Tobias Kurbjuweit im Studio.
Frauen | 2. Juli 2025, 12:15 Uhr

„Zu jeder Zeit aktiven Fußball spielen“

Tobias Kurbjuweit präsentierte sich bei seiner Vertragsunterschrift voller Vorfreude und gleichzeitig sehr fokussiert auf die neue Aufgabe als Cheftrainer der 1. Frauen. Für den gebürtigen Thüringer ist es eine Rückkehr, arbeitete er schließlich bereits erfolgreich in unserer Fußball-Akademie und will jetzt mit unseren Herthanerinnen den nächsten Entwicklungsschritt machen. „Ich möchte, dass wir systemunabhängig zu jeder Zeit einen aktiven Fußball spielen. Zudem wollen wir uns einige Dinge für unser Spiel erarbeiten, die einen gewissen Wiedererkennungswert haben“, erklärt der Coach im Gespräch mit Redakteur Konstantin Keller. Neben dem Fußballerischen ist Kurbjuweit spürbar auch die menschliche Komponente wichtig. „Athletinnen und Athleten müssen sich auch wohlfühlen. Nur wer gerne zum jeweiligen Standort kommt, kann maximale Leistungen bringen und sich weiterentwickeln“, unterstreicht der 42-Jährige. Im Interview verrät der ehemalige Profi außerdem, welche Begegnung ihn besonders von seinem neuen Team überzeugt hat, was seine schönsten Erinnerungen an das Olympiagelände sind und welche Ziele er sich inhaltlich steckt.

Tobias, herzlich willkommen zurück in Berlin und bei Hertha! Kannst du uns zum Einstieg erzählen, was dich an der Aufgabe bei unseren Blau-Weißen besonders gereizt hat?
Kurbjuweit: Ich finde die Gesamtentwicklung des Mädchen- und Frauenfußballs beeindruckend! Nach den Gesprächen mit Sofian Chahed war mir relativ schnell klar, dass ich große Lust habe, mich in diesem Bereich einzubringen und in der Arbeit mit überwiegend jungen, aber auch wenigen erfahrenen Spielerinnen verschiedene fußballerische Prozesse und Entwicklungen mit anschieben zu können.

Entwicklungen sind eine gute Einleitung zur nächsten Frage. Du hast vorher beim HSV und auch in unserer Akademie als Co-Trainer sowie als Cheftrainer gearbeitet. Inwiefern können dir diese Vorerfahrungen auch bei deiner neuen Aufgabe an der Spree helfen, insbesondere im Hinblick auf unser junges Team?
Kurbjuweit: Ich habe viel von der Zusammenarbeit mit sehr erfahrenen Trainern gelernt und konnte in dieser Zeit auch einiges selbst ausprobieren. Man lernt durch die eher langfristig angelegten Planungen in den Akademieteams die Notwendigkeit, Dinge dort in gewissen Zyklen zu entwickeln. Nun hoffe ich, dass ich möglichst viel davon einbringen kann – und bin gespannt, was inhaltlich beim Team schon vorhanden ist und welche Persönlichkeiten wir haben, um gemeinsam die weitere Entwicklung anstoßen zu können. Ich bin niemand, der Inhalte und Strukturen gänzlich überstülpt, sondern glaube, dass es entscheidend ist, die Athletinnen von Anfang an auf dem gemeinsamen Weg mitzunehmen. 

Wie hast du denn den bisherigen Weg unserer 1. Frauen verfolgt?
Kurbjuweit: Der letzte Funke, der mich inhaltlich komplett von der Mannschaft überzeugt hat, war das Heimspiel gegen Viktoria im Berlin-Pokal. Das ging zwar leider verloren, aber ich habe dort viele sehr, sehr gute Elemente von den Mädels gesehen, die man für kompletten Fußball benötigt. Auch deshalb freue ich mich, darauf aufzubauen und daran anzuknüpfen!

Welche Unterscheide im Vergleich zur Arbeit mit Juniorenmannschaft erwartest du?
Kurbjuweit: Die Persönlichkeiten und die Altersstruktur sind insgesamt andere. Mein letzter Chef in Hamburg war Horst Hrubesch, mit ihm habe ich mich öfter zum Mädchen- und Frauenfußball ausgetauscht. Er hat mir bereits einige Unterschiede aufgezeigt, trotzdem geht es nun natürlich darum, das selbst zur erleben. Wir haben teilweise viel Vorerfahrung im Team, in der Ausbildung der Spielerinnen waren andere Einflüsse dabei, gerade bei denen, die in den vergangenen beiden Jahren den Stamm gebildet haben. All das ist total spannend und ich bin begeistert, jetzt gemeinsam mit dem Team die nächsten Schritte gehen zu können!

Tobias Kurbjuweit im Gespräch.

