Nora Giannori im Interview.
Frauen | 10. Oktober 2025, 10:35 Uhr

„Es liegt an uns“

In jedem Pflichtspiel zum Einsatz gekommen, in jedem Ligaspiel in der Startelf gestanden: Für Nora Giannori läuft die Spielzeit 2025/26 bislang nach Geschmack. Die Herthanerin, die seit der ersten Saison zum Kader unserer 1. Frauen gehört, hat sich festgespielt und zur Führungsspielerin entwickelt. „Ich bin jemand, der auf dem Platz und innerhalb des Teams gerne spricht. Deshalb bin ich dankbar, dass mir dieses Vertrauen gegeben worden ist und ich dabei eben auch lernen darf, wie man eine Führungsrolle übernimmt“, bekräftigt die 21-Jährige, die in diesem Jahr erneut zum Mannschaftsrat gehört und nun mit den Kolleginnen am Sonntag (12.10.25, 14:00 Uhr) in Magdeburg nachlegen möchte. „Wir müssen unser Spiel spielen und das auf den Platz bringen, was wir können, dann bin ich zuversichtlich. Es liegt an uns“, sagt Giannori. Im Interview mit Redakteur Konstantin Keller spricht die Abwehrspielerin über die Entwicklung des Teams, Vorbilder und weitere Ziele sowie gute Gründe für einen Heimspielbesuch bei den Blau-Weißen.

Nora, durch das klare 9:1 gegen Dresden seid ihr Tabellenführer der Regionalliga Nordost. Am Sonntag habt ihr noch mit den Fans gefeiert – wie fühlt sich diese Momentaufnahme mit etwas Abstand an?
Giannori: Sehr gut! Wir sind aktuell dort, wo wir hinwollen. Vergangene Saison waren wir schon einmal eine Woche Tabellenführer, haben das Ganze aber schnell wieder aus der Hand gegeben und dann nicht wiederholen können. Ich habe das Gefühl, dass wir jetzt auf einem Weg sind, wo uns das nicht mehr passiert. Und das ist der wichtigste Part! Der Moment ist schön, aber es wartet noch viel Arbeit auf uns, bei der wir bestätigen müssen, was wir bisher gezeigt haben.

Nora Giannori jubelt.

232 Fans haben euch zuletzt vor Ort unterstützt. Vielleicht überlegt die eine oder der andere da draußen, auch endlich mal zu den 1. Frauen zu gehen! Warum sollten zum nächsten Heimspiel auf jeden Fall noch mehr Herthanerinnen und Herthaner kommen? Was zeichnet euch als Mannschaft aus?
Giannori: Was spricht dagegen? (grinst) Wir gewinnen, schießen viele Tore, spielen attraktiven Fußball. Im Team gibt es so viele Spielerinnen, die gerade im letzten Drittel so viele verschiedene Aspekte mitbringen. Dadurch treffen wir auch auf viele verschiedene Arten, alleine das ist schon spannend! Außerdem: Je mehr Menschen kommen, desto besser wird die Stimmung für uns alle. Wir haben bereits Fans, die so toll sind, immer kommen und Stimmung machen – aber wenn die noch unterstützt werden, bockt das alles noch mehr. Ich glaube einfach, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer bei uns viel Spaß haben und guten Fußball sehen können.

Auf die einzige Saisonniederlage gegen Leipzig II hattet ihr in den folgenden Spielen gute Antworten parat. Würdest du sagen, dass ihr im Kollektiv in puncto Resilienz noch einmal einen Schritt nach vorne gemacht habt?
Giannori: Ja, ich glaube schon. Diese Niederlage hat sich natürlich nicht gut angefühlt. Unser Trainer hat im Anschluss an diese Partie aber eine gute Ansprache gehalten und es war nun einmal auch nicht zu erwarten, dass wir ohne Niederlagen durch die Saison kommen. Zumal wir trotz unserer Entwicklung nach wie vor ein sehr junges Team sind, das lernen muss – auch und gerade aus Fehlern. Da helfen uns auch die Erfahrungen der ersten beiden Spielzeiten. In der ersten Saison haben wir in der Rückrunde einige Niederlagen kassiert, vergangenes Jahr war es schon besser, und ich bin gespannt, wie wir jetzt weitermachen und wie schnell uns weitere Schritte gelingen!

