Profis | 23. April 2021, 15:26 Uhr

"Wir wollen es denjenigen zeigen, die nicht an uns glauben!"

Niklas Stark ist unser Dauerbrenner. Mit 2511 von 2520 möglichen Einsatzminuten in der laufenden Bundesliga-Saison sammelte unser Vize-Kapitän so viel Platzzeit wie kein anderer Herthaner in 2020/21. Bemerkenswert: Dabei hat unser Innenverteidiger in diesem Ranking sogar einen Vorsprung von über 500 Minuten auf den zweitplatzierten Matheus Cunha (1.994 Minuten). Lediglich am ersten Spieltag stand der 26-Jährige 'nur' 81 Zeigerumdrehungen auf dem Rasen und nicht über die gesamte Spieldauer – wie in allen (!) anschließenden 27 Begegnungen. Umso schwieriger ist es für Stark und seine Teamkollegen auszuhalten, dass sie seit dem 10. April keine weitere Partie mehr absolvierten und die Blau-Weißen erst am 3. Mai wieder in den Bundesliga-Alltag einsteigen dürfen. "Es ist einfach etwas anderes, auf dem Platz zu sein und gemeinsam um Punkte zu kämpfen, als sich in den eigenen vier Wänden fit zu halten. Wenn wir dann nicht raus und nicht selbst auf dem Rasen stehen können, ist das schon blöd", beschreibt unser Defensivakteur die aktuelle Situation in der häuslichen Quarantäne. Aus dieser heraus spricht der deutsche Nationalspieler am Freitag in einer von herthabsc.com verschriftlichten Medienrunde über...

...seinen ersten Gedanken, als die Quarantäne feststand: Wir haben uns vorher schon Gedanken gemacht, weil wir wussten, wenn Marvin Plattenhardt auch noch positiv getestet wird, dann wird es auf die Quarantäne hinauslaufen. Wir haben gehofft, dass 'Platte' negativ getestet wird und wir ins Hotel gehen dürfen, um dort unser Trainingslager abhalten zu können. Dem war dann nicht so. Deshalb hat sich da jeder von uns schon etwas ausgemalt, was es für uns bedeuten kann und jeder konnte sich ein bisschen darauf einstellen. Als es dann endgültig feststand, war es für uns alle relativ beschissen – das muss ich so ehrlich sagen. Natürlich bereiten wir uns hier zu Hause gut vor, doch wir sehen die anderen Spiele im TV und wir können selbst nicht aktiv eingreifen. Es ist einfach etwas anderes, auf dem Platz zu sein und gemeinsam um Punkte zu kämpfen, als sich in den eigenen vier Wänden fit zu halten. Wenn wir dann nicht raus und nicht selbst auf dem Rasen stehen können, ist das schon blöd.

...eine mögliche Quarantäne-Routine: Es ist meine dritte Quarantäne, jede ist ein bisschen anders. Es ist nie schön. Aber ich versuche meinen Rhythmus beizubehalten: Immer zur gleichen Zeit aufzustehen, mich gut zu ernähren, vor und nach dem Training immer die gleichen Sachen zu machen, sodass ich so fit wie möglich bin, wenn wir wieder nach draußen dürfen. Wir haben ein bisschen mehr Zeit als sonst. Dennoch trainieren wir zweimal täglich und sind tagsüber beschäftigt. Es ist auf keinen Fall Urlaub für uns, dass wir hier bis 10 Uhr schlafen, nur rumliegen und uns abends eine Flasche Wein gönnen. So ist es definitiv nicht. Wir wollen uns bestmöglich auf die Spiele vorbereiten und da ist jeder von uns noch einen Tick mehr gefragt.

[>]
Wir tun alles mögliche, um ständig in Kontakt zu bleiben und so auch unseren sehr guten Teamspirit aufrechtzuerhalten. Das wird uns in den kommenden Spielen sicherlich helfen.
[<]

-Niklas Stark

...die virtuellen Einheiten: Henrik Kuchno macht es teilweise schon sehr anstrengend für uns. Natürlich ist es schwierig, in der Quarantäne die Motivation zu bekommen. Aber Henrik macht das sehr gut, er hört auf uns, wenn wir etwas anzumerken haben. Wir sind da jedes Mal mit ihm im Austausch. Wir trainieren sehr gut. Die Einheiten in den eigenen vier Wänden können wir nicht mit dem Training draußen auf dem Platz vergleichen. Wir können keine großen Schritte machen und haben diese langen Meter nicht. Ich habe meine Wohnung deshalb schon ein bisschen umgeräumt, damit ich hier längere Läufe machen kann (schmunzelt). Wir versuchen so nah wie möglich an das Training auf dem Schenckendorffplatz heranzukommen.

