Maurice Čović im Einsatz für unsere U23.
Akademie | 2. Mai 2022, 17:43 Uhr

„Da muss ich der Wahrheit ins Gesicht schauen“

Trotz seiner erst 24 Jahre hat Maurice Čović bereits viel erlebt. Der gebürtige Berliner läuft seit 2011 für unseren Hauptstadtclub auf, zwischendurch hat er seine Fußballschuhe sogar schon in Italien geschnürt. Am vergangenen Samstag beim 2:0-Sieg unserer U23 in Leipzig feierte der Student ein blau-weißes Jubiläum und absolvierte bereits sein 100. Regionalliga-Spiel für unseren Verein. Auch wenn es 'nur' die vierthöchste Spielklasse und nicht die Bundesliga ist, kann sich der beidfüßige Offensivspieler dennoch über das Jubiläum freuen. „100 Spiele für dieselbe Mannschaft zu bestreiten, ist schon etwas Besonderes – vor allem bei meinem Herzensverein, für den ich seit 2011 aktiv bin“, unterstreicht „Momo“ seine Verbindung zu unserer Alten Dame. Warum es in all den Jahren nicht zu (noch) höheren Aufgaben gereicht hat, verrät der 1,75-Meter-Mann mit beeindruckender Selbstreflektion gegenüber herthabsc.com im Interview..

herthabsc.com: Maurice, herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum: 100 Regionalliga-Spiele für Hertha BSC – wie wichtig ist dir diese Zahl?
Čović: Vielen Dank! 100 Spiele für dieselbe Mannschaft zu bestreiten, ist schon etwas Besonderes – vor allem bei meinem Herzensverein. Schade, dass es nicht für das Profi-Team ist, aber für die zweite Mannschaft ist es auch nicht so schlecht (schmunzelt). Mal schauen, wie viele Spiele noch hinzukommen werden, vielleicht jage ich ja noch den Fugger (U23-Kapitän Tony Fuchs, der zuletzt sein 200. Spiel absolviert hat; Anm. d. Red.). Als ich kurz vor meinem 50. Spiel stand, habe ich mit den ehemaligen Kollegen um Florian Baak, Palko Dárdai und Muhammed Kiprit Witze drüber gemacht, wer die meisten Regionalliga-Spiele von uns bestritten hat. Anschließend habe ich mich mit der Anzahl aber nicht mehr weiter beschäftigt.

herthabsc.com: Hand aufs Herz: Ein gewolltes oder eher ungewolltes Jubiläum für unsere U23?
Čović: Klar wäre es schöner gewesen, wenn ich das Jubiläum bei den Profis geschafft hätte, aber ich bin realistisch genug und bin mit dem zufrieden, was ich bisher erreicht habe. In der vierten deutschen Liga 100 Spiele gemacht zu haben, ist nicht verkehrt. Natürlich geht es immer besser. Aber ich freue mich über dieses Jubiläum und bin da auch ein wenig stolz drauf, dass die Knochen bisher gehalten haben (grinst).

Jubiläumsgrafik Maurice Čović.

herthabsc.com: Wenn man so viele Spiele für ein und dieselbe Mannschaft absolviert hat: Was bedeutet die U23 mittlerweile für dich?
Čović: Mir macht es bei unserer U23 total Spaß – unabhängig vom Trainer, der kann ruhig mal gewechselt werden (zwinkert lächelnd). Jedes Jahr kommen viele neue Spieler und es verlassen uns auch immer einige, da ist es immer sehr schön, die Entwicklung innerhalb des Teams zu sehen – vor allem wenn wir die Hin- und Rückrunde vergleichen. Jedes Jahr sind wir in der Hinserie irgendwo im unteren Mittelfeld, in der Rückrunde läuft es deutlich besser. Allein diesen Prozess Jahr für Jahr mitzumachen, ist schon sehr interessant. Wir haben eine hohe spielerische Qualität, wir zählen technisch und taktisch zu den besten Teams der Liga. Da gilt es für uns zu lernen, auch mal dazwischen zu hauen oder einen knappen Vorsprung mit Erfahrung und Abgeklärtheit über die Zeit zu bringen.

