
„In diesem Team stecken Mentalität & Siegeswillen“
Seit rund anderthalb Jahren heißt es für Sofian Chahed inzwischen: Bundesliga statt Junioren-Regionalliga, Potsdam statt Berlin, Turbine statt Hertha BSC. Im Sommer 2020 vereinbarten unsere Alte Dame und der 1. FFC eine Kooperation, parallel dazu entschloss sich unser ehemaliger Profi zum Schritt als Trainer aus unserer Fußball-Akademie hin zu einem Spitzenteam in die Frauen-Bundesliga. Nach Platz vier im Vorjahr möchte der Coach, der unmittelbar vor den Feiertagen seinen Vertrag langfristig verlängerte, mit seinen Spielerinnen 2021/22 einen weiteren Schritt nach vorne machen. Zur Winterpause liegt Chaheds Équipe nach der kurzfristigen coronabedingten Absage des Spiels gegen Wolfsburg auf Tabellenrang 5 und ist als Viertelfinalist im DFB-Pokal noch aussichtsreich im Rennen. „Wir haben eine Entwicklung in der Mannschaft gesehen. In diesem Team stecken viel Mentalität, Siegeswillen und Torhunger. Wir sind auf dem richtigen Weg“, lautet die Zwischenbilanz des gebürtigen Berliners, der in Brandenburgs Hauptstadt noch einiges vorhat. Im Interview mit herthabsc.com spricht der 38-Jährige über die Hinserie, die Kooperation unserer beiden Clubs und die Ziele für die zweite Saisonhälfte.
herthabsc.com: Sofian, nach einem 1:1 gegen den Deutschen Meister Bayern München und der Absage der Partie gegen Pokalsieger Wolfsburg überwintert ihr mit 21 Punkten auf Tabellenplatz 5. Im DFB-Pokal steht ihr im Viertelfinale. Wie fällt dein Hinrundenfazit aus?
Chahed: Ich ordne unsere Hinserie als erfolgreich ein. Wir haben eine Entwicklung in der Mannschaft gesehen. Abgesehen vom Spiel gegen Leverkusen (0:2; Anm. d. Red.), das ich auf Augenhöhe mit uns sehe, haben wir gegen die kleineren Gegner konstant dreifach gepunktet. In diesem Team stecken viel Mentalität, Siegeswillen und Torhunger. Wir sind auf dem richtigen Weg, freuen uns über eine erfolgreiche Hinrunde und hätten uns nun gerne noch mit Wolfsburg gemessen – leider sollte es vorerst nicht dazu kommen.
herthabsc.com: Du hast im Sommer das Ziel ausgegeben, mehr Punkte zu holen und Tore zu schießen als in der vergangenen Saison. Mehr Treffer sind es geworden, auf dem Punktekonto ist im Vergleich nur ein Zähler weniger. Siehst du dein Team auf Kurs? Wo steckt aus deiner Sicht noch Optimierungspotenzial?
Chahed: Wenn wir die Art und Weise betrachten, wie wir Fußball spielen, kann ich die erste Frage klar bejahen. Wir gewinnen Partien insgesamt souveräner, wollen nun eine stabilere Rückrunde spielen und so am Saisonende dann auch mehr Zähler auf unserem Konto haben. Was Optimierungen angeht: Es ist viel Spielverständnis in unserem Team vorhanden und auch die Passqualität ist gestiegen – dennoch glaube ich, dass wir uns mit täglicher Arbeit in der Grundlagentechnik weiter verbessern und so jede einzelne Spielerin noch stärker machen können.
[>]Es ist viel Spielverständnis im Team vorhanden. Ich glaube, dass wir uns mit täglicher Arbeit weiter verbessern und so jede einzelne Spielerin noch stärker machen können.[<]
herthabsc.com: Besser machen als Stichwort: Du arbeitest – auch im Vergleich zu den Topteams aus München und Wolfsburg – mit einem relativ jungen Kader. Bereitet es dir besondere Freude, talentierte Spielerinnen fördern und bei ihren nächsten Schritten begleiten zu können?
Chahed: Die Entwicklung der Mädels zu beobachten und zu sehen, wie sie ihre Arbeit im Training auf dem Platz in Tore und Punkte ummünzen – das freut einen als Trainer immer besonders. Gleichzeitig ist klar, dass diese Verbesserungen etwas Zeit benötigen. Die muss man sich nehmen, die haben wir uns genommen und die werden wir uns aus Überzeugung auch weiterhin nehmen!
herthabsc.com: Apropos Überzeugung: Seit nunmehr anderthalb Jahren bist du als Coach bei Turbine und hast nun deinen Vertrag bis 2025 verlängert. Wie beurteilst du die bisherige Zeit insgesamt und was wird wichtig sein, um weiter erfolgreich zu arbeiten?
