Marcelinho im Interview.
Club | 6. Mai 2025, 09:00 Uhr

„Hertha ist für mich zu einem zweiten Zuhause geworden“

Trainingsbesuch, Autogrammstunde im Fanshop im Europacenter, ein längerer Termin mit dem blau-weißen Medienteam und natürlich die Rückkehr ins Olympiastadion zur Ernennung zum Fahnenträger – Marcelo dos Santos, den alle Fußballfans nur Marcelinho nennen, hat ereignisreiche Tage hinter sich. Tage, an denen die Hertha-Familie den Brasilianer spüren ließ, dass sie seine vielen großartigen Momente in unserem Trikot nicht vergessen hat und wird. „Das hat sehr viele Emotionen in mir ausgelöst, gerade nach dem ich so viele Jahre nicht mehr da gewesen bin! Die Herzlichkeit, mit der ich hier wieder aufgenommen worden bin – all das hat sich sehr, sehr schön angefühlt“, sagt der 49-Jährige mit einem Lächeln und betont seine tiefe Verbundenheit mit unserer Alten Dame. „Ich habe hier die längste Zeit meiner Karriere verbracht, die meisten Tore geschossen und mich in Berlin einfach heimisch gefühlt. Hertha ist so für mich zu einem zweiten Zuhause und zu einem ganz besonderen Verein geworden.“ Im Interview mit Redakteur Konstantin Keller sprach unsere Clubikone außerdem über besondere Kollegen und Trainer, seine Lieblingsmomente mit der Fahne auf der Brust und die Rückkehr vor die Ostkurve.

Marcelo, willkommen zurück in Berlin, willkommen in deiner alten Heimat! Was ging dir durch den Kopf, als du in den vergangenen Tagen wieder durch die Stadt und über das Olympiagelände gelaufen bist?
Marcelinho: Das hat sehr viele Emotionen in mir ausgelöst, gerade nach dem ich so viele Jahre nicht mehr da gewesen bin! Die Herzlichkeit, mit der ich hier wieder aufgenommen worden bin, von den Fans, von allen bei Hertha – all das hat sich sehr, sehr schön angefühlt.

Du hast rund um deinen Besuch auch eine kleine Führung durch die Geschäftsstelle bekommen. Welche Eindrücke hast du mitgenommen, und konntest du noch den einen oder anderen Bekannten begrüßen?
Marcelinho: Es wirkte insgesamt alles sehr neu, vieles gab es zu meiner Zeit so noch nicht. Ich habe nicht mehr allzu viele Gesichter gekannt, aber einige von damals waren noch da, arbeiten jetzt als Trainer oder in anderer Funktion im Verein – Michael Hartmann zum Beispiel! Sehr gefreut habe ich mich, dass die vielen jungen Spieler, die mich auf dem Platz nicht mehr erlebt haben, mich derart herzlich begrüßt und sich über meinen Besuch gefreut haben.

Marcelinho in der Ostkurve.

Apropos Freude über deinen Besuch: Wie hast du deine Rückkehr ins Olympiastadion beim Heimsieg gegen Fürth erlebt? Du hast dort eine ganze Generation an Herthanerinnen und Herthanern mit deinem Fußball inspiriert und die Liebe der Fans zu dir ist offensichtlich ungebrochen…
Marcelinho: Ich war voller Vorfreude und ganz ungeduldig, endlich wieder ins Stadion zu kommen und die Reaktionen der Fans zu erleben. Gerade vor der Kurve, als sie meinen Namen gerufen haben, kamen viele Emotionen in mir auf. Davor und danach haben sie das Team klasse unterstützt. Ich hoffe, dass ich sie mit meinem Besuch glücklich machen konnte – und natürlich habe ich mich sehr gefreut, dass wir einen Hertha-Sieg gesehen haben!

Es gab viele großartige Momente von dir im blau-weißen Trikot – welche sind dir besonders in Erinnerung geblieben?
Marcelinho: (lächelt und überlegt kurz) Als ich in Wolfsburg drei Tore erzielt habe, das war ein Spiel, das herausgeragt hat. Der Treffer gegen Freiburg von der Mittellinie, den werde ich auch nie vergessen. Es gab in den Jahren hier viele außergewöhnliche Augenblicke und Spiele, an die ich gerne zurückdenke!

Marcelinho bejubelt ein Tor.
Lieblingsfrisur: Marcelinho bejubelt eines seiner vielen Tore in der Saison 2004/05.

Neben tollen Szenen auf dem Platz hast du auch mit deinen Frisuren für Aufmerksamkeit gesorgt. Welche war im Rückblick deine liebste?
Marcelinho: Oh ja, mir hat es Spaß gemacht, mit diesen vielen verschiedenen Farben zu experimentieren! Wenn ich so überlege, war das Gelb mein Favorit (grinst).

Neben großartigen Toren und vielen Siegen hast du auch eine Menge talentierter Mitspieler erlebt. Mit wem hast du dich am besten verstanden?
Marcelinho: Die engste Verbindung hatte ich zu Zecke! Er war mit seiner gesamten Art eigentlich ein Deutsch-Brasilianer (lacht). Auf dem Platz haben wir genauso viel Spaß gehabt wie außerhalb, er hat die Zeit hier für mich mitgeprägt und ist ein echter Freund.

