Marco Richter und Mannschaft applaudieren der Ostkurve.
Profis | 28. August 2022, 09:05 Uhr

Von Präzision & Konsequenz

Es hätte die Erzählung des Spiels werden können oder wie Sandro Schwarz es formulierte, „der i-Punkt auf einer außergewöhnlichen Geschichte“. Mit einer seiner ersten Aktionen fasste sich der eingewechselte Marco Richter ein Herz, legte sich den Ball kurz vor und zimmerte das Spielgerät aus 17 Metern Richtung Tor. Aber nichts war es. Latte. Einige wenige Zentimeter zwischen Aluminium und Ausgleich. Keine Belohnung und nach der 0:1-Niederlage gegen Borussia Dortmund nichts Zählbares auf der Habenseite für unsere Alte Dame. Unsere Nummer 23 ärgerte sich wie alle Blau-Weißen über das Resultat, doch verständlicherweise freute er sich auch über sein knapp 20-minütiges Comeback. „Für mich persönlich war es ein unglaublich gutes Gefühl, endlich wieder auf dem Platz zu stehen“, sagte Richter. Und wer möchte es dem 24-Jährigen, hinter dem rund um seine Hodenkrebs-Diagnose emotionale Wochen liegen, verübeln?

Schwarz: Zu viele unnötige Ballverluste

Den verdienten Applaus und lautstarke Anfeuerungen durfte sicher Richter nach Schlusspfiff nochmal vor der Ostkurve anhören. Auch seinen Kollegen schallten Spreechöre entgegen – so stimmgewaltig wie bei manchen Siegen nicht. Dass am Ende nicht zumindest ein Remis für unsere Berliner heraussprang, machte Sandro Schwarz vor allem am ersten Durchgang fest. „Nach etwa 15 Minuten waren wir nicht gut im Spiel, hatten zu viele einfache Ballverluste und haben dem Gegner zu viele Torchancen ermöglicht. So haben wir uns selbst unter Druck gebracht“, monierte unser Coach, der nicht spekulieren wollte, was passiert wäre, wenn Gregor Kobel nicht früh gegen Jonjoe Kenny so stark pariert hätte (4.).

[>]
„Wir waren in der ersten Halbzeit technisch zu unsauber, haben zu oft nicht den richtigen Fuß angespielt und kamen so nicht mehr zu Möglichkeiten.
[<]

-Sandro Schwarz

Zur Wahrheit gehörte aber auch, dass auf der Gegenseite Oliver Christensen – wie eigentlich über die vollen 90 Minuten – einige Situationen der Dortmunder bereinigte und das nötige Glück gegen Marco Reus (15.) und Salih Öczan (20.) auf seiner Seite hatte. Für den Auftritt unserer Nummer 1 gab es Lob vom Chef. „Olli hat seine Leistung aus der Vorwoche bestätigt und war unser Rückhalt“, befand unser Übungsleiter, der bei seiner Analyse der ersten Halbzeit eher auf das Aufbauspiel blickte. „Wir waren in der ersten Halbzeit technisch zu unsauber, haben zu oft nicht den richtigen Fuß angespielt und kamen so nicht mehr zu Möglichkeiten“, sagte der 43-Jährige und dürfte dabei auch die klare Konterchance seiner Angriffsreihe im Sinn gehabt haben (21.). Da halfen auch phasenweise 70 Prozent gewonnene Zweikämpfe nicht.

Steigerung nach der Pause

Nach dem Seitenwechsel gelang es den Spreeathenern, diese Ungenauigkeiten zu reduzieren – allerdings führten die Gäste aus dem Ruhrgebiet da bereits durch einen Treffer von Anthony Modeste (32.). „Wir haben in der Pause klar angesprochen, was gefehlt hat. In der zweiten Halbzeit war es ein offener Fight, teilweise auf beiden Seiten etwas wild“, sagte unser Fußballlehrer, der seinen Schützlingen – wie auch das Publikum - insgesamt eine Leistungssteigerung bescheinigte. „Wir waren leidenschaftlich drin, hatten mehr Tiefgang und Möglichkeiten, um am Ende einen Punkt hier zu behalten.“ Lucas Tousart (62.) verfehlte, der eingewechselte Stevan Jovetić scheiterte an Kobel (68.) und Chidera Ejuke zielte zu hoch (73.). Und dann, ja und dann, hatte das Olympiastadion den Torschrei bei Richters Knaller an den Querbalken schon in der Kehle (79.). „Im Fußball geht es ums Gewinnen. Dafür spielen wir. So einfach ist das“, ärgerte sich ein sichtlich angefressener Kenny.

[>]
Es geht um Präzision und Konsequenz. Wir brauchen ein klareres Spiel mit mehr Zielstrebigkeit in den Aktionen.
[<]

-Sandro Schwarz

Zielstrebigkeit und Gier

Den Frust über eine abermals ansprechende, aber punktlose Darbietung wollen unsere Blau-Weißen mit allen Mitteln in Energie umwandeln. „Wir müssen positiv bleiben und weiterarbeiten. Die Saison ist noch lang und es sind deutliche Schritte nach vorne erkennbar“, sagte Dodi Lukébakio. Woran unsere Nummer 14 und seine Mitspieler in den nächsten Tagen arbeiten werden – und wo weitere Schritte möglich sind – legte Schwarz zum Abschluss des Tages klar da. „Es geht um Präzision und Konsequenz. Wir brauchen ein klareres Spiel mit mehr Zielstrebigkeit in den Aktionen. Dazu müssen wir noch gieriger in die Box gehen“, weiß er. All das können unsere Herthaner am kommenden Sonntag (04.09.22, 15:30 Uhr) zeigen, wenn der 5. Spieltag ruft. Dann geht es zum FC Augsburg, dem Ex-Verein von Marco Richter. Und vielleicht schreibt unsere 23 dort seine Geschichte zum Spiel.

von Florian Waldkötter