Chahed: Fertige Spielerinnen können wir nicht kaufen, sondern müssen stattdessen junge, talentierte Spielerinnen sichten. Dabei brauchen wir Fantasie, Geduld und ein wenig Zeit und müssen dann hart arbeiten, um sie zu fördern und so den Anschluss zu den Top-Teams nicht zu verlieren. So sehe ich den Weg von Turbine, und den müssen wir gemeinsam weitergehen. Dass der Verein mir weiterhin das Vertrauen schenkt, macht mich stolz. Ich werde das mit guter Arbeit zurückzahlen und freue mich auf weitere Jahre hier.

herthabsc.com: Du hast uns vor der Saison berichtet, dass der Schritt nach Potsdam dir als Trainer gutgetan hat – auch, weil deine Spielerinnen regelmäßig abgeholt werden möchten und gute Kommunikation gefragt ist. In welchem Bereich hast du dich als Übungsleiter in der Zeit beim 1. FFC besonders weiterentwickelt?
Chahed: In der Teamführung! Turbine ist ein Verein von überschaubarer Größe, als Coach muss man hier nicht nur den Trainerposten ausüben, sondern auch darüber hinaus Dinge klären und organisieren. Dadurch habe ich ins Vereinsleben noch einmal völlig neue Einblicke bekommen. Sportlich konnte ich auch viel lernen und an Herausforderungen wachsen. Wir mussten das Team entwickeln, ein passendes Spielsystem finden und uns alle aneinander gewöhnen. Die Arbeit hier bringt mich nicht nur als Trainer, sondern auch in meinen Fähigkeiten als sportlicher Leiter und als Mensch weiter.
[>]Die Arbeit hier bringt mich nicht nur als Trainer, sondern auch in meinen Fähigkeiten als sportlicher Leiter und als Mensch weiter.[<]
herthabsc.com: Wagen wir einen kurzen Blick von der Havel an die Spree. Du verfolgst unseren Hauptstadtclub selbstverständlich weiter aufmerksam. Wie beurteilst du die abgelaufene Halbserie?
Chahed: Insgesamt gesehen empfand ich die Hinrunde als enttäuschend. Wir – ich zähle mich als mitfieberndes Mitglied nach wie vor dazu – sind hinter unseren Erwartungen geblieben. Der Sieg gegen Dortmund war wichtig, um das Jahr versöhnlich abzuschließen. Jetzt braucht es eine intensive und harte Wintervorbereitung. Die Jungs müssen läuferisch überzeugend, kämpferisch und leidenschaftlich auf den Platz gehen. Wenn das gelingt, ist das Ergebnis gar nicht immer entscheidend, aber so springt dann der Funke auf unsere Fans über. Klappt das, wird das Team in der Rückserie mehr Siege als Niederlagen einfahren, davon bin ich überzeugt!
herthabsc.com: Zurück zu Turbine: In der Bundesliga geht es für dich und dein Team planmäßig erst am 6. Februar bei Carl Zeiss Jena weiter. Wie werdet ihr die Pause inhaltlich nutzen? Hast du besondere Trainingsmaßnahmen geplant?
Chahed: Am 3. Januar werden wir wieder in die Vorbereitung starten. Wir haben in diesem Monat durch den Ausfall des Wolfsburg-Spiels eine Nachholpartie an zwei möglichen Terminen vor uns, die exakte Terminierung müssen wir abwarten. Dadurch müssen wir die Vorbereitung noch einmal ein wenig neu denken. Fest steht, dass wir Mitte Januar ein Kurztrainingslager durchführen und zuvor gemeinsam an Grundlagen und Ausdauer sowie an unserem Offensivspiel schleifen werden. All das wollen wir so oft wie möglich auch auf dem Rasen machen, wo auch ein Test gegen Herthas U15 geplant ist – wenn der trotz der veränderten Terminlage zustande kommt, wäre das umso schöner.
herthabsc.com: Der Austausch mit dir ist zu einer schönen Regelmäßigkeit im Rahmen der Kooperation zwischen unseren Clubs geworden. Was muss in der Rückserie passieren, damit wir beim nächsten Gespräch gemeinsam auf eine gute Saison für Turbine Potsdam zurückblicken können?
Chahed: Viele Rädchen müssen dafür im Team ineinandergreifen. Mir ist wichtig, dass wir als Kollektiv verteidigen, Tore gemeinsam erspielen und so als Einheit auch stärkeren Gegner trotzen. Wenn uns das gelingt, dann denke ich, dass wir auch beim nächsten Gespräch noch Anschluss an die Champions League-Plätze haben. Diesen gilt es für uns zu halten und dann auch mal ein direktes Duell gegen die Top-Teams für uns zu entscheiden!