Als Trainer hast du Jürgen Röber, Huub Stevens, Hans Meyer und Falko Götz erlebt. Unter wem hast du am liebsten gearbeitet?
Marcelinho: Alle hatten ihre eigenen Ansätze, waren gute Coaches und ich habe gerne unter ihnen gearbeitet. Wenn ich aber einen Favoriten nennen soll, dann ist das Falko Götz.

Womit hat er besonders hervorgestochen?
Marcelinho: Er war ein Trainer, der taktisch gut war und darüber hinaus auch gut darin war, sich außerhalb des Platzes mit den einzelnen Spielern zu unterhalten und zu beschäftigen. Gerade mit uns Brasilianern, wir waren zu dieser Zeit ja mehrere, war einfach eine gute Kommunikation vorhanden, das hat ihn ausgezeichnet.

Marcelinho im Legacy Jersey
Hertha BSC verfolgt Marcelinho weiterhin „so gut es nur geht, das ist mir wichtig!“

Bist du mit einigen Kollegen oder Vorgesetzten von damals noch im Kontakt?
Marcelinho: Ein bisschen, aber nicht so viel und nicht so regelmäßig. Mit Zecke spreche ich hin und wieder, auch zu Pál Dárdai und Niko Kovač gab es noch eine Zeit lang Kontakt, nachdem ich Hertha verlassen hatte. Das ist im Laufe der Zeit ein bisschen weniger geworden. Aber: Ganz abgerissen ist der Draht nie.

Du hast als Fußballer viel erlebt und erreicht – doch nirgends warst du so gut wie hier bei uns. Was war hier an der Spree so besonders?
Marcelinho: Ich habe mich in Berlin einfach heimisch gefühlt, hier die längste Zeit meiner Karriere verbracht und die meisten Tore geschossen. Es fühlte sich in vielen Momenten ein bisschen wie Brasilien an. Hertha ist so für mich zu einem zweiten Zuhause und zu einem ganz besonderen Verein geworden.

Mit deinen Fähigkeiten hast du es als Herthaner bis in die brasilianische Nationalelf geschafft. Was haben dir diese Spiele im gelben Trikot bedeutet?
Marcelinho: Hertha hat mir ermöglicht, durch meine guten Leistungen hier bis in die Seleção zu kommen. Dort die Chance zu haben, mit Spielern wie Rivaldo oder Ronaldinho zu spielen – das war das Größte, einfach eine Riesenehre. Ronaldinho Gaúcho ist für mich der Spieler überhaupt, der Beste, mit dem ich je zusammengespielt habe.

Es gab, nicht zuletzt wegen dir, auch einmal ein gelbes Hertha-Trikot. Erinnerst du dich daran?
Marcelinho: Ja! Das fand ich natürlich richtig gut. Wenn ich es übergestreift habe, hat es sich ein bisschen angefühlt wie das Trikot der Seleção. Dieses Gefühl motiviert dich als Brasilianer natürlich zusätzlich, noch mehr Gas zu geben. (schmunzelt)

Marcelinho im Interview.

Lass uns einen Sprung in die Gegenwart machen! Inzwischen lebst du wieder in Brasilien, hast aber viele Jahre deiner Karriere in Deutschland verbracht. Gibt es etwas von hier, das du in Brasilien vermisst? Wo liegt aus deiner Sicht der größte Unterschied zwischen den beiden Ländern?
Marcelinho: Ich habe mich in den vergangenen Jahren ein wenig verändert, denke und handele vielleicht insgesamt ein bisschen mehr wie ein Deutscher. Es wäre inzwischen hier und da fast einfacher für mich, in Deutschland zu leben, ich habe mich ein wenig an die Mentalität hier angepasst. Die Sicherheit, die Bildung, die Disziplin – das schätze ich alles sehr.

Inzwischen hast du auch als Trainer in deinem Heimatland gearbeitet. Kannst du uns erzählen, wie es dort für dich gerade läuft?
Marcelinho: Genau, ich bin seit drei Jahren Trainer. Zuletzt habe ich in Rio gearbeitet, in Brasilien wechselt man als Coach insgesamt einfach öfter den Club. In dieser Rolle möchte ich aber in jedem Fall noch wachsen und besser werden!

Trittst du selbst noch hin und wieder gegen den Ball?
Marcelinho: (Auf Deutsch) Ja! (lächelt) Immer. Ich bekomme regelmäßig Einladungen zu Partien, ob es private Termine oder offizielle Veranstaltungen sind. Außerdem trainiere ich auch nach wie vor regelmäßig und bin so ständig am Ball.

Wie intensiv verfolgst du dabei Hertha noch?
Marcelinho: So gut es nur geht, das ist mir wichtig! Wenn die Spiele übertragen werden, schaue ich immer rein. Sonst halte ich mich über Social Media auf dem Laufenden, was rund um den Club los ist.

Abschließend: Was wünscht du unserem Verein?
Marcelinho: Alles, und zunächst einmal die Rückkehr in die Bundesliga in den kommenden Jahren! Ich hatte so viele besondere Momente in diesem Trikot, die ich nie vergessen werde. Deutschland, Berlin und Hertha sind in dieser Zeit zu meinem zweiten Zuhause geworden und ich hoffe deshalb immer nur auf das Beste für den Verein.

von Konstantin Keller