
Leuchtende Augen und wehende Fahnen
Bestens vorbereitet hatten die besonderen Gäste vor dem Anpfiff des Duells mit Hannover 96 ihre Plätze auf der Tribüne des Olympiastadions eingenommen: Sie trugen blau-weiße Kleidung, passenden Schmuck und sogar auf die entsprechenden Farben abgestimmten Eyeliner – alles, um unseren Hauptstadtclub beim abschließenden Auftritt der Saison 2024/25 so gut wie möglich zu unterstützen. Was für viele Herthanerinnen und Herthaner quasi Normalität bedeutet, stellte für die aus 45 geflüchteten Frauen und Kindern bestehende Gruppe ein unglaublich aufregendes Erlebnis dar. Für viele von ihnen war es bislang nämlich nicht selbstverständlich, in diesem Rahmen ein Fußballspiel sehen zu können. „Es war total cool! Als die Schals hochgehalten wurden und die Fans die Hymne gesungen haben, hatten wir alle Gänsehaut“, erzählt Tina Borgwarth. Die Mitarbeiterin der Internationalen Jugendgemeinschaftsdienste (IJGD) hatte den Besuch gemeinsam mit ihrer Kollegin Mahboubeh Mahboubi organisiert.
Über Ali Daei zur blau-weißen Leidenschaft
Der gemeinnützige Verein bietet in Wismar einen Treffpunkt für geflüchtete Frauen und Kinder, bei dem es vor allem um das Erlernen von Sprachen geht. Auch Migrationsberatung und interkulturelle Projekte gehören zum Angebot. Insbesondere die regelmäßige Begegnung mit anderen Menschen aus der Gegend besitzt besondere Bedeutung, um mögliche Vorurteile aus dem Weg zu räumen. Oder aber eben auch Ausflüge zu größeren Veranstaltungen wie einem Heimspiel unserer Alten Dame.

Die Brücke zu Hertha BSC schlugen Mahboubeh und ihre Fußballleidenschaft. Die gebürtige Iranerin begeistert sich seit der Weltmeisterschaft 1998 für das runde Kunstleder. Zu dieser Zeit lief auch Ali Daei für die Nationalmannschaft ihres Heimatlandes auf. Über den Stürmer, der zwischen 1999 und 2002 im blau-weißen Trikot aufgelaufen war, erfuhr Mahboubi gewissermaßen von unserem Verein. „Für iranische Menschen ist Ali Daei ein Gott und bleibt das für immer. Er steht stets für die richtigen Menschen ein“, betont Mahboubeh. Im Zuge der Proteste zu ‚Women. Life. Freedom.‘ engagiert sich der ehemalige Hertha-Profi seit 2022 öffentlich für Frauenrechte im Iran. Zwischenzeitlich erhielt der mittlerweile 55-Jährige deshalb sogar ein Arbeits- und Ausreiseverbot.
Ein wahrgewordener Wunsch
Aufgrund der Sympathien für Daei hegte Mahboubi schon länger den großen Wunsch, unseren Hauptstadtclub gemeinsam mit anderen Frauen eines Tages live im Olympiastadion spielen zu sehen. Dieser erfüllte sich nun! Die Gäste feuerten unsere Elf dabei ununterbrochen an und schwenkten mit großer Freude blau-weiße Fahnen. Welchen Stellenwert dieser Besuch hat, unterstreicht die Tatsache, dass Frauen im Iran der Zutritt zu Stadien immer wieder erschwert wird und zwischenzeitlich sogar ganz verboten war. „Es ist ein Erlebnis, das uns das Gefühl von Freiheit gibt. Wir brauchen alle die guten Momente, die positiven Einflüsse, das Lachen“, erklärt Mahboubeh. Als Zeichen der gemeinsamen Solidarität überreichte unser Präsidium der Gruppe im Rahmen ihres Besuchs ein Jersey von Ali Daei.

Die Reise hat sich nicht nur deshalb gelohnt: „Das Leuchten in den Augen der vielen Frauen war einfach grandios“, fasst Borgwarth zusammen. Ob sich die Gruppe künftig auch einmal selbst mit dem Ball am Fuß probieren möchte? „Ich glaube, es bleibt lieber beim Zugucken“, verrät Tina mit einem Lachen. Vielleicht erneut im Olympiastadion und vielleicht auch gemeinsam mit den Ehemännern. Die blieben diesmal noch zu Hause, wollen beim nächsten Mal aber mitkommen. Mahboubeh betont: „Den Anfang mussten die Frauen machen!“