Sandro Schwarz klopft sich vor dem Gästeblock aufs Herz.
Profis | 16. Oktober 2022, 11:36 Uhr

Mit Herz und Liebe

Sandro Schwarz hatte ein Ziel. Unmittelbar nach dem Schlusspfiff in Leipzig schritt er gemeinsam mit seiner Mannschaft vor den bestens gefüllten Gästeblock. Dort angekommen animierte unser Cheftrainer mit ausgestreckten Armen die Anhängerschaft, um unseren Herthanern die verdiente Anerkennung zu schenken. Als unsere Fans den aufopferungsvollen Kampf mit lautstarken Gesängen und viel Applaus quittierten, ballte Schwarz mehrfach die Faust und klopfte sich aufs Herz. Doch damit nicht genug: Beim Verlassen des Rasens und einer kurzen Umarmung mit Fredi Bobic flüsterte unser Coach voller Adrenalin seinem Chef ins Ohr: „Ich liebe unsere Mannschaft, ich liebe unsere Mannschaft“. Kurze Zeit später wiederholte der Fußballlehrer vor den Kameras seine Ausführungen. „Was meine Jungs in der zweiten Halbzeit abgerissen haben: Ich liebe sie für das, was sie gebracht haben.“ Kurz um: Dieser Abend war mehr wert als eine 2:3-Niederlage!

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Meine Jungs haben weiter an sich geglaubt und immer den Kopf oben behalten!
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-Sandro Schwarz

Blau-weißer Doppelschlag binnen 120 Sekunden

Dass wir an dieser Stelle solche Szenen überhaupt erst beschreiben dürfen, war nach den ersten 45 Minuten nicht unbedingt zu erwarten. Beim Blick auf die Anzeigetafel zur Pause haben sich viele Herthanerinnen und Herthaner wohl an die schmerzhaften und teils deutlichen Auswärtsniederlagen (2019: 0:5, 2021: 0:6) in der Messestadt erinnert gefühlt. „Vielleicht war der Respekt nach den Erlebnissen in den vergangenen Spielen gegen Leipzig etwas zu groß“, stellte Marc Kempf ähnliche Vermutungen an. Doch an diesem Samstagabend kam es anders. „In der Pause sind wir ruhig geblieben und haben mit zwei Stürmern Mut geschöpft. Wir wollten nicht das Ergebnis verwalten, sondern weiter aktiv bleiben“, beschrieb Schwarz das Vorhaben für Durchgang zwei – und das gelang in beeindruckender Art und Weise. Binnen 120 Sekunden brachten Dodi Lukébakio per Handelfmeter und Stevan Jovetić mit seinem ersten Saisontreffer unsere Blau-Weißen wieder ins Spiel zurück und verkürzten auf 2:3 (62,. 64.). „Meine Jungs haben weiter an sich geglaubt und immer den Kopf oben behalten!“, erkannte unser Coach, der am Montag seinen 44. Geburtstag feiert. „Die zweite Hälfte unterstreicht den Weg, den wir gemeinsam gehen“, schlug Kempf in dieselbe Kerbe.

Famoser Support aus dem Gästeblock führt beinahe zum Happy End

Dieser von unserem Innenverteidiger angesprochene Weg hätte beinahe im nicht mehr für möglich gehaltenen 3:3-Ausgleichstreffer sein nächstes Zwischenziel gefunden. Angetrieben von den bereits erwähnten rund 4.500 Auswärtsfans – darunter rund 80 Mitarbeitende aus unserer Geschäftsstelle um Geschäftsführer Thomas E. Herrich, Präsident Kay Bernstein und weiteren Präsidiumsmitgliedern sowie dem treuen Herthaner Dirk Johl, der die rund 180 Kilometer von Berlin aus zu Fuß abgespult hatte – spielten unsere Spreeathener in der Schlussphase mit offenem Visier auf den dritten Treffer. Der eingewechselte Chidera Ejuke (81.), an dessen Stelle erstmals nach 169 Tagen Marco Richter in der Startelf gestanden hatte, Davie Selke per Drehschuss (86.) und vor allem Wilfried Kanga mit einem Pfostenschuss (90.+4) und einer Kopfballmöglichkeit (90.+5) verpassten mehrfach das blau-weiße Happy End. „In der zweiten Halbzeit waren wir mutig und haben uns nicht aufgegeben. Wir sind direkt hoch angelaufen und haben uns viele Chancen herausgespielt. Es wäre verdient gewesen, hier einen Punkt mitzunehmen – sehr bitter, dass es am Ende nicht gereicht hat“, erklärte Maximilian Mittelstädt, der zu Beginn des zweiten Abschnitts für Marvin Plattenhardt in die Partie gekommen war.

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 „Wir müssen die positiven Dinge herausziehen: Was Energie und Gemeinschaft betrifft – mit den Zuschauerinnen und Zuschauern im Rücken – war das ganz großer Sport!“
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-Sandro Schwarz

Statistiken pro Hertha

So endete trotz mehr abgegebener Torschüsse (16:14), einer höheren Zweikampfquote (54 %) und mehr geschlagener Flanken (11:9) die bis dato seit fünf Spielen andauernde Serie an ungeschlagenen Auftritten am Stück. „Mit der letzten Aktion können wir doch noch das 3:3 machen, das ist sehr unglücklich und wir sind natürlich enttäuscht über das Ergebnis. Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass wir glücklich nach Hause fahren“, betonte Schwarz mit gehobenem Zeigefinger, um im selben Atemzug jedoch zu untermauern: „Wir müssen aber die positiven Dinge herausziehen: Was Energie und Gemeinschaft betrifft – mit den Zuschauerinnen und Zuschauern im Rücken – war das ganz großer Sport!“

Fokus auf Schalke 04

In dieser Zwickmühle – aus Stolz auf die teils atemberaubende Aufholjagd und der Enttäuschung über die Niederlage – fand sich auch Lukébakio wieder. „Ich bin wirklich stolz auf meine Mannschaft. Wir haben uns während der Pause gesagt, dass wir nichts mehr verlieren können. Wir haben wirklich alles gegeben, leider hat es nicht gereicht. Dennoch macht diese Reaktion nach der Halbzeit mit dieser Mentalität viel Hoffnung für das nächste Spiel“, formulierte unser Offensivspieler, der nicht nur seinen fünften Saisontreffer erzielte, sondern auch mit einer überragenden Defensivgrätsche gegen Christopher Nkunku das vierte Gegentor verhinderte (80.). Die Hoffnung auf einen Heimsieg in der kommenden Begegnung mit dem FC Schalke 04 (23.10.22, 17:30 Uhr, beim Mitgliederspieltag dabei sein und Tickets buchen) soll in den nächsten Tagen mit intensiver Arbeit gefüttert werden. „In der Trainingswoche müssen wir dafür hart arbeiten und auf dem Platz einiges besser machen. Wenn wir nächste Woche so anfangen, wie wir in Leipzig aufgehört haben, werden wir uns belohnen!", weiß unsere Nummer 14. Gelingt das, werden Coach Schwarz und seine Schützlinge dann auch mit etwas Zählbarem ausgelassen vor der eigenen Anhängerschaft feiern – mit Herz und Liebe!

Unseren Nachbericht gibt es auch in Leichter Sprache.

von Simon Jötten