
Die Alte Dame, Namibia & eine blau-weiße Kabine
Als Hertha-Fan Timm Buchholz vor einigen Jahren überlegte, wie er seinen Urlaub verbringen soll, fiel seine Wahl auf eine zunächst ungewöhnliche Entscheidung: ehrenamtliche Arbeit in Namibia. Über die lokale Zeitung erfuhr der gebürtige Pritzwalker von der Tätigkeit der Hilfsorganisation Dein Ball für Namibia (DBFN) in Swakopmund. Diese hatte der ebenfalls in Pritzwalk geborene Tony Arjen Dauglas im Jahr 2019 gegründet, nachdem er im Rahmen seines Studiums für ein Vereinspraktikum im südwestafrikanischen Land gewesen ist.
Mit wenig viel bewirken
In dieser Zeit sah Dauglas die Not beim ortsansässigen Verein, dem SFC Swakopmund. Denn es fehlte vor allem an Equipment. „In Deutschland sagt man beim Jugendtraining, dass möglichst jeder Spieler immer einen Ball am Fuß haben soll – das war hier einfach nicht möglich“, berichtet Tony von seinen ersten Eindrücken. Zurück in Deutschland ließ den Fußballbegeisterten die Zeit in Namibia nicht mehr los. Schnell merkte Dauglas, dass er mehr bewirken will. Hinzu kam ein Jobangebot als Jugendtrainer vor Ort – dieses nahm er gerne an und gründete schließlich die Organisation. Er fungierte fortan einerseits als DBFN-Leiter und andererseits als Coach der U9 und U13.

Durch die Covid-Zeit kam es jedoch zu weiteren Engpässen und einer Verschlechterung der Armutssituation. Da gerade Ernährung aber für die Leistung im Sport von hoher Bedeutung ist, richtete sich die Organisation neu aus. Tonys Arbeit konzentrierte sich nicht mehr nur auf die fußballerische Ausrüstung, sondern auch auf das Drumherum. Seit 2020 gibt es nun fast täglich eine spendenbasierte Essensausgabe für die Jugendspieler – darunter eine warme Mahlzeit am Freitag, um die Kinder und Jugendlichen mit einem vollen Bauch ins Wochenende zu schicken. Auch die Themen Bildung und Gesundheit greift der gemeinnützige Verein auf: So gibt es Nachmittagsbetreuung im Gemeinschaftsraum für Hausaufgaben und vom DBFN finanzierte Arztbesuche – zuletzt erhielten beispielsweise einige der Kinder zum ersten Mal eine Zahnuntersuchung. „Damit versuchen wir die Jugendlichen in ihrer Entwicklung zu unterstützen“, erklärt Tony. Ein wichtiger Bestandteil der Organisation ist außerdem das Wohnhaus „Blue Heaven“, das erbaut wurde, um zwölf Kindern ein sicheres Zuhause zu bieten.
Nicht nur der SFC Swakopmund profitiert von Dauglas unermüdlichem Einsatz: Auch mit anderen namibischen Vereinen pflegt der Organisationsleiter Kooperationen. Dafür fährt der DBFN-Gründer im ganzen Land zu den abgelegensten Sportclubs und verteilt Sachspenden. Darunter einige Male auch schon Hertha-Trikotsätze.

Dem Brandenburger geht es hauptsächlich darum, den Kindern Hoffnung zu geben, ihren Horizont zu erweitern und zu zeigen, dass sie mit Arbeit und der richtigen Unterstützung ihren Zielen und Träumen immer näherkommen können. „Man kann schon mit relativ wenig ganz viel bewirken“, fasst der Coach seine Arbeit zusammen.
Blau-weiß und Ha Ho He in Swakopmund
Im Jahr 2021 kam schließlich auch Buchholz zum ersten Mal dazu. Vor Ort half der Anhänger unserer Alten Dame unter anderem beim Training der Jugendmannschaften. Da die Einheiten erst nachmittags stattfanden, überlegten die beiden Pritzwalker, was sie außerdem tun könnten. Tony träumte schon immer davon, das alte Lager in eine Umkleidekabine zu verwandeln. Gesagt, getan: Timm packte trotz seiner selbsternannten beiden linken Hände mit an, räumte das Lager aus und machte alles sauber. Hinterher begann der Feinschliff – so auch das Streichen der Wände. Als Hertha-Fan war für ihn klar, dass er unseren Hauptstadtclub in irgendeiner Art verewigen möchte.

Daher fiel Buchholz die Wahl der Farben auch nicht besonders schwer: Blau und Weiß sollten es sein, ergänzt durch ein „Ha Ho He“ an der Wand. Den Umbau finanzierten Herthanerinnen und Herthaner. Aufgrund von Timms Kontakten in die Fanszene dauerte es nicht lang, bis durch seinen Aufruf genug Geld für den Umbau zusammenkam. Damit bewiesen die Fans unserer Alten Dame, was entstehen kann, wenn man gemeinsam anpackt. Insgesamt war der Brandenburger nun bereits drei Mal vor Ort – zuletzt mit seiner Mutter, die eine Patenschaft für eine Spielerin übernahm. „Der Fußball gibt den Kindern eine Struktur. Sie arbeiten den ganzen Tag darauf hin, dass sie abends zum Fußballtraining kommen können“, beschreibt Buchholz die Bedeutung des Sports in Swakopmund.
Von der Fahne zum Frauen-Coach der Alten Dame
Auch für den Blau-Weißen selbst spielt das runde Kunstleder eine wichtige Rolle im Leben. Als Kind kam er durch ein Geschenk zum ersten Mal mit unserem Hauptstadtclub in Berührung und war schnell überzeugt: „Das ist eigentlich ganz einfach. Man muss nur einem zwölfjährigen Kind die richtige Fahne schenken“, erinnert sich Timm lachend. Danach nahm alles seinen Lauf: Das erste Mal im Stadion und einige Dauerkarten später war das Mitglied des Fanclubs AKJ maßgeblich in die Entstehung unserer blau-weißen Frauen- und Mädchenabteilung involviert. Gemeinsam mit dem Präsidium rund um unser verstorbenes damaliges Cluboberhaupt Kay Bernstein erarbeiteten Buchholz und weitere Vertreter der Fanszene mit Erfolg eine Grundlage für die Gründung. Darüber hinaus nahm der Herthaner das Angebot an, eine der neu entstandenen Mannschaften zu übernehmen und trainierte schließlich bis zuletzt die 3. Frauen. Ein erneuter Besuch in Namibia ist aktuell auch schon in der Planung: „Ich werde wahrscheinlich nächstes Jahr direkt wieder hinfliegen“, freut sich der Pritzwalker auf seinen nächsten Aufenthalt.