...die Inhalte, die während der Quarantäne nicht trainiert werden können: Vom körperlichen her ist es während einer Quarantäne schwierig, die kleinen, seitlichen und dynamischen Bewegungen zu trainieren – beispielsweise Sprints. Unsere Ausdauer verlieren wir nicht allzu schnell, vor allem wenn wir die ganze Zeit schuften. Aber wir arbeiten bestmöglich an diesen kleinen Bewegungen, dass wir die sofort wieder umsetzen können, wenn wir ins Mannschaftstraining gehen. Das haben wir bei der Quarantäne im vergangenen Jahr ein stückweit weniger trainiert, das ist schon ein Unterschied. Von daher bin ich guter Dinge, dass wir fit aus der Isolation herauskommen. Darüber hinaus ist es schwierig, taktisch zu arbeiten – wenn wir die Dinge nicht auf dem Platz vor uns sehen. Wir haben aber Aufgaben vom Trainerteam bekommen, um unsere kommenden Gegner anzuschauen und uns bestmöglich auf die Teams vorzubereiten. 

Niklas Stark hebt seinen linken Arm.
Gibt die Richtung vor: Vize-Kapitän Niklas Stark.

...die Kommunikation in der Mannschaft während der Quarantäne: Wir sind schon die gesamte Zeit im Austausch, haben da auch nochmal eine neue Gruppe aufgemacht. Normalerweise sehen wir uns jeden Tag und unterhalten uns über alle möglichen Dinge. In dieser Zeit haben die Gespräche mehr den Fokus auf die aktuelle Lage. Wir tauschen uns aus, was wir noch im Training machen können, wie es den anderen Spielern gesundheitlich geht, ob jemand Schmerzen hat und wir versuchen Online-Events auf die Beine zu stellen. In etwa, dass wir abends gemeinsam zocken oder andere Dinge außerhalb des Fußballs virtuell zusammen machen. Darum kümmere ich mich auch. Wir tun alles mögliche, um ständig in Kontakt zu bleiben und so auch unseren sehr guten Teamspirit aufrechtzuerhalten. Das wird uns in den kommenden Spielen sicherlich helfen.

...den angesprochenen Teamspirit: Ich sehe unsere aktuelle Situation als Chance. Wir sind in einer schwierigen Lage, in der wir jetzt alle die Zeit haben, uns klar zu machen und in die Köpfe reinzubekommen, was vor uns steht und dass wir gemeinsam etwas Großes erreichen können. Viele haben uns bereits abgeschrieben und sagen, dass wir der Absteiger sind. Das sehen wir auf jeden Fall anders. Wir wollen es all denjenigen zeigen, die nicht an uns glauben! Das kann uns als Mannschaft nochmal enger zusammenschweißen. Denn wir brauchen bei dem engen Spielplan in dieser Phase wirklich jeden Mann.

...den Spielplan: Es kann ein Vorteil sein, dass wir ungefähr wissen, welche Punktzahl wir für den Klassenerhalt benötigen, wenn wir wieder eingreifen dürfen. So nehmen wir es auch an, denn wir greifen alles Positive auf, was positiv für uns ist. Wir kennen den Spielplan und wissen, was uns erwartet. Es ist ein straffes Programm, darüber müssen wir nicht diskutieren. Es haben aber auch schon andere Mannschaften geschafft, so eine Herausforderung erfolgreich zu meistern. Es ist schon fast eine Turnierform für uns und ähnlich zu den Welt- und Europameisterschaften, dass wir über mehrere Wochen alle drei Tage im Einsatz sind. Wir haben Akteure im Team, die solche Turniere schon gespielt haben, Sami Khedira hat eine Weltmeisterschaft auch schon gewonnen – von daher sind wir gut gewappnet. Sami hat die meiste und beste Erfahrung. Er wird ein sehr wichtiger Bestandteil des Projekts sein, weil er diese Erfahrung hat, die uns auf jeden Fall in den verbleibenden Partien sehr guttun wird.

von Simon Jötten