herthabsc.com: Apropos Zeit: Du spielst seit 2011 für unseren Verein, bis auf zwei Kadernominierungen bei den Profis hat es bislang für die Bundesliga noch nicht gereicht. Wie eng ist der Kontakt zu den Profis bisher gewesen und wie sieht er aktuell aus?
Čović: Das ist eine gute Frage! Ich hatte schon das Gefühl, sehr eng dran gewesen zu sein. In meinem zweiten U19-Jahr war ich mit den Profis im Trainingslager, das ist auch schon ein bisschen her. Anschließend war ich drei Jahre dauerhaft oben bei der Bundesliga-Mannschaft und Teil des Trainingsbetriebs. Als ich einmal im Kader stand, war noch ein Wechsel offen, da habe ich natürlich gehofft, dass ich reinkomme, das war aber leider nicht der Fall. In der Phase habe ich viel mitgemacht, leider bin ich nie komplett durchgerutscht und habe den Durchbruch geschafft. Inzwischen ist der Kontakt nicht mehr so eng, mit 24 bin ich dann auch kein junges, vielversprechendes Talent, da muss ich der Wahrheit auch ins Gesicht schauen. Sollte sich doch mal etwas ergeben, dass bei den Profis auf meiner Position ein Spieler gebraucht wird, bin ich da! Ich spiele Fußball aus Leistungsgründen, bin ehrgeizig und gebe alles, um so hoch wie möglich zu spielen. Ansonsten könnte ich mich auch sonntags mit meinen Freunden auf einen Kick in der 6. Liga treffen.

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Da kann ich in diesem Zuge auch sehr gerne verraten, dass ich vor kurzem meinen Vertrag bei Hertha BSC um zwei Jahre verlängert habe.
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-Maurice Čović

herthabsc.com: In der Saison 2019/20 warst du für ein halbes Jahr an Ascoli Calcio in die italienische Serie B ausgeliehen. Sportlich lief es nicht ganz so nach deinen Vorstellungen, aber laut den Aussagen deines Trainers hat dir diese Zeit vor allem menschlich gutgetan. Was hast du aus dieser Zeit mitgenommen?
Čović: Das war eine ganz besondere Erfahrung für mich: in einem fremden Land, ohne die Sprache zu sprechen. Am Anfang war es wirklich schwierig, weil ich in meinen zwölf Spielen insgesamt vier Trainer hatte. Da ist es für einen ausländischen jungen Spieler nicht so einfach, sich zurechtzufinden. Die neuen Trainer haben da immer auf die erfahrenen Jungs gesetzt. Allgemein tat mir dieser Perspektivwechsel aber sehr gut, das Leben in Italien ist schon völlig anders als bei uns in Deutschland. Alles in allem bin ich menschlich in dieser Zeit gereift, mittlerweile betrachte ich das ganze Leben mit anderen Augen.

herthabsc.com: Anders als dein Kollege Tony Fuchs, der zuletzt sein 200. Spiel gemacht hat, hast du mit 24 Jahren noch den Großteil deiner Karriere vor dir: Wie sehen deine Pläne für die Zukunft aus?
Čović: Auch wenn ich nebenbei ein Lehramt-Studium angefangen habe, konzentriere ich mich zu 100 Prozent auf den Fußball. Das ist das, was ich liebe, meine pure Leidenschaft. Da kann ich in diesem Zuge auch sehr gerne verraten, dass ich vor kurzem meinen Vertrag bei Hertha BSC um zwei Jahre verlängert habe. Ich bin in Berlin einfach zu Hause – mit Wohnung, Studium und meinem Umfeld, das passt alles perfekt. Ich möchte in der U23 den jungen Spielern das weitergeben, was ich in meiner Zeit bei den Profis selbst mit an die Hand bekommen habe.

herthabsc.com: Das klingt hervorragend, aber ein Bundesliga-Spiel für Hertha BSC ist nach wie vor dein Traum?
Čović: Definitiv, dieser Traum lebt immer noch! Ich strebe nach mehr, habe einen Bundesliga-Einsatz für meinen Heimatverein noch nicht abgehakt. Ich bin von meinen Qualitäten nach wie vor überzeugt, ansonsten hätte ich meine Schuhe längst an den berühmten Nagel gehängt.

von Simon Jötten