Niklas Kolbe.
Profis | 20. Mai 2025, 17:38 Uhr

„Zuletzt ging es recht rasant zu“

Keine zwölf Monate nach seinem Profidebüt im Trikot des SSV Ulm 1846 Fußball unterschrieb Niklas Kolbe nun einen Vertrag bei unserer Alten Dame. In der gerade zu Ende gegangenen Saison hatte der 28-jährige Innenverteidiger mit überzeugenden Leistungen auf sich aufmerksam gemacht. „Bei mir ging es zuletzt schon recht rasant zu – von der Regionalliga in die 2. Bundesliga. Im vergangenen Sommer habe ich mir gedacht: Schauen wir mal, ob es vom Niveau reicht“, verrät der blau-weiße Neuzugang im Gespräch mit Redakteur Erik Schmidt. „Ich habe relativ schnell Spielzeit gesammelt und es anscheinend auch nicht so verkehrt gemacht, so dass sich mehrere Vereine gemeldet haben – eben auch Hertha BSC. Da war ich erstmal baff und habe direkt gesagt: Was soll noch krasseres kommen“, fügt der gebürtige Neuenbürger hinzu. Im Interview sprach der Defensivspezialist außerdem über die Rolltreppe im Olympiastadion, sein Studium und den Karlsruher SC.

Herzlich willkommen bei Hertha BSC, Niklas! Was kommt dir als erstes in den Sinn, wenn du an unseren Hauptstadtclub denkst?
Niklas Kolbe: Das Olympiastadion! Diese riesige Schüssel ist einfach imposant. Meine Vorfreude darauf, dort als Herthaner auf dem Rasen zu stehen, liegt bei einhundert Prozent. Wobei ich gar nicht weiß, ob einhundert Prozent ausreichen. Ich freue mich, wie ein kleines Kind, das zum ersten Mal zu McDonald’s darf.

Künftig wirst du also selbst die Fahne auf der Brust tragen. Wie kam dein Wechsel zustande? Welche Gründe gaben den Ausschlag für deine Entscheidung?
Kolbe: Bei mir ging es zuletzt schon recht rasant zu – von der Regionalliga in die 2. Bundesliga. Im vergangenen Sommer habe ich mir gedacht: Schauen wir mal, ob es vom Niveau reicht. Ich habe relativ schnell Spielzeit gesammelt und es anscheinend auch nicht so verkehrt gemacht, so dass sich mehrere Vereine gemeldet haben – eben auch Hertha BSC. Da war ich erstmal baff und habe direkt gesagt: Was soll noch krasseres kommen? Deshalb habe ich zügig mit meinem Berater und meiner Familie entschieden, dass Hertha der richtige Weg ist.

Inzwischen steht dein Wechsel offiziell fest. Du hast auch schon die obligatorischen Tests und Untersuchungen hinter dich gebracht. Wie war der erste Tag im Olympiapark?
Kolbe: Schon das Gelände macht deutlich, welche Wucht in dem Verein steckt – das Stadion, die vielen Plätze und die denkmalgeschützten Gebäude. Außerdem bin ich von den ganzen Leuten super empfangen worden. Ich war im Vorfeld schon ein bisschen aufgeregt, aber alle haben mir sofort ein gutes Gefühl gegeben. Die Gespräche mit den Verantwortlichen und dem Cheftrainer waren ebenfalls total angenehm und harmonisch. Ich wiederhole mich, aber meine es echt ernst: Ich freue mich unfassbar darauf, wenn es richtig losgeht!

Stefan Leitl begrüßt Niklas Kolbe.
Der Chefcoach begrüßt seinen neuen Schützling: Stefan Leitl mit Niklas Kolbe.

Du bist vor weniger als einem Jahr von den Stuttgarter Kickers nach Ulm gewechselt, hast dabei die 3. Liga komplett übersprungen und nun nach nur einer Saison in der 2. Bundesliga einen Vertrag bei Hertha BSC unterschrieben. Wie blickst du auf die vergangenen Monate zurück?
Kolbe: Ich bin den Verantwortlichen des SSV Ulm unglaublich dankbar für die Chance, die sie mir ermöglicht haben. Wenn ein Zweitligist einen Spieler aus der Regionalliga holt, sorgt das immer erstmal für gewisse Zweifel. Aber ich denke, dass ich das Vertrauen mit Leistung zurückzahlen konnte und trotz des Abstiegs alles Mögliche in die Waagschale geworfen habe. Dass ich schon nach einem Jahr wieder weggehe, macht mich natürlich etwas traurig – das ist mir vor allem nach dem letzten Spiel bewusst geworden. Die Menschen, ob auf der Geschäftsstelle oder in der Mannschaft, hatten mich super aufgenommen und waren insgesamt fantastisch. Ich bin jemand, der die Leute schnell ins Herz schließt und der sich wohlfühlen möchte – dazu gehören für mich auch persönliche Bindungen. Im Fußball bleiben Abschiede aber eben auch nicht aus.

Wie angesprochen ging es für dich vergangenen Sommer von der vierthöchsten in die zweithöchste deutsche Spielklasse: Wie groß waren die Unterschiede?
Kolbe: Der Unterschied war schon enorm. Man muss im Kopf viel schneller sein. Auf dem Platz geht in den entscheidenden Momenten einfach alles deutlich zügiger. Was mich aber am meisten überrascht hat, war das Mentale: Du musst über die 90 Minuten in jeder Situation zu einhundert Prozent da sein. Das war gerade in unseren Spielen, die oft knapp verliefen, entscheidend.

