Davie Selke und Prince Boateng applaudieren den Fans in der Ostkurve.
Profis | 8. Mai 2022, 19:33 Uhr

Verlängerung

Das Olympiastadion jubelte, die Lichter der Arena strahlten im Rhythmus unserer Torhymne auf und Davie Selke drehte nach dem vermeintlichen 2:2 bereits zum Jubeln ab – doch die blau-weiße Freude war in dieser ersten Minute der Nachspielzeit leider verfrüht. Aufgrund eines Foulspiels unseres Torschützen erkannte das Gespann um Referee Ittrich den Treffer nicht an. „Es gab einige strittige Szenen, aber ich war eben bei Patrick Ittrich und habe ihn für ein hervorragendes Spiel gelobt, er hat immer richtig gelegen. Man kann über die letzte Situation diskutieren, aber als Stürmer darfst du da nicht mit beiden Händen so hingehen. Daher kann man da auch Freistoß pfeifen, auch wenn ich verstehe, dass man das als Angreifer anders sieht, das wäre bei mir damals genauso gewesen“, ordnete Fredi Bobic die Szene ein. Unsere Nummer 7 hatte zuvor nämlich eine andere Einschätzung gegeben, sah aber auch in erster Linie Grund zur Selbstkritik. „Bei aller Liebe ist die Aktion von mir kein Foul“, erklärte Selke. „Generell brauchen wir aber über den Referee nicht zu sprechen. Wir sind nicht an unsere Leistungsgrenze der vergangenen Wochen gekommen, deswegen haben wir gegen eine gute Mainzer Mannschaft verloren.“ Da am Samstagabend ohnehin nur ein Heimsieg die vorzeitige Rettung gebracht hätte, heißt es im Kampf um unseren Klassenerhalt nun: Verlängerung. Durch das Remis des VfB Stuttgart beim FC Bayern am Sonntag muss der 15. Tabellenplatz am letzten Spieltag gesichert werden. „Wir hatten einen Matchball, den wir nicht genutzt haben“, bekannte Selke bereits nach dem Schlusspfiff in der Arena in Westend.

Gänsehaut vor Anpfiff

Denn diese Situation hatten unsere Jungs sich und allen Fans natürlich ersparen wollen und begannen entsprechend engagiert. Angetrieben von über 71.000 Anhängerinnen und Anhängern und beflügelt von einem Besuch in der Kurve kurz vor Spielbeginn legten die Herthaner los. „Dass wir zusammen in die Ostkurve gehen, hatten wir als Team vorher besprochen, es war der richtige Zeitpunkt und sie haben uns fantastisch unterstützt“, verriet Marcel Lotka. „Wir wollten den Fans mit dem Gang in die Kurve zeigen, dass wir alle zusammengehören“, unterstrich Dedryck Boyata angesichts der Szenen, die bereits vor dem Anpfiff für blau-weiße Gänsehaut sorgten.

„Keinerlei Vorwürfe“ an Lotka

Entsprechend angetrieben erspielte sich unsere Alte Dame durch Selke auch den ersten Abschluss und dominierte die erste Viertelstunde. Die Gäste aus Rheinhessen reagierten mit Umstellungen, arbeiteten sich so Stück für Stück zurück ins Spiel – und gingen in der 25. Minute in Führung. Schlussmann Lotka ließ ein Schuss von Silvan Widmer aus spitzem Winkel ins Tor trudeln, ein „Flüchtigkeitsfehler, der mir so nicht passieren darf“, bekannte unsere Nummer 37. „Ich habe versucht den Ball zu fangen und irgendwie ist er dann durchgerutscht.“ Ein bitterer Moment, doch Schuldzuweisungen gab es bei unseren Jungs selbstverständlich keine. „Marcel machen wir aufgrund der Szene beim 0:1 keinerlei Vorwürfe, er war großartig in den vergangenen Wochen“, betonte Kapitän Boyata.

Davie Selke und Santiago Ascacíbar bejubeln das 1:1 gegen Mainz.
Pure Emotionen: Davie Selke und Santiago Ascacíbar bejubeln das zwischenzeitliche 1:1 gegen Mainz.

VAR im Blickpunkt

Der Rückstand hinterließ Wirkung, die Elf von Trainer Felix Magath tat sich schwer. „Wir wurden immer passiver, haben den FSV spielen lassen“, kritisierte unser Coach. Gegen Ende des ersten Durchganges rückte der VAR in den Blickpunkt. Zunächst kassierte das Gespann das vermeintliche 0:2 wegen Abseits wieder ein, ehe Schiedsrichter Ittrich in der Nachspielzeit der ersten Hälfte auf den Punkt zeigte: Nach Foul an Boyata nutzte Selke die Strafstoß-Chance zum umjubelten 1:1 (45.+5)! Den Schwung dieses späten Ausgleichs wollte unser Team mitnehmen, abgesehen von einem zweiten zu Recht nicht gegebenen Mainzer Tor (52.) tat sich in den Strafräumen auf beiden Seiten aber zunächst nicht viel. Defensiv stand unser Hauptstadtclub kompakt, offensiv ließ unsere Elf jedoch „Spritzigkeit, die Ruhe am Ball, die Cleverness“ vermissen, wie es Prince Boateng treffend beschrieb. „Von dem, was uns in den vergangenen Wochen ausgezeichnet hat, hat viel gefehlt“, brachte der Mittelfeldmann das Dilemma auf den Punkt.

Wilde Schlussphase ohne Lohn

Die Nullfünfer wurden so schließlich wieder stärker – und gingen, nachdem Lotka mit starker Fußabwehr noch das 1:2 verhindert hatte (75.), neun Zeigerumdrehungen vor Schluss wieder in Führung. Stefan Bells Kopfball nach einer Ecke läutete eine wilde Schlussphase ein, in der unsere Herthaner alles versuchten. Bereits vor Selkes vermeintlichem 2:2 in der Nachspielzeit hatten unsere Fans den Torschrei auf den Lippen, der Innenpfosten stand dem eingewechselten Luca Wollschläger in der 89. Minute jedoch im Weg. So bleib es bei der knappen Heimniederlage, die uns weiter bangen lässt. „Natürlich hätten wir es lieber selbst geregelt. Wir haben es aber nach wie vor in der eigenen Hand“, machte Prince nach der Partie allen Herthanerinnen und Herthanern Mut.

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Natürlich hätten wir es lieber selbst geregelt. Wir haben es aber nach wie vor in der eigenen Hand.
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-Prince Boateng

Blick auf Dortmund

So ging der Berliner Blick am Sonntagabend von München schnell zum letzten Bundesliga-Spiel bei Borussia Dortmund. Dort gibt es am kommenden Samstag (14.05.22, 15:30 Uhr, hier Tickets sichern) eine weitere Chance, den Ligaerhalt eigenständig einzutüten. "Wir glauben fest an den Klassenerhalt, für den wir in den zurückliegenden Wochen hart gearbeitet haben", unterstrich Routinier Boateng, der im Westfalenstadion die Verlängerung mit seinen Kollegen zu einem glücklichen Ende zu führen möchte.

Hier gibt es unseren Nachbericht in Leichter Sprache.

von Konstantin Keller