamen. Berliner Firmen, aber auch verschiedenste NS-Behörden richteten damals Lager für Menschen ein, die in den meisten Fällen unter Zwang aus den besetzten Ländern Europas zum Arbeitseinsatz ins Deutsche Reich verschleppt worden waren. Viele dieser Lager lagen mitten in Wohngebieten, auch für die unmittelbare Umgebung der Plumpe lassen sich mehrere Lagerstandorte nachweisen. Auf dem Feld des Hertha-Stadions lief währenddessen regelmäßig Bram Appel auf, der selbst ein niederländischer Zwangsarbeiter und für die erste Mannschaft von Hertha BSC rekrutiert worden war: In den Niederlanden war er vor seiner Verschleppung Fußballspieler gewesen. Es gibt zudem Hinweise auf mindestens zwei weitere niederländische Zwangsarbeiter, die für Hertha BSC in der ersten Mannschaft spielten.

Was aber hat es mit diesen Geschichten auf sich? Was bedeutete Zwangsarbeit im Nationalsozialismus, im Fußball, und speziell bei Hertha BSC? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Projektreihe ‚Aus der eigenen Geschichte lernen‘ in Kooperation mit dem Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit und dem Fanprojekt der Sportjugend Berlin.Zentraler Ansatzpunkt ist die Biografie Appels, der bei den Blau-Weißen als Zwangsarbeiter zum Torjäger vom Dienst wurde und mit seinen Treffern maßgeblich zu einem Pokalgewinn beitrug. Der Projektstart erfolgt im Mai 2025, geplant sind anschließend mehrere Veranstaltungen in Form von Führungen, Workshops, einer Buchvorstellung, einer Spurensuche sowie einer Ausstellung.

„Ich freue mich auf das Projekt mit Fans von Hertha BSC. In den letzten Jahren habe ich mich viel mit der Verknüpfung von Fußball und NS-Zwangsarbeit beschäftigt, einem Thema, das lange vergessen war. Für viele Zwangsarbeiter spielte der Fußball jedoch eine große Rolle, war zum Beispiel ein Moment von Selbstbehauptung in einer schwierigen, oft lebensbedrohlichen Zeit. Mit diesem Aspekt und vielen weiteren werden wir uns dann ausführlich beschäftigen“, erklärt Juliane Röleke, freie Bildungsreferentin am Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit Berlin Schöneweide.

Daniela Geppert, Leitung Bildungsbereich Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit, unterstreicht: „Ich freue mich auf das Projekt mit Hertha BSC, weil ich gerne zusammen mit Fans die Geschichte des Zwangsarbeiters und Hertha-Goalgetters Bram Appel erkunden möchte. Ich finde es spannend, wie Bram Appel selber mit seiner Zeit bei Hertha umgegangen ist, aber auch, wie seine Nachkriegskarriere von seinem Zwangsarbeitseinsatz und dem Fußballspiel für Hertha beeinflusst wurde. Mich interessieren die Perspektiven der Fans und ihre Fragen auf das Themenfeld NS-Geschichte und Zwangsarbeit. Mich beschäftigt bei dem Thema vor allem die Frage, wer spielen durfte und wer nicht. Fußball im Nationalsozialismus war stark von der rassistischen Ideologie der Nazis geprägt und das betraf auch Zwangsarbeiter.“

Stefano Bazzano, Leitung der Fanbetreuung bei Hertha BSC, ergänzt: „Wir freuen uns gemeinsam mit den Kooperationspartnern ein weiteres spannendes Bildungsangebot in unserer Reihe „aus der eigenen Geschichte lernen“ zu ermöglichen. Das Thema Zwangsarbeit scheint noch weitestgehend unbekannt, wir bieten Möglichkeiten sich damit auseinanderzusetzen und die Geschichte von Hertha BSC dahingehend aufzuarbeiten. Dabei können die unterschiedlichsten Perspektiven eingenommen werden. Uns interessiert natürlich, was in diesem Zusammenhang bisher erforscht wurde, aber darüber hinaus wollen wir mit Unterstützung unserer Fans noch unbekanntes ans Licht bringt.“

Ihr interessiert euch für das Projekt und wollt mitmachen? Dann meldet euch unter fanbetreuung@herthabsc.de.

von Hertha BSC