Du standest in beiden Duellen mit unserer Alten Dame die gesamte Spieldauer über auf dem Rasen. Wie hast du die Aufeinandertreffen erlebt? Welche Erinnerungen sind hängengeblieben?
Kolbe: Es war im Prinzip für fast alle Ulmer das erste Mal im Olympiastadion und von daher etwas ganz Besonderes. Obwohl ich ehrlicherweise aufgrund der Eindrücke aus dem Fernsehen gedacht hatte, dass die Rolltreppe noch länger sei (lacht). Außerdem fand ich die Fans, ihre Lieder und ihren Support – egal in welcher Situation – beeindruckend. Auch im Donaustadion.

Niklas Kolbe kämpft gegen Marten Winkler um den Ball.
Künftig läuft unser Neuzugang gemeinsam mit Marten Winkler im Olympiastadion auf.

Du bist Linksfuß und 1,96 Meter groß – wie würdest du dich darüber hinaus selbst als Spieler beschreiben?
Kolbe: Schwierige Frage (schmunzelt). Da ja mittlerweile alles messbar ist, kann ich von mir behaupten, dass ich nicht der langsamste bin. Außerdem bevorzuge ich es, Sachen spielerisch zu lösen und nicht einfach nur den Ball robust auf die Tribüne zu schlagen – wie man vielleicht aufgrund meiner Statur denken könnte.

Wie müsste ein Spiel verlaufen, damit du voll und ganz zufrieden bist?
Kolbe: Am besten zu Hause ohne Gegentor – und dafür mit dem entscheidenden Siegtreffer in der Nachspielzeit, so dass das Stadion explodiert. Dann wären die Emotionen am größten. Und so macht mir Fußball auch am meisten Spaß.

Du bist vergleichsweise spät im Profifußball angekommen. Wie würdest du deinen bisherigen Karriereweg kurz und knapp skizzieren?
Kolbe: Als Überschrift steht auf jeden Fall darüber: Alles richtig gemacht! Ansonsten sage ich es mal so: Ich bin ein Heimscheißer und habe gerne die Leute, die mir wichtig sind, um mich herum (grinst). Wenn ich mich wohl fühle, kann ich auch meine beste Leistung zeigen. Deswegen habe ich bislang auch ausschließlich für Vereine in Heimatnähe gespielt. Aber wer als Profi sportlich etwas erreichen möchte, muss meist irgendwann unabdingbar weg von zu Hause. Zusätzlich zum Fußball habe ich auch ein Studium in Einkauf & Logistik abgeschlossen. Das war für mich immer die oberste Prämisse, weil ich mit dem anderen Schritt nicht mehr gerechnet habe und ich diesen auch nicht erzwingen wollte. Bei den Stuttgarter Kickers konnte ich alles perfekt verbinden. Als ich den Abschluss in der Tasche hatte und die Angebote da waren, habe ich mir gesagt: Komm, versuch es, damit du dir später keine Vorwürfe machen kannst. Und so kam das alles zustande.

Inwiefern hilft es dir vielleicht auch, dass du dich Schritt für Schritt nach oben arbeiten musstest?
Kolbe: Die harte Arbeit ist auch einfach meine Art. Ich bin mir fußballerisch immer treu geblieben, habe mich nicht verstellt, mich immer reingehängt unter dem Motto: Das, was kommt, kommt. Ich glaube, dass das auch der Hauptgrund war, warum es jetzt so rasant nach oben ging. Nun hoffe ich, dass ich noch eine Weile verletzungsfrei bleibe und auch Hertha mit dieser Einstellung weiterhelfen kann.

Niklas Kolbe lacht.
Gute Laune im Gespräch: Der selbsternannte „Heimscheißer“ freut sich auf Berlin.

Du hast bislang deine gesamte Karriere in Baden-Württemberg verbracht. Nun verlässt du das Bundesland erstmals, um direkt in die Hauptstadt zu ziehen. Wie groß ist die Vorfreude auf diesen Schritt? Wie sehen deine Erwartungen aus?
Kolbe: Ich habe keine Erwartungen und bin Fan davon, alles auf mich zukommen zu lassen. Meine Freundin wird mich begleiten. Wir haben auch schon eine Wohnung an einem ruhigen Standort gefunden, wo ich dann hoffentlich gut abschalten kann. Die Stadt ist natürlich nochmal etwas ganz anderes, aber ich komme ja zum Fußballspielen. Und dafür finde ich hier optimale Bedingungen vor. Die Familie wird mit Sicherheit auch regelmäßig vorbeischauen, wobei die Entfernung natürlich schon groß ist. Ich bin ja ursprünglich aus Pforzheim, was bei Karlsruhe liegt.

Apropos Karlsruhe: Bei unseren Freunden vom KSC hast du im Nachwuchs gespielt…
Kolbe: ... ja! Und ich kenne auch viele Leute, die KSC-Fans sind. Die freuen sich sehr für mich und meinten: Geil, obwohl es ihrer Meinung nach noch nicht der komplett richtige blau-weiße Verein ist (grinst). Mit der KSC-Jugend habe ich übrigens auch beim Nike-Cup so ziemlich meine einzigen früheren Erfahrungen mit der Stadt Berlin gemacht.

Zum Abschluss noch eine weitere persönliche Frage: Wie vertreibst du dir deine freie Zeit am liebsten? Welche Hobbys hast du?
Kolbe: Fußball ist für mich nach wie vor ein Hobby – gerade, weil alles so schnell ging. Ich habe immer noch großen Spaß, weswegen es sich nicht nach einem Beruf anfühlt. Natürlich muss ich es aber mittlerweile so ansehen, da ich viel dafür investiere und dementsprechend bezahlt werde. Ansonsten bin ich sehr entspannt, gucke gerne Formel 1 und gehe gemütlich spazieren – künftig dann vielleicht an der Spree entlang oder durch den Tiergarten.

von Erik Schmidt