Du trainierst erstmals ein Frauenteam, kennst aber Hertha und die Bedingungen auf dem Olympiagelände schon gut. Welche Erinnerungen hast du? Gibt es etwas, worauf du dich freust?
Kurbjuweit: Rein naturell fällt mir auf Anhieb der Sonnenuntergang gen Westen ein (lacht). Sportlich gesehen erinnere ich mich gerne an meinen Einstieg bei Hertha als Co-Trainer von Andreas Thom und des Jahrganges 1996, als wir deutscher Vizemeister geworden sind. Die Bedingungen im Olympiapark, um sich weiterzuentwickeln, sind insgesamt sehr gut: Gute Plätze, ein fantastischer Kraft- und Athletiktraum. Außerdem freue ich mich schon auf die Arbeit mit meinem neuen Staff, der viel Erfahrung im Frauen- und Mädchenbereich mitbringt. Wir werden mit Sicherheit viel voneinander lernen und uns gegenseitig weiterentwickeln können. Dieses Gesamtpaket müssen wir dann mit unserer Arbeit auf den Platz bekommen! Gemeinsam erfolgreich zu sein und guten Fußball zu spielen – darum geht es am Ende. Ich freue mich darauf, das Gelände wieder als Trainer betreten zu dürfen.

Lass uns dich ein wenig besser als Trainer kennenlernen: Was macht für dich guten Fußball, den Fußball, den du von deinen Teams sehen willst, aus?
Kurbjuweit: Ich möchte, dass wir systemunabhängig zu jeder Zeit einen aktiven Fußball spielen, egal ob wir den Ball gerade haben oder nicht. Ich mag es nicht, wenn Mannschaften in Passivität verfallen und denke, dass sich der Frauenfußball auch dorthin entwickelt hat, dass solche Phasen immer weniger werden. Zudem wollen wir uns einige Dinge für unser Spiel erarbeiten, die einen gewissen Wiedererkennungswert haben. Wenn man dann ständig aktiv ist und kreieren darf, macht das den Sportlerinnen auch am meisten Spaß.

Eine spannende Herausforderung wird in der kommenden Spielzeit der Spagat zwischen Weiterentwicklung und gleichzeitig maximaler Wettbewerbsfähigkeit. Wie möchtest du mit deinem Team beides vereinen?
Kurbjuweit: Das ist eine der spannendsten Fragen im Zwischenkorridor von Amateur- und professionellem Fußball! Es wird darum gehen, untereinander ein gutes Verhältnis zu haben und die Spielerinnen mitzunehmen. Und zwar bei allen Dingen, auch solchen abseits des Fußballs. Berufliche, private Themen mit denen aus der fußballerischen Arbeit zu vereinen, offen und ehrlich miteinander umzugehen – das ist auf diesem Niveau entscheidend. Natürlich sind Strukturen und gute Trainingsarbeit ebenfalls sehr wichtig, aber Athletinnen und Athleten müssen sich auch wohlfühlen. Nur wer gerne zum jeweiligen Standort kommt, kann maximale Leistungen bringen und sich weiterentwickeln!

Die Regionalliga Nordost wird dein neues Aufgabenfeld. Was macht die Liga aus deiner Sicht aus? Wie kann unser Team sich im Wettbewerb dort noch weiter steigern?
Kurbjuweit: Der Wettbewerb ist aktuell noch nicht ganz einfach zu greifen, auch, weil einige zweite Mannschaften dabei sind, bei denen man abwarten muss, wie sich die Vereine inhaltlich mit diesen Teams bewegen wollen. Natürlich wird es wichtig sein zu wissen, wie die jeweiligen Gegner agieren, um entsprechende fußballerische Lösungen zu generieren. Grundsätzlich bin ich aber immer gut damit gefahren, wenn ich mich mit meinen Teams auf uns selbst fokussiert habe – nicht zu sehr auf die anderen. Wenn man grundsätzliche Dinge immer wieder konstant abrufen und sich dann nach und nach steigern kann, ist man nicht so abhängig davon, was um einen herum passiert. Am Ende des Tages ist Fußball in der Theorie eine relativ einfache Sportart (lächelt).

Abschließend: Unter welchen Bedingungen können wir im kommenden Sommer zusammensitzen und von einem gelungenen Jahr für unsere 1. Frauen sprechen?
Kurbjuweit: Wenn wir mit begeisterungsfähigem Fußball unser ausgegebenes Ziel, den Aufstieg, erreichen und so zur Weiterentwicklung des gesamten Mädchen- und Frauenfußballs bei Hertha BSC beitragen! Dabei müssen wir als Team auf die gute Basis, die mein Vorgänger mit der Mannschaft gelegt hat, aufbauen. Darüber hinaus wollen wir, dass die Zuschauenden nach unseren Spielen zufrieden nach Hause gehen, Spaß an unserem Fußball haben und sich damit identifizieren können.

von Konstantin Keller