Apropos Schritt nach vorne: Du kamst in jedem Pflichtspiel zum Einsatz, standest in der Liga jedes Mal in der Startelf und bist erneut Teil des Mannschaftsrates. Was war entscheidend für deinen großen Schritt nach vorne?
Giannori: Ein Trainerwechsel kann einzelnen Spielerinnen natürlich immer helfen und mir ist er definitiv entgegengekommen. Bei mir steht und fällt vieles mit Selbstvertrauen, und ich bekomme von Tobias, Kolli (Co-Trainerin Sarah Kollek, Anm. d. Red.) und dem gesamten Staff extrem viel Vertrauen. So konnte ich eine gute Vorbereitung spielen und spüre diesen Rückhalt auch, wenn ich mal im Spiel einen Fehler mache – wie beispielsweise gegen Leipzig. Ich glaube, dieses Gefühl hilft jeder Spielerin, freier aufzuspielen, und für mich war das der vielleicht wichtigste Faktor.

Clara Dreher und Nora Giannori sitzen auf der Tribüne des Amateurstadions.

Wie groß ist, auch dadurch, dein Anspruch das Team mitzuführen und Verantwortung zu übernehmen?
Giannori: Ich bin per se jemand, der auf dem Platz und innerhalb des Teams gerne spricht. Deshalb bin ich dankbar, dass mir dieses Vertrauen gegeben worden ist und ich dabei eben auch lernen darf, wie man eine Führungsrolle übernimmt. Ich kann mir von Clara (Dreher, Anm. d. Red.) Dinge abschauen, ich tausche mich mit Jennifer (Cramer, Anm. d. Red.) aus, eine sehr erfahrene Spielerin, die so viel erlebt und erreicht hat. So lerne ich und finde meine Rolle. Das ist sehr spannend und ich möchte weiter bestmöglich in dieser wachsen!

Hast du dabei möglicherweise Vorbilder? Du sprichst Jennifer schon an, ihr spielt auf der gleichen Position…
Giannori: … im Training und in den Spielen gibt es auf jeden Fall Situationen, in der man ihr die Ruhe durch ihre enorme Erfahrung anmerkt. Da lohnt es sich, zuzuschauen und zu lernen! Genauso, wie sie damit umgeht, wenn einmal eine Aktion misslingt. Wichtig ist aber auch, eigene Routinen und Abläufe zu entwickeln und die zu finden, die zu einem selbst passen.

Gibt es generell Spielerinnen oder auch Spieler, die dich beeindruckt und geprägt haben?
Giannori: Ich war lange großer Ronaldo-Fan – weniger, weil ich mir fußballerisch etwas von ihm hätte abschauen können, sondern eher, weil ich seinen kontinuierlichen Arbeitswillen bemerkenswert und auch inspirierend fand. Philipp Lahm hat mir auch sehr gefallen, sowohl sein intelligentes Spiel, als auch seine Art zu führen. Ohne Schlagzeilen, extrem professionell und fair hat er praktisch alles gewonnen. Und als Halb-Italienerin habe ich nach meinem Wechsel in die Innenverteidigung natürlich auch bei Fabio Cannavaro oder Paolo Maldini genauer hingeschaut.

Wie würdest du dich selbst als Spielerin beschreiben? Wo liegen deine Stärken?
Giannori: Ich bin auf dem Platz kommunikativ, versuche zu helfen und Kommandos zu geben. Ich bin zweikampfstark und versuche, auch an meiner Spieleröffnung zu arbeiten, das Spiel so mitzugestalten. Das macht mir großen Spaß und gehört auch zu unserer Idee, Fußball zu spielen!

Nora Giannori am Ball.

