Grafik für den Hertha-Moment mit Christian Deppisch.
Fans | 7. September 2025, 15:00 Uhr

Dieser Moment, als ich Herthaner wurde

War es der erste Schal, den eure Eltern euch auf dem Weg zum Spiel gekauft haben? War es der erste durchs Olympiastadion hallende Hertha-Fangesang, der euch nachhaltig beeindruckt hat? Oder doch die Kunststücke einzelner Blau-Weißer auf dem grünen Rasen – von Ete Beer über Marcelinho bis hin zu Marko Pantelić? Jede Herthanerin und jeder Herthaner hat einen eigenen Weg in unsere blau-weiße Familie. Gemeinsam mit der Sparda-Bank Berlin sucht unser Hauptstadtclub genau diese Geschichten – diesen Moment, als ihr Herthaner geworden seid.

Christian Deppisch in Hertha-Kleidung am Gipfelkreuz.
Der 'Woidla-Herthaner' ist häufig in unseren Farben in den Bergen unterwegs.

In Blau-Weiß über Stock und Stein

Wer schon einmal im Wald oder den Bergen im Süden von Deutschland unterwegs war, ist dabei vielleicht Christian Deppisch über den Weg gelaufen. Der sogenannte „Woidla-Herthaner“ nimmt seinen Lieblingsverein auf jedem seiner Wege mit. Das Wort „Woid“ bedeutet Wald – und in eben diesem ist der 40-Jährige des Öfteren in unseren Farben unterwegs. „Ob im Chiemgau, in den Alpen oder im Bayerischen Wald – ich versuche Hertha überall zu repräsentieren“, erzählt der Fußballfan begeistert. Fest zum Gepäck des Wanderers gehören Sticker, die er am Gipfelkreuz platziert, eine kleine Fahne, ein Trikot und zwei bis drei Schals – allesamt gut verstaut in seinem Hertha-Rucksack. Dadurch kommt der Herthaner oft ins Gespräch – etwa auch mit KSC-Fans, zu denen er mittlerweile eine enge Freundschaft pflegt. Dass die Liebe zu unserer Alten Dame keine Grenzen kennt, beweist der gebürtige Oberpfälzer aus Neumarkt in der Nähe von Nürnberg eindrucksvoll. Aufgewachsen in Bayern, begann seine Geschichte mit unserem Hauptstadtclub nicht im Olympiastadion – sondern in einem Krankenhausbett.

Ein Buch, ein Bild – und ein Traum

Ende der 1980er Jahre war der damals Zweijährige nach einer Verletzung für einige Tage in stationärer Behandlung. Um dem jungen Patienten die Zeit zu vertreiben, brachten ihm Familie und Freunde verschiedene Bücher mit – darunter auch ein Bildband über Fußballstadien. Auf einer der Seiten befand sich das Olympiastadion, das Christian sofort faszinierte. Somit war auch der Wunsch geboren, die Spielstätte unseres Hauptstadtclubs einmal mit eigenen Augen zu sehen. Dieser erfüllte sich schneller als gedacht durch einen Schulfreund von Deppischs Vater. „Anfang 1988 ist mein Traum wahrgeworden. Bekannte meiner Eltern haben mich nach West-Berlin mitgenommen. Wir sind durch die DDR gefahren und ich hatte ein Kindervisum. Dann wurde ich bei dem Schulfreund meines Vaters abgesetzt, der mich schließlich mit ins Stadion genommen hat. Als Dreijähriger direkt davor zu stehen, hat mich total überwältigt“, erzählt der 40-Jährige von seinem ersten Stadionerlebnis.

Christian Deppisch mit seiner Gitarre.
Mit Straßenmusik finanzierte Christian Deppisch sich als Jugendlicher die Besuche im Olympiastadion.

Mit der Gitarre zwischen Bayern und Berlin

Der Besuch im Olympiastadion markierte den Beginn einer lebenslangen Verbindung zu unserer Alten Dame. „Hertha hat für mich immer eine wichtige Rolle gespielt. Ich komme ja aus dem weiß-blauen Freistaat und habe mit Hertha einen blau-weißen Verein gefunden“, sagt der Oberpfälzer über seine Verbindung zu unserem Club. Im Teenager-Alter nahm Christian immer regelmäßiger den weiten Weg auf sich. Um sich die Besuche in der Hauptstadt zu finanzieren, gab der Herthaner Gitarrenunterricht oder erspielte sich mit Straßenmusik das nötige Geld für Zugfahrt und Eintritt. An Spieltagen stand der Musiker sogar oft noch in Berlin mit seiner Gitarre an belebten Ecken, schloss Gepäck und Instrument am Zoologischen Garten ein und machte sich dann auf den Weg ins Stadion.

Hertha immer im Herzen

Nach der Schule schlug der Absolvent einen ungewöhnlichen Weg ein: Er machte eine geistliche Ausbildung und lebte sechs Jahre lang in einem katholischen Kloster. In dieser Zeit war kein Stadionbesuch möglich – aber die Spiele seines Lieblingsvereins verfolgte der Fußballfan weiter per Radio-Konferenz. „Hertha trage ich immer im Herzen. Die Fahne auf der Brust bewahrt mich vor Krankheiten und schlechten Eigenschaften“, schmunzelt Deppisch. 2010 kehrte der ‚Woidla-Herthaner‘ erstmals wieder nach Berlin zurück. Inzwischen kommt er zu nahezu jedem Heimspiel. Oft verbindet der Süddeutsche seinen Aufenthalt in der Hauptstadt auch mit einem Besuch beim öffentlichen Training oder den Spielen der U23. An Stadionführungen nimmt der Anhänger ebenfalls regelmäßig teil und kann inzwischen auswendig mitsprechen.

Christian Deppisch mit Fabian Drescher vor dem Olympiastadion.
Bei einem Heimspiel traf der Fußballfan unseren Präsidenten Fabian Drescher.

Mehr als nur Fußball

Der Oberpfälzer mit Asperger-Autismus ist vermutlich einer der wenigen Menschen mit dieser Diagnose, die regelmäßig in einer Fankurve stehen. Für ihn ist es ein Ort der Inklusion – in der Ostkurve fühlt er sich immer willkommen. Durch seine Leidenschaft für Zahlen und den Ballsport hat Christian ein besonderes System entwickelt: einen Rückennummern-Kalender, bei dem er am jeweiligen Tag ein passendes Trikot trägt – das von Fabian Reese beispielsweise am 11. jeden Monats. Neben Reese zählen aktuell auch Sebastian Grønning, Tjark Ernst und Maurice Krattenmacher zu seinen Lieblingsspielern. Besonders stolz ist er auf Letzteren, der als Bayer bei Hertha spielt – ein Trikot mit dessen Namen steht als Nächstes auf der Wunschliste.

Auch wenn Deppisch sich mal nicht in der Hauptstadt aufhalten kann, denkt er stets an unsere Alte Dame: „Ich kenne in Bayern wirklich jeden Erst- und Zweitligisten. Aber ich habe Hertha nie aus den Augen verloren. Ich habe immer gesagt: Das ist der Verein, der für mich einfach wichtig ist.“

von Alexandra Pappschek