Ideen als Stichwort: Es gab ein paar Veränderungen im Team um das Team, ihr habt in Tobias Kurbjuweit einen neuen Cheftrainer bekommen. Was zeichnet ihn aus? Und was hat sich durch die neue Konstellation in eurer gemeinsamen Arbeit verändert?
Giannori: Die Teamdynamik ist extrem gut, wir sind noch stärker zusammengewachsen, wozu auch die neuen Spielerinnen mit ihrer offenen Art ihren Teil beigetragen haben! Ich denke, dass sich das auch auf dem Platz für uns auszahlen wird. Tobias macht aus, dass er mit einem absolut neutralen Blick an die Arbeit gegangen ist und sich sein eigenes Bild machen wollte. Man sieht, dass viele Spielerinnen, die vorher nicht so regelmäßig zum Einsatz gekommen sind, eine Menge Spielzeit generieren – wie ich zum Beispiel auch. Und es klappt für uns als Team. Außerdem mag ich seine Idee von Fußball: Viel Ballbesitz, schnell, flexibel und mutig nach vorne spielen. Mit seiner Art zu coachen bringt er auch neue Aspekte in unsere tägliche Arbeit.

Was hast du dir persönlich noch für die weitere Saison vorgenommen?
Giannori: Ich muss ein Kopfballtor nach einer Ecke machen! Darauf hat mich Tobias auch schon angesprochen (lacht). Ansonsten möchte ich mich weiterentwickeln, mutig Fußball spielen, weiterhin viele Minuten sammeln und dem Team dabei bestmöglich helfen. Und natürlich möglichst oft hinten die Null halten!

Das gemeinsame Ziel als Team ist klar kommuniziert: Aufstieg. Wie schätzt du eure Ausgangslage nach diesen ersten Pflichtspielen ein? Was läuft schon gut? Und wo müsst ihr euch noch verbessern, um den großen Traum wahrwerden zu lassen?
Giannori: Die Tabellenführung ist eine gute Ausgangslage – ebenso wie die Tatsache, dass wir bisher sehr viele Tore schießen. Auf diese Tordifferenz und unsere Offensivstärke können wir vertrauen, das gibt uns ein gutes Gefühl. Die vier Gegentore stören mich natürlich, dazu die Tatsache, dass wir die alle zu Hause kassiert haben. Da müssen wir weiterarbeiten und den Fokus darauf setzen, möglichst oft ohne Gegentreffer zu bleiben. Gelingt das, ist mit dieser Offensive unsere Wahrscheinlichkeit zu gewinnen, immer extrem hoch. Außerdem können wir noch Schritte nach vorne darin machen, unsere eigene Energie hochzuhalten und das Spiel von der ersten bis zur letzten Minute zu bestimmen, unabhängig davon, was die Gegnerinnen machen.

Der nächste Schritt führt euch am kommenden Sonntag nach Magdeburg. Vergangene Saison habt ihr dort beim 1:1 Punkte liegengelassen, ist das im Hier und Jetzt noch eine Zusatzmotivation? Was erwartest du vom Spiel bei den Bördestädterinnen?
Giannori: Gute Frage (lacht). Das Rückspiel (5:0, Anm. d. Red.) lief ja dann gut für uns. Aber Magdeburg entwickelt sich, ist ein anderer Gegner als beispielsweise vor zwei Jahren. Spielerisch fand ich sie zum Beispiel bei unserem letzten Sieg trotz des deutlichen Ergebnisses ordentlich, mit einer guten Idee. Jetzt haben sie noch einige Leute verpflichtet – das ist ein Gegner, der uns stören kann. Es wird ein interessantes Spiel, um herauszufinden, wo wir stehen. Darauf habe ich, darauf haben wir Bock! Wir müssen unser Spiel spielen und das auf den Platz bringen, was wir können. Die simplen Sachen gut, sauber und ordentlich abrufen, dann bin ich zuversichtlich. Es liegt an uns!

von Konstantin Keller